Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2019/049 - in: Weser-Kurier, 15.10.2019

Deutschland muss sich endlich ehrlich machen

Jürgen Wagner (16.10.2019)

Aufgrund politischer und wirtschaftlicher Erwägungen besteht bei der Bundesregierung überhaupt kein Interesse an einer restriktiven Rüstungsexportpolitik, befürchtet unser Gastautor Jürgen Wagner.

Der Stopp deutscher Rüstungsexporte in die Türkei war längst überfällig. Allerdings steht zu befürchten, dass er ähnlich lax gehandhabt werden wird wie das Verbot, Waffen in Länder zu schicken, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass sich die Rüstungsexportgenehmigungen dieses Jahr wieder in Richtung Rekordkurs bewegen.

Schlimmer noch: Ende Juni aktualisierte die Bundesregierung ihre Rüstungsexportrichtlinien, wodurch neue Schlupflöcher geschaffen wurden. Denn darin wird als Ziel ausgegeben, die „europäische verteidigungsindustrielle Basis zu stärken“. Dies soll vor allem über drei deutsch-französische Großprojekte geschehen: eine waffenfähige Eurodrohne, ein Kampfpanzer und ein Kampfflugzeug. Das Gesamtvolumen wird auf bis zu 500 Milliarden Euro geschätzt.

Ohne Exporte sind diese Vorhaben aber nicht realisierbar, wie unlängst auch die französische Botschafterin in Deutschland, Anne-Marie Descôtes, der Bundesregierung ins Stammbuch schrieb: „Der europäische Markt allein reicht nicht aus, um die großen deutsch-französischen und europäischen Ausrüstungsvorhaben wirtschaftlich tragfähig zu machen, wie den neuen deutsch-französischen Kampfpanzer oder die nächste Generation von Kampfflugzeugen.“

Die Bundesregierung hat verstanden – die neuen Exportrichtlinien enthalten eine sogenannte de-minimis-Regelung: Exporte von Ländern mit noch laxeren Vorschriften sollen generell unproblematisch sein, wenn ein deutscher Produktanteil von 20 Prozent nicht überschritten wird. Im Falle eines höheren Werts haben sich Deutschland und Frankreich  schon Anfang des Jahres in einem Zusatzabkommen zum „Aachener-Vertrag“ darauf verständigt, Exporte von Gemeinschaftsprojekten nur in „außergewöhnlichen Fällen“ zu behindern.

Außerdem heißt es in den neuen Exportrichtlinien, es sei erforderlich, eine „Konvergenz“, also eine Angleichung der Exportvorschriften zu erreichen – allerdings wohl auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Schließlich argumentiert auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, künftige EU-Rüstungsexportrichtlinien könnten „nicht so strikt wie die deutschen Vorschriften sein“.

Das alles deutet darauf hin, dass aufgrund politischer und wirtschaftlicher Erwägungen überhaupt kein Interesse an einer restriktiven Rüstungsexportpolitik besteht. Dann sollte die Bundesregierung dies aber auch offen so sagen, anstatt weiter ihre angeblich so „restriktive“ Praxis vor sich her zu tragen.

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Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de