Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Analyse 2021/44 (Update: 26.11.2021)

SPD offen für Drohnenbewaffnung

Einigung im Ampel-Koalitionsvertrag

Marius Pletsch (27.10.2021)

Die SPD war lange auf der Suche nach einer Position zur Bewaffnung von Drohnen. Im Dezember 2020 wurde mit dem Verweis auf eine nicht ausreichende Diskussion über das Thema eine Abstimmung über die Bewaffnung der geleasten Heron TP Drohnen verhindert.

Um einer Klärung der SPD-Position näherzukommen, wurde am 15. März 2021 eine Projektgruppe vom Parteivorstand eingesetzt, die das Für und Wider bewaffneter Drohnen diskutieren und am Ende eine Empfehlung abgeben sollte. Unter dem Vorsitz der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin wurde seitdem in insgesamt fünf Sitzungen und einer öffentlichen Anhörung diskutiert.

Passend zu den beginnenden Koalitionsgesprächen mit den Grünen und der FDP, hat die Projektgruppe am 12. Oktober 2021 einen Abschlussbericht vorgelegt, in dem sich generell für die Bewaffnung von Drohnen geöffnet wird. In dem längeren SPD-Papier werden drei Hauptargumente von Kritiker*innen einer Drohnenbewaffnung aufgegriffen: dass es effektivere Waffensysteme zum Schutz der Soldat*innen gebe und denen durch die Ausgaben für Drohnen die Mittel entzogen würden, dass Drohnen die Zivilbevölkerung „entfremden“[1] – eine sehr zahme Formulierung, wenn man Schilderungen von Betroffenen liest – und so die Akzeptanz von „stabilisierenden Einsätzen unterminieren“[2] könnten; und letztlich, dass Drohnen eine Gefahr hin zur Weiterentwicklung zu „vollautomatisierten Waffensystemen“[3] bergen könnten. Letztlich überwiege aber das Schutzargument und die „vertrauensvolle Zusammenarbeit in Bündnissen“[4]. Da die Arbeitsgruppe anscheinend kein weiteres Pro-Argument erdenken konnte, aber trotzdem ein „Gleichgewicht“ mit den drei Contra-Punkten zaubern wollte, steht im Abschlussbericht stattdessen: „Die grundsätzlichen Einwände der Kritikerinnen und Kritiker sind gewichtig und sollten bei der weiteren Begleitung des Einsatzes bewaffneter Drohnen mitbedacht werden“.[5] Der Empfehlung für die Öffnung der Drohnenbewaffnung konnten sich von 13 Mitgliedern der Projektgruppe nur zwei nicht anschließen.[6]

Die FDP dringt schon lange auf die Drohnenbewaffnung. Und auch die Grünen haben sich erst an ihrem Programmparteitag für die Bundestagswahlen vom 11. bis 13. Juni 2021 mit folgendem Passus der Drohnenbewaffnung offen gegenüber gezeigt: „Bewaffnete Drohnen wurden und werden vielfach auch von unseren Bündnispartnern für extralegale Tötungen und andere völkerrechtswidrige Taten eingesetzt. Ein solcher Einsatz ist für uns GRÜNE undenkbar und mit dem deutschen Verfassungs- und Wehrrecht nicht vereinbar. Gleichzeitig erkennen wir an, dass diese Systeme Soldat*innen in gewissen Situationen besser schützen können. Deshalb muss klargemacht werden, für welche Einsatzszenarien der Bundeswehr die bewaffneten Drohnen überhaupt eingesetzt werden sollen, bevor über ihre Beschaffung entschieden werden kann. Auch technische Herausforderungen wie mögliche Hackability müssen in der Gesamtabwägung eine wichtige Rolle spielen“.[7]

Insofern war es leider auch keine Überraschung, dass damit der Weg für die folgende Passage des Ende  November 2021 veröffentlichten Koalitionsvertrages der Ampel-Regierung bereitet war: „Bewaffnete Drohnen können zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz beitragen. Unter verbindlichen und transparenten Auflagen und unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten werden wir daher die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr in dieser Legislaturperiode ermöglichen.“[8]

Die (Weiter-)Entwicklung der SPD-Kriterien

Das Bundesverteidigungsministerium kommt in dem Bericht der SPD-Arbeitsgruppe nicht gut weg: Durch „die jahrelange Blockade“[9] des BMVg sei ein transparenter und ausführlicher Debattenprozess „versäumt worden“[10], trotz zweier Koalitionsverträge und eines Maßgabe-Beschlusses des Bundestages. Auch der Zeitpunkt und die schnelle Beendigung der durch das BMVg durchgeführten Drohnendebatte bekommt sein Fett weg.[11]

In dem Papier wird folgende Empfehlung ausgesprochen:

„Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen kommt die Projektgruppe zu der Empfehlung, dass eine Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten bei mit dem Völkerrecht und den Bündnisverpflichtungen Deutschlands in Einklang stehenden Auslandseinsätzen und unter klarer Berücksichtigung unserer Grundsätze und der Einhaltung der nachfolgenden Bedingungen in Erwägung gezogen werden kann“.[12]

Folgende „harte und verbindliche Kriterien“[13] werden durch die Projektgruppe nochmal wiederholt, teils auch leicht verändert und konkretisiert. Die Punkte sind so auch bereits in dem Liebe-Freunde-Brief vom 2. Juli 2020 zu finden, den die zu dem Zeitpunkt stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gabriela Heinrich, der Verteidigungspolitische Sprecher Fritz Felgentreu und der Abrüstungspolitische Sprecher Karl-Heinz Brunner zusammen verfasst hatten. Im Folgenden wird nur auf die Abweichungen aufmerksam gemacht:

Die von den Einsätzen betroffene Zivilbevölkerung war beim Liebe-Freunde-Brief komplett ausgeblendet worden, nun wird ihr immerhin ein nachgeschobener Satz, wohlgemerkt kein eigener Punkt, zugestanden: „Zu diesem Forderungskatalog gehört auch die Folgen eines Einsatzes von Drohnen auf die betroffene Zivilbevölkerung zu berücksichtigen, einschließlich etwaiger Betreuung und Fürsorge“.[27] Jedoch ist diese Formulierung doch sehr schwach und unkonkret.

Weitere (blumige) Forderungen

Also viel Neues gibt es bei den nur leicht veränderten Empfehlungen bzw. Bedingungen nicht. Da sind die weitergehenden Empfehlungen des Papiers der SPD-Arbeitsgruppe fast schon interessanter, aber größtenteils dafür auch noch unkonkreter. Eine weitere Beobachtung ist, dass die Projektgruppe in vier von sechs Punkten die SPD auffordert etwas zu unternehmen und in zwei Fällen im Namen der Partei spricht:

FAZIT

Nach seiner Fertigstellung sollen die beiden damaligen Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sowie der seinerzeitige Generalsekretär Lars Klingbeil den Abschlussbericht laut einem Bericht der Tageschau „zustimmend zur Kenntnis genommen“ haben.[37] Zwar wurde gesagt, der Bericht solle als „Grundlage für die weitere Diskussion in der Partei“ dienen. Ob dies aber überhaupt noch geschehen wird, nachdem sich dem Vernehmen nach die Ampel-Verhandler*innen einschließlich SPD bereits auf die Bewaffnung von Drohnen geeinigt haben sollen, darf bezweifelt werden. Die klaren Signale jedenfalls, die von dem SPD-Abschlussbericht ausgesendet wurden, scheinen angekommen zu sein, wodurch der Weg in Richtung einer Entscheidung für eine Bewaffnung von Drohnen in dieser Legislaturperiode leider vorgezeichnet wurde.

Anmerkungen

[1] Abschlussbericht der SPD-Projektgruppe zur Frage der Bewaffnung von Drohnen, 12.10.2021, S. 4. Online unter: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Sonstiges/20211012_Bericht_PG_Drohnen.pdf.

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Ebd, S. 5.

[6] Vgl. Ebd.

[7] Bündnis 90/Die Grünen (2021): Deutschland. Alles ist drin. Bundestagswahlprogramm 2021, S. 253.

[8] Mehr Fortschritt wagen, Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UND FDP.

[9] Abschlussbericht der SPD-Projektgruppe zur Frage der Bewaffnung von Drohnen, 12.10.2021, S. 1.

[10] Ebd.

[11] Vgl. Ebd.

[12] Ebd., S.5.

[13] Ebd.

[14] Ebd.

[15] Heinrich, Gabriela/Felgentreu, Fritz/Brunner, Karl-Heinz (2.7.2020): Liebe-Freunde-Brief zum Thema „Bewaffnung von Drohnen“, S. 2. Online unter: https://www.dbwv.de/fileadmin/user_upload/Mediabilder/DBwV_Info_Portal/Blickpunkt/2020/07_Juli/Brief_SPD_Drohnen.pdf.

[16] Abschlussbericht der SPD-Projektgruppe zur Frage der Bewaffnung von Drohnen, 12.10.2021, S. 5.

[17] Ebd.

[18] Heinrich, Gabriela/Felgentreu, Fritz/Brunner, Karl-Heinz (2.7.2020): Liebe-Freunde-Brief zum Thema „Bewaffnung von Drohnen“, S. 2.

[19] Abschlussbericht der SPD-Projektgruppe zur Frage der Bewaffnung von Drohnen, 12.10.2021, S. 5.

[20] Ebd.

[21] Ebd., S. 6.

[22] Heinrich, Gabriela/Felgentreu, Fritz/Brunner, Karl-Heinz (2.7.2020): Liebe-Freunde-Brief zum Thema „Bewaffnung von Drohnen“, S. 2.

[23] Abschlussbericht der SPD-Projektgruppe zur Frage der Bewaffnung von Drohnen, 12.10.2021, S. 6.

[24] Vgl. Ebd.

[25] Heinrich, Gabriela/Felgentreu, Fritz/Brunner, Karl-Heinz (2.7.2020): Liebe-Freunde-Brief zum Thema „Bewaffnung von Drohnen“, S. 2.

[26] Abschlussbericht der SPD-Projektgruppe zur Frage der Bewaffnung von Drohnen, 12.10.2021, S. 6.

[27] Ebd.

[28] Ebd., S. 7.

[29] Ebd.

[30] Ebd.

[31] Vgl. Appell für mehr Rüstungskontrolle 26.10.2021. Online unter: https://dfg-vk.de/appell-fuer-mehr-ruestungskontrolle/.

[32] Ergebnis der Sondierungen zwischen SPD; BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP (15.10.2021), S. 12. Online unter: https://www.tagesschau.de/sondierungen-153.pdf.

[33] Brugger, Agnieszka (16.10.2021): Tweet online unter: https://twitter.com/dfgvk_bv/status/1449285559692763137.

[34] Abschlussbericht der SPD-Projektgruppe zur Frage der Bewaffnung von Drohnen, 12.10.2021, S. 7.

[35] Vgl. Ebd.

[36] Vgl., S. 8.

[37] Küstner, Kai: Der Drohnen-Widerstand der SPD schwindet. In: Tagesschau.de, 26.10.2021.

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