Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Analyse 2020/40

Offen wie ein Scheunentor

Europäisches Parlament verabschiedet sich mit Rüstungsexportbericht Richtung Rüstungsindustrie

Özlem Alev Demirel und Jürgen Wagner (23.09.2020)

In Sachen Rüstungsexporte ist Europa (fast) Spitze: In der aktuellen Rangliste des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPR) behaupten die EU-Staaten mit 26 Prozent Platz zwei auf der Rangliste der größten Waffenlieferanten. Die oft gerühmten „restriktiven“ europäischen Rüstungsexportrichtlinien existieren augenscheinlich nur auf dem Papier, in der Praxis sind sie löchrig wie ein Fischernetz. Durch länderübergreifende Rüstungsgroßprojekte sollen die Exportrichtlinien weiter ausgehöhlt werden. Aus diesem Grund ist es umso ärgerlicher, dass das Europäische Parlament in seinem vorige Woche mehrheitlich verabschiedeten „Bericht über Waffenexporte“ deutlich rüstungsfreundlichere Töne als in den Vorgängern anschlägt. Damit stellt das Parlament auch im letzten Bereich, in dem es zuvor noch halbwegs brauchbare Positionen bezogen hatte, die Weichen in Richtung Rüstung.

Traurige Bilanz

Jährlich sind die EU-Staaten dazu verpflichtet, ihre Daten zu Rüstungsexportlizenzen und tatsächlichen Ausfuhren – in der Praxis häufig mehr schlecht als recht – an die EU zu übermitteln. Auf diesen Zahlen basiert auch die Datenbank des „European Network Against Arms Trade“ (ENAAT), aus denen sich für die Jahre 1999 bis 2008 Rüstungsexporte im Wert von durchschnittlich 7 Mrd. Euro errechnen lassen. Dieser Betrag verdoppelte sich von 2009 bis 2018 nahezu auf 13,9 Mrd. Euro pro Jahr (neuere Zahlen liegen bis heute noch nicht vor).

Jeder Waffenexport ist problematisch, aber sicher gibt es Länder, wo sie noch mehr Unheil als ohnehin schon anrichten. Als Beispiele hierfür können die wichtigsten Länder der Jemen-Kriegskoalition sowie die Türkei genannt werden. Allein 2018 gingen nach Saudi-Arabien gemäß der an die EU übermittelten Daten EU-Exporte im Umfang von 1,94 Milliarden Euro, nach Ägypten für 1,36 Milliarden Euro, in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) für 393 Millionen Euro und in die Türkei im Umfang von 663 Millionen Euro. In den vergangenen zwanzig Jahren wurden nach Saudi Arabien EU-Rüstungsgüter im Wert von 17,9 Milliarden Euro geliefert, an die VAE gingen 11,1 Milliarden Euro und an Ägypten 7,4 Milliarden Euro, während es bei der Türkei 4,8 Milliarden Euro waren. Durch das lausige Berichtswesen dürften die realen Zahlen aber deutlich höher liegen (siehe unten).

All diese Exporte verstoßen gegen die EU-Exportrichtlinien, ein Wahnsinn, der wie das Beispiel Deutschland zeigt, Methode hat: „Nach Ermittlungen des BICC hat die Bundesregierung im Jahr 2018 3.742 Lizenzen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in 61 Staaten erteilt, die mindestens hinsichtlich eines der acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes der EU als problematisch eingestuft werden können.“[1]

Löchriger Standpunkt

Der Kern der europäischen Rüstungsexportrichtlinien besteht aus acht Kriterien, die mit dem „Gemeinsamen Standpunkte betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“ vom Dezember 2008 rechtlich bindend wurden. Er besagt, dass eine Rüstungsexportlizenz bei Verletzung der Kriterien 1-4 entweder grundsätzlich abgelehnt und eine Verweigerung bei Verstoß gegen die Kriterien 5-8 zumindest ernsthaft erwogen werden sollte. Demnach müssen Empfängerländer u.a. die Menschenrechte sowie das humanitäre Völkerrecht respektieren (Kriterium 2) und es dürfen keine Exporte in Krisengebiete erfolgen (Kriterium 4). Ferner sollte etwa auch die Entwicklungsverträglichkeit gewährleistet sein, indem in kein Land exportiert werden soll, das sich diese Ausgaben aufgrund seiner Finanzlage eigentlich nicht leisten kann (Kriterium 8). Allerdings ist es offensichtlich, dass der Gemeinsame Standpunkt nicht greift, die Frage ist deshalb, weshalb.

Der zentrale Schwachpunkt des Gemeinsamen Standpunkts besteht darin, dass es den Nationalstaaten obliegt, die Kriterien auszulegen, wie es ihnen gerade beliebt. Es fehlt an einer unabhängigen Kontrolle, ob die Kriterien eingehalten werden – und vor allem existieren keine Sanktionsmechanismen, sollte eine Verletzung vorliegen. Ob ein Land wie etwa Saudi Arabien also die Menschenrechte verletzt (Kriterium 2), kann jedes EU-Land für sich selbst entscheiden. Das Ergebnis dieser Beinfreiheit ist ebenso fatal wie politisch erwünscht: „Obwohl auf dem Papier ein Regelwerk für Rüstungsexporte der Mitgliedsstaaten existiert (der sogenannte ‚Gemeinsame Standpunkt‘), haben in der Praxis immer wieder nationale Interessen Vorrang.“[2]

Auch bei einem weiteren wichtigen Ziel scheiterte der Gemeinsame Standpunkt, nämlich dabei, eine möglichst umfassende Rechenschaftspflicht zu etablieren. Er legte zwar fest, dass die jährlichen Berichte der Arbeitsgruppe „Ausfuhr konventioneller Waffen“ des Rates der Europäischen Union („Working Party on Conventional Arms Exports“, COARM) im Amtsblatt abgedruckt und damit öffentlich zugänglich gemacht werden müssen (zuvor mussten sie nur dem Rat übersendet werden). Doch auch hier wurden – erneut mutmaßlich gewollt – eine Reihe Schlupflöcher gelassen: Es fängt damit an, dass die Daten erst spät übermittelt und noch später veröffentlicht werden: Der aktuelle 21. COARM-Bericht für das Jahr 2018 wurde erst am 30. Dezember 2019 veröffentlicht. Darüber hinaus fehlt es auch hier an Sanktionsmöglichkeiten, die Mitgliedsstaaten zur Übermittlung vollständiger und vergleichbarer Daten zu „ermuntern“. Das führt dazu, dass für die letzten beiden Berichte lediglich 19 Staaten vollständige Angaben machten. Für den aktuellen Bericht lieferten neben Deutschland auch Belgien, Zypern, Griechenland, Lettland, Malta und Großbritannien keine Zahlen zu den tatsächlich getätigten Exporten.

Bei den erteilten Exportlizenzen liefert Deutschland nur die Werte für Einzelgenehmigungen, nicht aber für Sammellizenzen. Einen noch kreativeren Weg, die Daten über erteilte Exportlizenzen zu verfälschen, hat Frankreich gefunden, das hier seit 2014 auch die Werte sämtlicher Anbahnungsgespräche mit hineinzählt. Dies erklärt, weshalb die französischen Exportlizenzen 2013 noch 9,5 Mrd. Euro betragen haben sollen, dann aber im Folgejahr auf 73 Mrd. Euro nach oben geschnellt sind und 2015 sogar 151 Mrd. Euro erreicht haben sollen. Seriöse Aussagen über europaweit erteilte Ausfuhrlizenzen lassen sich auf dieser Grundlage faktisch nicht treffen.

Kleine Verbesserungen konnten in der jüngsten Neufassung des Gemeinsamen Standpunktes vom 16. September 2019 zwar verankert werden. Zu nennen ist vor allem der Versuch, den COARM-Bericht zeitnaher und zugänglicher als bislang zu gestalten – die Daten sollen künftig bis spätestens 30. Juni übermittelt und künftig in einer durchsuchbaren Onlinedatenbank zur Verfügung gestellt werden sollen. Abseits dessen blieben aber alle Schwachstellen erhalten, insofern ist es kein Wunder, wenn selbst Rüstungsexportbefürworter zu dem Ergebnis gelangten, die Neufassung sei „eher kosmetischer Natur“.[3]

Rüstungsfonds für Rüstungsexporte

In den Brüsseler Chefetagen ist die Vorstellung fest verankert, eine Weltmacht Europa müsse zwingend auf eine starke einheimische Rüstungsindustrie zurückgreifen können. Allein von den Aufträgen „ihrer“ jeweiligen Staaten können die Unternehmen aber nicht überleben, weshalb größere Auftragsmargen in Form europaweiter Großprojekte angestrebt werden. Und selbst dies würde nicht ausreichen, sollte der „Erfolg“ auf den Exportmärkten ausbleiben. Schon im Juli 2015 berief die damalige EU-Industriekommissarin Elżbieta Bienkowska eine 16köpfige „hochrangige Gruppe“ aus Industrievertretern und Militärpolitikern ein, in deren Abschlussbericht es hieß: „Die Steigerung der Exporte trägt wesentlich dazu bei, die kritische Masse europäischer Rüstungsunternehmen zu erhalten. […] Ohne Exporte würden viele EU-Unternehmen […] ums Überleben kämpfen.“[4]

Die Forderungen dieser Gruppe flossen in die späteren Vorschläge der Kommission ein, mit dem „Europäischen Verteidigungsfonds“ (EVF) erstmals einen offiziellen Rüstungshaushalt im EU-Budget 2021 bis 2027 zu verankern. Erklärtermaßen soll der EVF Großprojekte anschieben und so die Rüstungsindustrie wettbewerbs- und damit auch exportfähiger machen: „Der Fonds soll Kooperationsprogramme in Gang bringen, die ohne einen EU-Beitrag nicht zustande kämen. [Er] ist als ein Instrument zur Förderung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der technologischen und industriellen Basis der europäischen Verteidigung konzipiert und trägt damit zur strategischen Autonomie der EU bei.“[5]

Werden europaweite Rüstungsprojekte im Rahmen der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ entwickelt, mit der die Herausbildung eines europäischen Rüstungskomplexes forciert werden soll, erhalten sie eine höhere Finanzierung aus dem künftigen EVF. Die Höhe des Verteidigungsfonds variierte in diversen Vorschlägen von Kommission und Rat, beim bislang letzten Vorstoß einigten sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen Ende Juli 2020 darauf, 7,014 Mrd. Euro für den Europäischen Verteidigungsfonds einzustellen (in Preisen von 2018). Durch nationale Ko-Finanzierungen ergibt sich aber ein Betrag zwischen 30 und 40 Mrd. Euro, der so für europäische Rüstungsprojekte mobilisiert werden soll. Die ersten 525 Mio. Euro aus einem EVF-Vorläufer flossen bereits, allein 100 Mio. Euro davon für die Entwicklungskosten einer bewaffneten Eurodrohne. Als nächstes stehen die viele Milliarden schweren deutsch-französischen Großprojekte Kampfpanzer und Kampfflugzeug bereits in den Startlöchern.

Allerdings stehen die Rüstungskooperationsprojekte vor einem Problem, das die französische Botschafterin in Deutschland, Anne-Marie Descôtes, überaus prägnant auf den Punkt brachte: „Der europäische Markt allein reicht nicht aus, um die großen deutsch-französischen und europäischen Ausrüstungsvorhaben wirtschaftlich tragfähig zu machen, wie den neuen deutsch-französischen Kampfpanzer oder die nächste Generation von Kampfflugzeugen.“[6]

Gleichzeitig sah vor allem Frankreich (aber auch andere Länder) in den vermeintlich zu restriktiven deutschen Richtlinien eine Gefahr für die eigenen Exportmöglichkeiten, sodass zwischenzeitlich offen gewarnt wurde, künftig nur noch „deutschfreie“ Produkte bauen zu wollen. Dies versetzte Politik und Industrie in Deutschland derart in Alarm, dass fieberhaft nach einer Lösung gesucht und mit dem Aachener-Vertrag auch gefunden wurde.

Aachener-Vertrag: Exportblankoscheck

Mit dem Aachener-Vertrag vom Januar 2019 reklamierten Deutschland und Frankreich die Führung in europäischen Rüstungsfragen für sich. Über die „Erarbeitung gemeinsamer Verteidigungsprogramme“ soll der Ausbau eines europäischen Rüstungskomplexes vorangetrieben werden. Hierfür muss aber eine Lösung für das Exportproblem gefunden werden: „Beide Staaten werden bei gemeinsamen Projekten einen gemeinsamen Ansatz für Rüstungsexporte entwickeln.“[7]

Was dies zu bedeuten hatte, wurde dann in einem Zusatzabkommen zum Aachener-Vertrag im Oktober 2019 offenbart. Darin wird eine nahezu unüberwindbare Hürde aufgestellt, den Export gemeinsamer Rüstungsprojekte zu blockieren: „Eine Vertragspartei widerspricht einer von der anderen Vertragspartei beabsichtigten Verbringung oder Ausfuhr an Dritte nicht, außer in dem Ausnahmefall, in dem ihre unmittelbaren Interessen oder ihre nationale Sicherheit dadurch beeinträchtigt würden.“[8]

Doch die Vereinbarung geht sogar noch einen Schritt weiter, indem eine sogenannte De-minimis-Regelung eingeführt wird: Sollten in einem Produkt weniger als ein Fünftel der Komponenten aus einem Land verbaut sein, verzichtet es künftig gleich komplett auf ein Exportgenehmigungsverfahren: „die Vertragsparteien verfahren nach dem ‚De-minimis‘-Grundsatz bei einem Zulieferanteil bis zu einem prozentualen Schwellenwert von 20% des Wertes des zu verbringenden oder auszuführenden Gesamtsystems.“[9]

Die De-minimis-Regel wurde am 31. März 2020 im Bundesanzeiger veröffentlicht und trat am 1. April 2020 in Kraft, was von der „Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung“ (GKKE) mit folgenden Worten kritisiert wurde: „Insbesondere die De-minimis-Grenze von 20 Prozent ermöglicht eine völlig neue Politik. Aus GKKE-Sicht ist ein derart hoher Wert unverantwortlich und untragbar, denn damit wäre eine weitgehende Aufgabe der bisherigen deutschen für den Drittlandsexport geltenden restriktiven Exportregeln verbunden, zumal eine unmittelbare Bedrohung der nationalen Sicherheit des Komponentenlieferlandes nur in ganz seltenen Ausnahmefällen gegeben sein dürfte, die 20%-Grenze oft unterschritten ist oder durch Stückelung unterschritten wird.“[10]

Parlamentsbericht: Weichen Richtung Rüstung

In regelmäßigen Abständen fertigt der Auswärtige Ausschuss des Europäische Parlaments einen Bericht über Waffenexporte an, der nach einem langen Verhandlungsprozess im Regelfall auch im Plenum als Entschließung verabschiedet wird. Darin wurden in früheren Versionen relativ kritische Töne angeschlagen und eine Reihe sinnvoller Verbesserungen angemahnt. Auch im neuesten Bericht, der am 17. September 2020 vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde, sind wieder einige wichtige Verbesserungsvorschläge enthalten, insbesondere die nach einer Einführung von Sanktionsmöglichkeiten, die im Verhandlungsprozess auch eine der Kernforderungen der Linksfaktion Gue/NGL war. Allerdings wird diese Forderung nur noch in stark verwässerter Form erhoben, mit der Einschränkung auf Rüstungsvorhaben, die aus dem EU-Haushalt mitfinanziert werden. In der vorherigen Entschließung von 2018 hieß es noch deutlich schärfer: „Das Europäische Parlament […] hält es für erforderlich, einen Prozess zur Schaffung eines Mechanismus einzuleiten, mit dem Mitgliedstaaten, die den Gemeinsamen Standpunkt nicht befolgen, sanktioniert werden.“[11]

Noch schwerer wiegt, dass der unter der Federführung der Grünen EP-Abgeordneten Hannah Naumann angefertigte Bericht wie auch die später final verabschiedete EP-Entschließung zahlreiche schwer verdauliche Verbalumarmungen der Rüstungsindustrie enthält: „Das Europäische Parlament […] betont, dass die Erhaltung einer Verteidigungsindustrie zur Selbstverteidigung der Europäischen Union dient und Bestandteil ihrer strategischen Autonomie ist.“[12] Unmissverständlich wird zudem auch auf die Bedeutung von Rüstungsexporten für eine florierende rüstungsindustrielle Basis verwiesen: „in der Erwägung, dass die Fähigkeit der Rüstungsindustrie zur effizienten Erforschung und Entwicklung von Verteidigungstechnologien durch die Ausfuhr von Waffen, Rüstungsgütern und Ausrüstung verbessert und somit die Fähigkeit der EU-Mitgliedstaaten sichergestellt wird, sich selbst zu verteidigen und ihre Bürger zu schützen.“ (Absatz C)

Konsequenterweise wird dann auch der Ausbau der Rüstungszusammenarbeit explizit begrüßt: „Das Europäische Parlament […] stellt außerdem fest, dass eine zunehmende Zahl der in Europa hergestellten Waffensysteme aus Komponenten mehrerer EU-Mitgliedstaaten besteht und […] unterstreicht die positive Rolle dieser Art der Zusammenarbeit bei der Förderung der Vertrauensbildung zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten.“  (Absatz 27)

Und weil diese Rüstungskooperationsprojekte so hoch eingeschätzt werden, sollen sie auch nicht durch irgendwelche Exportrichtlinien eingeschränkt und üppig finanziert werden: „Das Europäische Parlament […] stellt fest, dass die Rüstungsexportpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten Kooperationsprojekte behindern kann; [es] fordert daher die Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten auf, ein angemessenes Maß an Finanzmitteln bereitzustellen, um die Verringerung der Marktfragmentierung und die industrielle Konsolidierung zu ermöglichen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten über die erforderlichen militärischen Fähigkeiten verfügen.“ (Absatz 33)

Und schließlich wird – zumindest implizit – eine Art europaweiter Aachener-Vertrag gefordert: „Das Europäische Parlament […] stellt fest, dass die bilaterale Zusammenarbeit bei Industrieprojekten im Bereich der Verteidigung zwischen den Mitgliedstaaten zu Ausfuhrkontrollvereinbarungen führt, die eine Grundlage für die EU als Ganzes sein können.“ (Absatz 34)

Rüstung vor Richtlinien

Von Anfang an versuchte der Gemeinsame Standpunkt die Quadratur des Kreises: Engmaschige Exportrichtlinien werden ebenso als Ziel ausgegeben wie die Stärkung der rüstungsindustriellen Basis. Beides gleichzeitig ist aber nicht zu haben und im Zweifelsfall wird tunlichst darauf geachtet, dass die Rüstungsindustrie weiter aufgepäppelt werden kann. Mit dem angestrebten Ausbau der Rüstungskooperation wird dieses Problem weiter verschärft, leider hat das Europäische Parlament die Chance vertan, hier eine kritische Position einzunehmen.

Dieser Text erschien zuerst in der Jungen Welt vom 23.9.2020
in leicht veränderter Form.

Anmerkungen


[1] Rüstungsexportbericht 2019 der GKKE, Januar 2020, S. 54.

[2] Besch, Sophia, Grebe, Jan: Rüstungsexportpolitik auf dem Prüfstand, Böll-Stiftung, Impulspapier 6, Juni 2020, S. 1.

[3] Mölling, Christian, Schütz, Torben: Rüstungsexportpolitik. Optionen der Europäisierung, DGAP Policy Brief Nr. 7/Dezember 2019, S. 4.

[4] Report of the Group of Personalities on the Preparatory Action for CSDP-related research, EUISS, Paris, February 2016, S.44f.

[5] Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds, Brüssel, 13.06.2018 (COM(2018) 476).  

[6] Descôtes, Anne-Marie: Vom „German-free“ zum gegenseitigen Vertrauen, BAKS-Arbeitspapier 7/2019, S. 1.

[7] Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration (Aachener-Vertrag), Kap. 2, Art. 4.

[8] Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über Ausfuhrkontrolle im Rüstungsbereich, Artikel 1 (2).

[9] Ebd., Anlage I (2).

[10] Rüstungsexportbericht 2019 der GKKE, S. 79.

[11] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. November 2018 (2018/2157(INI)).

[12] Bericht über Waffenexporte: Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP (2020/2003(INI)), Absatz 1.

------------

Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de