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IMI-Analyse 2022/10

Geldregen für die Bundeswehr

Kabinett beschließt Eckwerte bis 2026 und 100 Mrd. Sondervermögen für die Bundeswehr

Jürgen Wagner (18.03.2022)

Eine gekürzte Fassung dieses Artikels erschien zuerst in der jungen Welt vom 18. März 2022.

Von einer „Zeitenwende“ sprach Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung zum Ukraine-Krieg am 27. Februar 2022. Und in der Tat übersteigt das, was er darin angekündigte und nun mit den Eckwerten für den Bundeshaushalt bis 2026 vom 16. März umgesetzt wurde, alles, was bis kürzlich auch nur ansatzweise für möglich gehalten worden wäre. Der russische Angriff auf die Ukraine ebnet so auch den Weg für eine beispiellose Militarisierung Deutschlands, die eine Reihe von Bereichen betrifft, besonders aber die Rüstungsausgaben.

Agenda Rüstung

Dem angesichts der aktuellen Eskalation besonders häufig und bewusst erweckten Eindruck, die Bundeswehr sei in den letzten Jahren und Jahrzehnten systematisch kaputtgespart worden, muss entschieden entgegengetreten werden. Er ist auch das Ergebnis einer überaus effektiv orchestrierten Kampagne, die unter dem Titel „Agenda Rüstung“ noch unter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Jahr 2014 losgetreten wurde.

Es begann mit einer im Februar 2014 in Auftrag gegebenen Untersuchung über die Bundeswehr-Großprojekte, mit der die Unternehmensberatung KPMG, die Ingenieurgesellschaft P3 und die Kanzlei Taylor Wessing betraut wurden. Sie präsentierten ihre Ergebnisse im Oktober 2014 in Form des Gutachtens »Bestandsaufnahme und Risikoanalyse zentraler Rüstungsprojekte«. Darin wurden auf 1.200 Seiten, von denen allerdings nur ein 51-seitiges Exzerpt öffentlich einsehbar ist, neun Großprojekte mit einem Gesamtvolumen von €57 Mrd. untersucht, wobei 140 Probleme und Risiken identifiziert wurden, die teils interner Natur, teils aber auch aufseiten der Industrie zu verorten seien. Daher kam das Gutachten zu dem Ergebnis, „dass eine Optimierung des Rüstungsmanagements in nationalen und internationalen Großprojekten dringend und ohne Verzug geboten ist“.[1]

Das vernichtende Urteil wurde von der damaligen Staatssekretärin für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung, der früheren Unternehmensberaterin Katrin Suder, folgendermaßen zusammengefasst: „Waffensysteme kommen um Jahre zu spät, Milliarden teurer als geplant – und dann funktionieren sie oft nicht richtig oder haben Mängel.“  Auch von der Leyen selbst richtete eine erstaunlich deutliche Kritik an die Adresse der Rüstungsunternehmen: „Wir wollen nicht für Fehler bezahlen, die die Industrie gemacht hat.“ Nach solch starken Worten sahen viele Kommentatoren von der Leyen auf „Konfrontationskurs zur Rüstungsindustrie“ (Süddeutsche Zeitung). Die Verteidigungsministerin wolle „mit aller Härte den Rüstungssektor neu ordnen“ (Die Welt) und „bei der Rüstungsbeschaffung aufräumen“ (Wirtschaftswoche).[2]

Es folgte der erste Bericht zu Rüstungsangelegenheiten aus dem Jahr 2015, dessen Aufgabe es war, die Defizite im Beschaffungswesen offenzulegen. Darin hieß es, die untersuchten Rüstungsgroßprojekte wiesen eine durchschnittliche Verspätung von 51 Monaten auf und lägen insgesamt €12,9 Mrd. über dem ursprünglich geplanten Preis. Trotz aller Beteuerungen mehrerer folgender VerteidigungsministerInnen kam es in den Folgejahren aber offenbar zu keinen „Verbesserungen“ (sofern eine effizientere Beschaffung von Waffen als solche bezeichnet werden kann). Im nunmehr 14. Bericht zu Rüstungsangelegenheiten vom Dezember 2021 ist nachzulesen: „Aktuell beträgt die Verzögerung im Mittel 52 Monate gegenüber der ersten parlamentarischen Befassung und neun Monate gegenüber den aktuellen Verträgen. Die Veranschlagung der betrachteten Projekte im Haushalt 2021/54 […] liegt rund 13,8 Mrd. Euro über der Veranschlagung zu Projektbeginn.“[3]

Es ist also nicht gelungen – oder es war eh nie gewollt –, die Rüstungsindustrie stärker an die Kandare zu nehmen. Was aber gelang war, im Zuge der Agenda Rüstung aus dem chronisch ineffizienten (und korrupten) Beschaffungswesen ein Argument zu zimmern, dass die Bundeswehr noch mehr Geld benötige.

Chronisch unterfinanziert?

Die eigentliche Botschaft der Agenda Rüstung war angekommen und in der Presse setzte unmittelbar ein, was man als »Schrotthaufen-Debatte« bezeichnen könnte – einige Presseschnipsel unmittelbar nach Veröffentlichung des Gutachtens über die Rüstungsindustrie im Oktober 2014: „So Schrott ist die Bundeswehr“ (Bild), die Truppe sei nichts anderes als „stahlgewordener Pazifismus“ (Die Zeit) und das ganze Problem existiere vor allem, da die Bundeswehr seit Jahren „chronisch unterfinanziert“ sei (Deutschlandfunk).[4] Damit war ein gewisser Nährboden geschaffen, um die Akzeptanz für eine Erhöhung der Rüstungsausgaben in der damals demgegenüber mehrheitlich eher kritisch eingestellten Bevölkerung zu vergrößern.

Dabei war es ja nicht so, als hätte die Bundeswehr vor Beginn der Agenda Rüstung allzu sehr darben müssen: Der Militärhaushalt stieg nämlich von (umgerechnet) rund €24 Mrd. im Jahr 2000 bereits deutlich auf etwa €32,5 Mrd. im Jahr 2014. Er lag damit auch drastisch über dem eigentlich verbindlich vereinbarten Sparziel vom Juni 2010. Damals war festgelegt worden, alle Ressorts müssten bis 2014 insgesamt €81,6 Mrd. einsparen und die Bundeswehr solle dazu €8,3 Mrd. beitragen. Gemäß dem daran angelehnten Bundeswehrplan sollte der Rüstungshaushalt bis 2014 also auf €27,6 Mrd. Euro reduziert werden – ein Beschluss, der augenscheinlich rasch wieder einkassiert worden war. Allerdings zog seither das Ausmaß der Etatsteigerungen noch einmal deutlich an. Über €34,3 Mrd. (2016) und €38,5 Mrd. (2018) erreichte das Budget schließlich €46,9 Mrd. (2021).

Für dieses Jahr waren ursprünglich 50,3 Mrd. (2022) geplant, auch ohne die jüngste Finanzspritze ist es also absurd, wenn sich Heeresinspekteur Alfons Mais hinstellte und argumentierte, die Truppe stehe wegen Geldmangels „blank“ da. Die Bundeswehr ist eindeutig kein Fall für den Geldhahn, sondern für den Rechnungshof. Auch der Friedensforscher Herbert Wulf schrieb unlängst: „Aber, so heißt es, die Bundeswehr ist unterfinanziert. […] Es sei daran erinnert, dass die Ausgaben für Verteidigung (nach NATO-Kriterien) in Deutschland seit 2014 von knapp 34 Milliarden Euro auf über 53 Milliarden im Jahr 2021 erhöht wurden. Es ist ein Mythos, dass die Bundeswehr schlecht ausgerüstet ist, weil sie zu wenig Geld bekommt. Mangelnde Finanzen sind nicht das eigentliche Problem, sondern verkrustete Strukturen bei der Beschaffung, strukturelle Defizite bei Entwicklung, Produktion und Beschaffung und erhebliche zeitliche Verzögerungen bei der Auslieferung der bestellten Waffen.“[5]

Wunsch und Wirklichkeit vor Kriegsbeginn

Noch unter Kanzlerin Angela Merkel gab die damalige Bundesregierung die ambitionierte Zusage, bis 2023 eine voll ausgestattete schwere Brigade (ca. 5.000 SoldatInnen), bis 2027 eine Division (15.000-20.000 SoldatInnen) und bis 2032 drei Divisionen in die NATO einzuspeisen. Die Ampel übernahm diese äußerst kostspielige Zusage in ihrem Koalitionsvertrag: „Die NATO-Fähigkeitsziele wollen wir in enger Abstimmung mit unseren Partnern erfüllen und entsprechend investieren.“

Noch Anfang Februar 2022 klaffte aber zwischen dem, was das Finanzministerium im Finanzplan bis 2026 für die Bundeswehr vorgesehen hatte und dem, was das Verteidigungsministerium zu benötigen meinte, um die NATO-Fähigkeitsziele umsetzen zu können, eine gewaltige Lücke – eine rund 38 Mrd. Euro große Lücke, um genau zu sein. Denn vor allem bei den Planungen für die Haushalte nach 2022 gingen die Vorstellungen von Finanz- und Verteidigungsministerium ganz erheblich auseinander, wie die Oldenburger Zeitung am 12. Februar 2022 berichtete: „Danach benötigt die Bundeswehr im Jahr 2023 statt der vom Finanzministerium bislang in der mittelfristigen Planung vorgesehenen 47,3 Milliarden Euro 53,7 Milliarden Euro. Dieses Delta wächst jährlich: 2024 werden statt 47,1 Milliarden Euro 55,4 gebraucht, 2025 57,2 statt 46,7 Milliarden. Und 2026 beträgt der Bedarf statt 46,7 stolze 59,1 Milliarden Euro. Der Fehlbetrag summiert sich insgesamt auf 37,6 Milliarden Euro. […] In einer ersten Reaktion hatte das Finanzministerium die Forderungen zurückgewiesen.“

Zu diesem Zeitpunkt stand die Bundeswehr also noch unter erheblichem Druck – schließlich ermahnte der Staatssekretär im Finanzressort, Werner Gatzer, das Verteidigungsministerium Anfang Februar 2022, es sei deutlich zu großzügig mit den sogenannten Verpflichtungsermächtigungen umgegangen worden. Was das hieß, erläuterte der Blog Augengeradeaus (4.2.2022): „Mit den so genannten Verpflichtungsermächtigungen kann das Verteidigungsministerium Verträge für Rüstungsgüter abschließen, deren Kosten erst in den nächsten Jahren fällig werden. […] Die Forderung nach realistischer Planung enthält den dezenten Hinweis, dass das Wehrressort in den vergangenen Jahren, laienhaft gesprochen, ungedeckte Schecks auf die Zukunft erhalten hat.“

Damit diese ungedeckten Schecks nicht platzen, war absehbar, dass der Druck auf eine weitere Erhöhung des Rüstungshaushaltes zunehmen würde. Gegenüber der Rheinischen Post (5.3.2022) räumte Finanzminister Christian Lindner ein, es sei bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine geplant gewesen, die ursprünglich vorgesehenen Kürzungen des Rüstungshaushaltes wieder einzukassieren. Doch was dann angekündigt wurde, überstieg – je nach Sichtweise – alle Erwartungen bzw. Befürchtungen.

Scholz öffnet die Geldschleuse

In seiner wohl nur mit einem kleinen Kreis abgestimmten Regierungserklärung vom 27. Februar 2022 räumte Olaf Scholz per Kanzlererklärung im Handstreich eine ganze Reihe bislang durchaus noch strittiger Themen ab – so zum Beispiel die personelle Aufstockung der Bundeswehr, die Drohnenbewaffnung und die Tornado-Nachfolge.

Zu Recht erhielten die Ankündigungen von Scholz mit Blick auf den künftigen Verteidigungsetat aber die meiste Aufmerksamkeit: „Bessere Ausrüstung, modernes Einsatzgerät, mehr Personal – das kostet viel Geld. Wir werden dafür ein Sondervermögen ‚Bundeswehr‘ einrichten“, kündigte Scholz in seiner Regierungserklärung an. „Der Bundeshaushalt 2022 wird dieses Sondervermögen einmalig mit 100 Milliarden Euro ausstatten. Die Mittel werden wir für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben nutzen.“

Die Dimension dieses Sondervermögens wird beispielsweise in der Europäischen Sicherheit und Technik erläutert: „Mit den beabsichtigten 100 Milliarden Euro verdoppelt der Bund seine Sondervermögen, zu denen unter anderem der Energie- und Klimafonds und die Rücklagen für die Flüchtlingshilfe gehören.“[6] Dieses Geld wird in diesem Jahr über eine Kreditaufnahme bereitgestellt und dann über die kommenden Jahre verteilt, was es ermöglichen soll, ab 2023 wieder die Schuldenbremse einzuhalten. Um das ansonsten rechtlich auf wackligen Beinen stehende Sondervermögen zusätzlich gegen etwaige Klagen abzusichern, soll es im Grundgesetz verankert werden. Dies soll über einen Absatz 1a in Artikel 87a des Grundgesetzes geschehen, der im Gesetzesentwurf laut FAZ (15.3.2022) folgendermaßen heißen soll: „Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten. Auf die Kreditermächtigung sind Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 115 Absatz 2 [Schuldenbremse] nicht anzuwenden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“

Gleichzeitig machte Scholz in seiner Regierungserklärung mit Blick auf die Bundeswehr noch eine zweite wichtige Ankündigung: „Wir werden von nun an – Jahr für Jahr – mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.“ Laut Statista belief sich das deutsche Bruttosozialprodukt im Jahr 2021 auf 3.570 Mrd. Euro, wäre für ihn bereits die Scholzsche Formel angewandt worden, hätte sich der Militärhaushalt statt der tatsächlich eingestellten 46,9 Mrd. Euro auf mindestens 71,4 Mrd. Euro belaufen müssen.

Unklar war lange, ob das Sondervermögen zu diesem Betrag „on top“ hinzukommen würde, wie es sich unter anderem die Verteidigungsministerin gewünscht hätte.[7] Wenigstens dies scheint aber nicht der Fall zu sein: Gemäß der am 16. März vom Kabinett beschlossenen Eckwerte des Bundeshaushaltes bleibt es für dieses Jahr bei den geplanten €50,3 Mrd., bis 2026 soll der reguläre Verteidigungshaushalt bei €50,1 Mrd. jährlich eingefroren werden. Die sich hier ergebende Lücke zu 2 Prozent des BIP soll über das Sondervermögen gefüllt werden. Einiges ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unklar, etwa ob für das 2%-Ziel der offizielle Haushalt oder die der NATO übermittelten Zahlen herangezogen werden sollen. Die liegen deutlich höher, weil darin einige – wenn auch nicht alle – versteckte Kosten mit enthalten sind (2021: €46,9 Mrd. (offiziell) vs. €53,1 Mrd. (NATO-Kriterien)).

Auch die Frage, ob das Sondervermögen bereits ab 2022 oder erst später auf die Jahre verteilt wird, ist noch unbeantwortet. Geht man von einem Beginn in diesem Jahr aus, legen Berechnungen aus dem Haus der DGAP allerdings nahe, dass das Sondervermögen schon 2025 ganz oder weitgehend aufgebraucht sein dürfte. Ein Militärhaushalt von 2 Prozent des BIP müsste im Jahr 2026 laut Schätzungen der DGAP rund €85 Mrd. umfassen, er müsste also gegenüber den jetzigen Eckwerte-Planungen um eine Größenordnung von rund €35 Mrd. angehoben werden.[8] Der offensichtliche Versuch, dieses Problem der nächsten Bundesregierung vor die Füße zu legen, könnte allerdings an der CDU scheitern, die ihre erforderliche Zustimmung zur Sondervermögen-Grundgesetzänderung davon abhängig macht, dass es eine dauerhafte Garantie für einen Verteidigungshaushalt oberhalb der 2%-BIP-Linie gibt.

Cui bono?

Nach gegenwärtigem Stand dürften die Beträge aus dem Sondervermögen fast ausschließlich in Rüstungsinvestitionen fließen. Das bedeutet, dass sich die Gelder für den Posten „Militärische Beschaffungen“ von €8,7 Mrd. (2021) wohl mehr als verdreifachen werden. Auch wenn Verteidigungsministerin Christine Lambrecht noch so bemüht betont, man werde dieses Geld verantwortungsvoll und sorgfältig investieren, glaubt tatsächlich kein Mensch, dass die Bundeswehr in der Lage sein wird, derartige Summen in solch einem Tempo „sinnvoll“ absorbieren zu können.

Wer den Hals allerdings nie voll genug bekommen kann, liegt auf der Hand – die Rüstungsindustrie. Die Aktienkurse schießen entgegen dem restlichen Trend durch die Decke und der durchaus rüstungsnahe Informationsdienst griephan-Briefe (11. März 2022) berichtet über „Goldgräberstimmung“ in der Branche: „Die Zahl der Angebotslisten für die Bundeswehr ist Legion; es gilt, die Lager zu leeren. In einigen Fällen hat man den Eindruck, die Streitkräfte würden gar nicht zu Rate gezogen, ob sie das angebotene Wehrmaterial überhaupt benötigen. Wer bündelt die Firmenangebote und Forderungen der ‚Dimensionen‘ (vormals Teilstreitkräfte)? Wir sehen noch keine (politisch) ordnende Hand.“

Vor allem die deutschen Panzerbauer wittern ein riesiges Geschäft und waren schnell dabei, ihre Angebotslisten zu präsentieren. Schon Ende Februar war im Handelsblatt (28.2.2022) zu lesen: „Der Rheinmetall-Konzern hat der Bundesregierung am Montag eine umfassende Lieferung von Rüstungsgütern angeboten. Das Paket umfasse unter anderem Munition, Hubschrauber sowie Ketten- und Radpanzer, sagte Vorstandschef Armin Papperger dem Handelsblatt. Das gesamte Volumen summiert sich seinen Angaben zufolge auf 42 Milliarden Euro.“ Das wollten die panzerbauenden KollegInnen von KMW wohl nicht auf sich sitzen lassen und reichten ihrerseits Angebote beim Verteidigungsministerium ein: „Wir haben auf Anfrage des Verteidigungsministeriums eine Liste mit möglichen Projekten im Volumen von bis zu 20 Milliarden Euro eingereicht. Unser Vorschlag umfasst den Puma, die Aufrüstung des Leopard II, das Artillerie-System RCH 155 sowie ein System im Kampf gegen Schützenradfahrzeuge auf Basis des Boxer mit dem Turm aus dem bestehenden Puma-Angebot.“ (Merkur, 13.3.2022).

Insgesamt sollen Berichten zufolge €68 Mrd. aus dem Sondervermögen in nationale und €34 Mrd. Großprojekte in multinationale Rüstungsprojekte fließen. Dabei werden die Kosten für die wohl fünfzig neuen F-35 und Eurofighter für Nukleare Teilhabe und elektronische Kampfführung auf rund €15 Mrd. geschätzt. Weitere €5 Mrd. könnten für neue schwere Transporthubschrauber anfallen. Als sicher gilt die massenweise Beschaffung von Munition in einer Größenordnung von wohl rund €20 Mrd. Weiter wären da noch €3 Mrd. für die Digitalisierung der Kommunikationssysteme, zwei Milliarden für möglicherweise neue Korvetten und €600 Millionen kostet die Modernisierung des Patriot-Luftabwehrsystems. Multinationale Beschaffungen könnten ein neues Artilleriesystem (mit Großbritannien), eine neue Fregatte und Luftlandeplattformen (Niederlanden), neue U-Boote (Norwegen) und natürlich das Luftkampfsystem FCAS (Frankreich/Spanien) sein (Capital, 2.3.2022).

Wieviel ist genug?

Nicht nur Deutschland, auch die NATO als Ganzes hat ihre Militärausgaben in den letzten Jahren bereits deutlich erhöht: Sie stiegen nach NATO-Angaben von $895 Mrd. (2015) auf $1174 Mrd. (2021) an. Demgegenüber sanken die russischen Ausgaben laut SIPRI von $85 Mrd. (2015) auf $61,7 Mrd. Dollar (2020).[9]

Die NATO-Militärausgaben sind also heute bereits rund 18mal höher als die Russlands. Augenscheinlich haben die militärischen Ausgabensteigerungen bislang in keiner Weise zu mehr Sicherheit geführt, wie derzeit leider offensichtlich wird. Im Gegenteil, diese Ausgaben und die mit ihr zusammenhänge Politik sind ein Teil des Problems und nicht der Lösung.

Anmerkungen


[1] KPMG, P3 Group, Taylor Wessing: Exzerpt – Umfassende Bestandsaufnahme und Risikoanalyse zentraler Rüstungsprojekte; Stand 30. September 2014. S.51.

[2] Zit. bei: Wagner, Jürgen: Agenda Rüstung, in: W&F 2015-4.

[3] Die Rüstungsberichte finden sich unter: https://www.bmvg.de/de/themen/ruestung/ruestungsmanagement/ruestungsbericht

[4] Zit. bei Wagner 2015.

[5] Wulf, Herbert: Panikpolitik, Internationale Politik und Gesellschaft, 15.3.2022.

[6] Heiming, Gerhard:  100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, ESUT, 27.2.2022.

[7] „Noch höhere Forderungen von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) erteilte Lindner allerdings eine Absage. Nach Handelsblatt-Informationen hatte sie sogar Verteidigungsausgaben von rund 75 Milliarden Euro pro Jahr aus dem regulären Haushalt gefordert, plus das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro.“ (Handelsblatt, 14.3.2022)

[8] Mölling, Christian/Schütz, Torben: Deutschlands Zeitenwende in Verteidigungsausgaben, DGAP, 3.3.2022.

[9] Für die russischen Ausgaben 2021 liegen bislang nur die Zahlen der Military Balance vor, die sie auf 62,2 Mrd. Dollar beziffert.

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