Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2020/050

Die Intervention ist die kleine Schwester des Krieges

BMZ-Staatssekretär fordert militärische Interventionsbereitschaft

Emma Fahr (07.09.2020)

Martin Jäger, der Staatssekretär des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), veröffentlichte am Sonntag einen Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen (FAZ).1 Sein Plädoyer hat es in sich.

Unter dem vielsagenden Titel “Deutschland sollte interventionsfähig sein” zeichnet Herr Jäger das Bild eines Europas umzingelt von “kalten”, “feindseligen” Mächten. Die Vereinigten Staaten würden die europäischen Grenzen nicht mehr beschützen und so sei Europa auf sich allein gestellt. Daraus wird die explizite Forderung abgeleitet, die Bundeswehr müsse sich bereit machen, verstärkt in militärische Interventionen geschickt zu werden. Alles andere sei verantwortungslos. Er scheint dabei von europäischer Hegemonie und westlicher Dominanz zu träumen – um den „Weltfrieden“ und „unsere Handelswege“ zu verteidigen. Seine explizite Forderung: „Der Bundestag billigt künftig auf Basis europäischer Mandate den bewaffneten Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland“ – ein spannendes Demokratieverständnis.

Herr Jäger verstrickt sich in seinem Artikel laufend in Widersprüche. Erst geht es um Europas Werte und Grenzen, dann wieder um “Überhaupt Afrika!”. Deutschland solle eigenständig intervenieren können, aber Alleingänge lehnt er doch ab. Mal geht es um die Verteidigung Europas und dann wieder um die proaktive militärische Intervention, die er “die kleine Schwester des Krieges und die giftige Freundin der Diplomatie” nennt. Jäger war selbst Top-Diplomat: 2013-14 war er Deutscher Botschafter in Afghanistan.2 Eine derart dialektische Einschätzung der eigenen Aufgaben erinnert fast schon an Ex-Entwicklungsminister Dirk Niebel.

Die deutsche Außenpolitik solle also giftiger werden und sich näher am Krieg ausrichten. Diese Meinung gibt Herr Jäger, um es nochmal zu betonen, als Vertreter des BMZ wieder. Dasselbe Ministerium, das sich eigentlich, wie das gesamte Regierungshandeln, vor wenigen Jahren auf zivile und präventive Konfliktarbeit verpflichtet hatte: “Wo immer möglich geben wir zivilen Maßnahmen der Konfliktlösung den Vorrang“, „militärische[…] Gewalt bleibt für deutsche Politik dabei ultima ratio”.3 Dem BMZ kommt darin eine gesonderte Rolle zu, da es für die vollständige Finanzierung des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) zuständig ist und über deren Projektanträge entscheidet. Für Jäger scheint das jedoch „Resignativer Pazifismus“ zu sein. Er ist eher außenpolitischer Stratege4 und scheint die Krise zu lieben. Seine Karriere begann er als Kriegsjournalist, einen Posten wie in Afghanistan mit „Stahlhelm und Splitterweste“ hätte er gern wieder gehabt und er ist, laut Medienberichten, immer noch Reserveoffizier der Bundeswehr.5

1 Jäger, Martin (2020): Deutschland sollte interventionsfähig sein. In: FAZ (6.9.2020). URL:faz.net

2 BMZ (2020): Martin Jäger. URL: bmz.de

3 Bundesregierung (2017): Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern. Leitlinien der Bundesregierung, S. 58.

4 Zwischen seinen Posten im Auswärtigen Amt war er Cheflobbyist bei der Daimler AG für ‚Global External Affairs and Public Policy‘ Quellen: Lobbypedia (2020). URL: lobbypedia.de und BMZ (2020). URL: bmz.de

5 u.a. Reiermann, Christian (2016): Schäubles Chefplaner zieht ins CDU-Krisengebiet. In: Der Spiegel (24.9.2016). URL: spiegel.de

------------

Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de