Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2021/037; in: junge Welt, 19.6.2021

„Das KSK muss aufgelöst werden“

Neonazis in der Bundeswehr

Luca Heyer (23.06.2021)

Das Kommando Spezialkräfte darf trotz der Skandale um Faschisten und Munitionsraub bestehenbleiben. Ein Gespräch mit Luca Heyer; von Kristian Stemmler

Das skandalgeschüttelte Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr, kurz KSK, darf weitermachen. Generalinspekteur Eberhard Zorn stellt der Truppe in einem Bericht quasi einen Persilschein aus. Wie bewerten Sie das?
Als langjähriger Kritiker hätte ich mir eine ersatzlose Auflösung des KSK gewünscht. Der Abschlussbericht beschönigt die Situation dort auf unerträgliche Weise. Es wird zwar zugestanden, dass es über Jahre unhaltbare Zustände, etwa im Bereich Neonazismus und Munitionsdiebstahl, gab, aber es wird so getan, als sei jetzt alles wieder gut. Das liegt daran, dass die Regierung auf keinen Fall auf das KSK verzichten will: Es steht wie keine andere Einheit für die Ausrichtung der Bundeswehr auf Kriegseinsätze in aller Welt. Als Antimilitarist bin ich natürlich für die Beendigung aller Auslandseinsätze. Dann bräuchte man auch ein solches Kommando nicht mehr.

Ziemlich wolkig schreibt Zorn von »regelungsfreien Räumen«, die Struktur der Einheit sei nicht auf die hohe Einsatzlast ausgelegt gewesen. Auch von einer »unheilvollen Fehlkultur« ist die Rede.
Was Zorn da beschreibt, ist die Tatsache, dass sich das KSK von Anfang an als eine Elite verstanden hat, für die die Regeln nicht gelten, die sonst in der Bundeswehr gelten. Das betrifft im Grunde die gesamte Mentalität der Einheit. Besonders sichtbar wurde das im Bereich Munition. Der Verbleib von 13.000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff konnte nicht aufgeklärt werden. Ich gehe davon aus, dass ein Großteil davon heute in der Hand militanter Neonazis ist. Auch der Bericht kommt zum Ergebnis, dass Grund für den Verlust der Munition ist, dass jahrelang Dienstvorschriften missachtet wurden, und zwar bis rauf in die Führungsebene.

Die geforderte Reform des KSK sieht Zorn zu 90 Prozent als erledigt. Können Sie das glauben?
Das stimmt so schon, das Problem ist, dass die »Reförmchen« an sich zu kurz greifen.

Neuerungen sind etwa zusätzliche Dienstposten, neu verteilte Zuständigkeiten, strengere Auswahlverfahren und eine verstärkte psychologische Betreuung der Soldaten. Reicht das?
Nein, das reicht natürlich nicht. Die Reformen gehen die Ursachen nicht an, die letztlich zu den nicht abreißenden Skandalen mit Neonazis und Munitionsdiebstahl geführt haben. Unter anderem das Eliteverständnis beim KSK und die besondere Kampforientierung führen dazu, dass die Einheit auch für Neonazis attraktiv war und ist. Diese haben das Kommando und seine Mentalität über Jahre hinweg geprägt. Wir reden hier zum Teil auch von Nazis, die Führungspositionen wie den Kommandeursposten oder den Bereich Ausbildung übernommen haben. Eine solche Prägung lässt sich nicht durch diese Reformen ausgleichen. Nur die Auflösung der Einheit kann das Problem lösen. Bei den Spezialeinheiten der Polizei in Hessen oder Sachsen waren die jeweiligen Innenminister dazu nach dem Auffliegen rechter Chatgruppen ja bereit – das zeigt, dass es möglich ist, wenn der politische Wille da ist.

Welcher der vielen Skandale beim KSK wiegt aus Ihrer Sicht am schwersten?
Da gibt es ja einige: die Munitionsrückgabeamnestie, die Vergabepraxis, Tätigkeiten von Ex-KSK-Soldaten für dubiose Sicherheitsfirmen oder die vielen rechten Skandale seit der Gründung. Am schwersten wiegt für mich aber, dass sich rechte Netzwerke um das KSK bilden konnten, die Anschlagspläne verfolgen, die Todeslisten und Waffendepots anlegen. Die Waffen stammen zum Teil auch von den Spezialkräften selbst. Außerdem wurde auch am Aufbau paramilitärischer Einheiten gearbeitet. Der Ex-KSK-Soldat André Schmitt (alias »Hannibal«, Chef des rechten »Uniter«-Vereins; jW) gab Gleichgesinnten Spezialwissen aus seiner Zeit bei der Einheit weiter. Dass da so lange weggeschaut wurde – zum Teil bis heute –, ist für mich der eigentliche Skandal.

Im September soll der durch die »Munitionsaffäre« belastete Kommandeur Markus Kreitmayr von Brigadegeneral Ansgar Meyer abgelöst werden, der noch ein Truppenkontingent in Nordafghanistan kommandiert. Wird jetzt alles gut beim KSK?
Nein. Die genannten strukturellen Gründe führen leider dazu, dass wir spätestens in ein paar Jahren wieder ähnliche Skandale haben werden. Das KSK muss aufgelöst werden.

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