Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Analyse 2017/17

Komponenten des EU-Militärapparates

Lühr Henken (05.05.2017)

Diese Analyse erschien in der IMI-Broschüre „Kein Frieden mit der Europäischen Union“. Sie beschäftigt sich sowohl mit der inneren wie auch äußeren Militarisierungsdynamik sowie linken Perspektiven angesichts der immer aggressiver agierenden EU-Politik.

Die Broschüre (64S A4) kann hier gratis heruntergeladen oder in zum Preis von 3,50 Euro (zzgl. Porto) bzw. 3 Euro (ab 10 Ex. zzgl. Porto) bestellt werden. Bestellungen bitte an imi@imi-online.de

Im Berlin-Plus-Abkommen ist seit 2003 geregelt, dass die EU auf NATO-Ressourcen zurückgreifen kann. Bei Konflikten hat jedoch die NATO Vorrecht auf die Ressourcen. Das heißt, nur wenn die NATO nicht eingreifen will, kann die EU auf sie zurückgreifen. Voraussetzung des EU-Zugriffs ist somit die Zustimmung der NATO. Die EU ist also von der NATO abhängig. Vetorecht haben praktisch sechs NATO-Staaten, die nicht gleichzeitig auch EU-Mitglieder sind: darunter die USA und die Türkei.[1].

„Kerneuropa“ für EU-Hauptquartier

Deshalb ist das so genannte Kern-Europa – also Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg – 2003 bestrebt gewesen, ein großes EU-Hauptquartier für EU-geführte Operationen „ohne Rückgriff auf NATO-Mittel und -Fähigkeiten“ einzurichten. Das scheiterte am Widerstand der USA. Der damalige NATO-Botschafter der USA, Burns, hatte das Bestreben nach autonomen europäischen Militärstrukturen als „‘ernste Bedrohung für die Allianz‘“ bezeichnet und von „‘schweren Verstimmungen‘, die solche Pläne in Washington hervorriefen,‘“[2] gesprochen. Die US-Regierungen unter Clinton und Bush stemmten sich vehement gegen eine militärische Abkopplung Europas von den USA, die ihren Anfang in einer Doppelung von Führungsstrukturen nehme. Man einigte sich darauf, ein Zentrum für Planung und Führung beim EU-Militärstab einzurichten. Frankreich und Deutschland beharrten jedoch weiter auf der Einrichtung eines Operationszentrums. Das wurde gewährt: Seit 2007 kann es „kleine Missionen bis zu 2.000 Mann führen.“[3] Ein weiterer Vorstoß Polens, Deutschlands und Frankreichs nach Einrichtung eines EU-Hauptquartiers scheiterte Ende 2011 am Widerstand Großbritanniens. Der Versuch dieser drei Staaten mit Unterstützung Spaniens und Italiens schließlich ein EU-Hauptquartier ohne die Briten aufzubauen, gaben diese auf, weil sie einsahen, dass es ohne die britische finanzielle und militärische Unterstützung nicht gehe.[4] Somit gibt es zurzeit sechs nationale Hauptquartiere (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Griechenland, Italien, Polen) und das Operationszentrum in Brüssel. Zuletzt wurde dann im März 2017 faktisch doch die Einrichtung des lange umkämpften Hauptquartiers beschlossen, das unter dem Namen „Military Planning and Conduct Capability“ (MPCC) künftig nicht-exekutive-Einsätze leiten soll.

Schnelle EU-Eingreiftruppe

Ende 1999 legte der EU-Gipfel in Helsinki fest, bis 2003 eine Schnelle EU-Eingreiftruppe aufstellen zu wollen, die 80.000 einsatzfähige Soldaten umfasst, die aus einem Pool von 100.000 Soldaten zusammen gestellt werden sollten. Sie sollten unter anderem über 400 Kampfflugzeuge sowie 100 Kriegsschiffe[5] verfügen. Diese Rapid Reaction Force der EU  sollte binnen 60 Tagen verlegbar sein und anschließend ein Jahr lang durchhaltefähig kämpfen können. Daraus wurde so nichts. Es mangelt insbesondere an Transportkapazitäten in der Luft und auf See. Als absehbar war, dass dieses Ziel des European Headline Goals 2003 nicht umsetzbar sein würde, entwickelte man das Konzept der EU-Battlegroups.

EU-Battlegroups

Seit 2007 stehen im Wechsel jedes Halbjahr meist zwei 1.500  bis 3.000 Soldaten starke Battlegroups zur Verfügung, die eigenständig innerhalb von fünf Tagen kampfbereit und binnen zehn bis 15 Tagen im Umkreis von 6.000 km um Brüssel an den Einsatzort transportiert werden können. Ihr Kern besteht meist aus einem Infanteriebataillon, das bis zu vier Monate auf sich allein gestellt durchhalten kann. Allerdings kam noch nie eine von ihnen zum Einsatz, aber die künftige Zusammenstellung der Battlegroups steht bis Ende 2020 weitgehend schon fest.[6]

Sie sollen die Speerspitze stellen für die schnelle Eingreiftruppe der EU, für die 2004 dann das neue Zieljahr 2010 (Headline Goal 2010) angestrebt wurde. Aber die autonome Umsetzung durch die EU scheitert an Großbritannien und technisch vor allem am Luft- und am Seetransport. Die Military Airbusse A 400 M werden einfach nicht fertig. Solange die Briten noch nicht aus der EU ausgetreten sind, haben sie Widerstand gegen ein EU-Hauptquartier angekündigt.

Machtträume nur in Denkfabriken?

Die Machtträume in den EU-Denkfabriken scheinen jedoch grenzenlos. Schon 2004 gab das EU-Institute for Strategic Studies (EUISS) ein so genanntes White Paper heraus, aus dem hervor geht, dass in 10 bis 20 Jahren –  also quasi heute – die Zahl von 100.000 Soldaten nicht ausreichen werde, sondern 150.000 bis 200.000 für den Pool notwendig seien. Auch müssten es statt 400 künftig 600 Kampfflugzeuge sein, über die die schnelle Eingreiftruppe der EU verfügen müsste.

Diese Pläne sind hoch fliegend, und bisher nicht ansatzweise umsetzbar. Wie realistisch sie sind, wird die Zukunft weisen. Die Lage könnte sich schnell wandeln, sobald die A 400 M einsatzfähig sind. Mit den Military-Airbussen wird wohl erst ab 2020 zu rechnen sein. 160 A 400 M sind von EU-Mitgliedern bestellt. Jedenfalls kündigte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini schon Mitte November 2016 eine Erhöhung des Headline Goals an, ohne allerdings konkrete Zahlen zu benennen.[7]

Deutscher Militäranteil überproportional

Das heißt, wir müssen diese EU-Großmachtambitionen ins Auge fassen, zumal der deutsche Anteil daran, je Nation betrachtet, der größte ist. Für den 100.000 Soldaten-Pool bietet Berlin 33.000 Soldaten (also 33 Prozent), dazu ca. 90 Kampfflugzeuge (ca. 23 Prozent) an. Dabei stellen Deutsche derzeit nur 16 Prozent der 506 Millionen EU-Einwohner und erwirtschaften nur knapp 21 Prozent des BIP der EU-28. Der militärische Anteil Deutschlands in der EU ist überproportioniert.

Der EU-Austritt Großbritanniens beschleunigt den Weg zu einer verstärkten militärischen Zusammenarbeit in der EU. Ursula von der Leyen machte bei der Vorstellung des Weißbuches deutlich, dass die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU nun vorankommen müsse, denn Großbritannien habe diese gelähmt. Sie kündigte umgehend eine deutsch-französische Initiative an. Als Ziel nannte sie „die Gründung eines zivil-militärischen Europäischen Hauptquartiers.“[8] Dies findet sich auch in einem sechs Seiten langen Papier wieder, das sie und ihr französischer Kollege le Drian am 12.9. veröffentlichten. Darin geht es ihnen zusätzlich unter anderem um eine Stärkung des EUROKORPS[9], den verbesserten  Austausch von Satellitenbildern und darum, strategische Transportfähigkeiten in der Luft, auf See und auf Land zu einem „europäischen Logistikknotenpunkt zu verbinden“[10]. Sie betonen, „dass eine stärkere und leistungsfähigere Europäische Verteidigung gleichzeitig eine Stärkung der NATO darstellt“.[11] Dem schlossen sich später Italien und Spanien an. Gemeinsam betonen alle vier Verteidigungsminister: „Um es klar zu sagen: Eine ‚EU-Armee‘ ist nicht unser Ziel.“[12] Allerdings meldeten sich nach dem Wahlsieg Trumps die Befürworter einer EU-Armee wieder verstärkt zu Wort: Kommissionspräsident Juncker und der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Kauder waren deutlich zu vernehmen. SPD-Chef Gabriel hatte sich zuvor schon entsprechend zu Wort gemeldet.

Im Sechs-Seiten-Papier wurden Stichpunkte für militärische Strukturen gegeben. Das EUROKORPS, das Satellitenzentrum und das Transportwesen. Welche Bedeutung diese haben, soll nun untersucht werden.

Militärische Komponenten

EUROKORPS

Das EUROKORPS ist ein seit 1995 in Straßburg ansässiges Hauptquartier der Staaten Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien und Luxemburg. Der Stab umfasst 400 Mann plus 600 Mann einer Unterstützungsbrigade. Er kann bis zu 60.000 Soldaten führen, die zusätzlich von den assoziierten Nationen Polen, Griechenland, Italien, Türkei und Rumänien gestellt werden. Daraus werden Kräfte für EU- und NATO-Einsätze abgestellt. Dazu gehörten bisher NATO-Einsätze in Bosnien, Kosovo und Afghanistan. Das EUROKORPS stellt auch Soldaten für die NATO Response Force. Für den EU-Einsatz in Mali (EUTM Mali) stellte das EUROKORPS 2015 den Kernstab und bis Mitte 2017 den Stab im EU-Einsatz in der Zentralafrikanischen Republik. Das EUROKORPS fungiert derzeit als Hauptquartier einer EU-Battlegroup und bereitet sich auf dieselbe Rolle im ersten Halbjahr 2017 vor.

Deutsch-französische Brigade

Eingebunden in die Befehlsstrukturen des EUROKORPS ist die Deutsch-französische Brigade, eine rund 6.000 Mann starke Infanterietruppe, die ausschließlich aus deutschen und französischen Verbänden gebildet ist, und ihren Hauptsitz in Müllheim (Baden-Württemberg) hat. Neben Einsätzen unter NATO-Kommando bildete sie 2008 das Kernstück einer EU-Battlegroup und führte den EU-Einsatz EUTM Mali 2015 /2016.

1. Deutsch-Niederländisches Korps

Ein dritter Großverband in möglichen EU-Diensten ist das 1. Deutsch-Niederländische Korps mit Sitz in Münster. Sein Korpsstab kann binnen 30 Tagen weltweit zur Gefechtsbereitschaft verlegt und von Deutschland, den Niederlanden, der NATO oder der EU geführt werden. Das Korps wird aus Soldaten aus 13 Ländern gebildet. Dabei kommt es erstmals zu einer Integration von Verbänden.[13] Der Korpsstab hat mit zugehörigen Verbänden eine Stärke von ca.1.100 Soldaten und kann bis zu 80.000 Soldaten führen. Zu einem EU-geführten Einsatz ist es bisher nicht gekommen.

EU-Satellitenzentrum

Das zweite Stichwort war der verbesserte Austausch von Satellitenbildern. Gemeint ist hier das EU-Satellitenzentrum in Torrejon bei Madrid, das seit 2002 arbeitet.[14] Kurz SATCEN. Die Aufgaben bestehen „in der Sammlung und Auswertung von Informationen, die mit Hilfe von Satelliten gewonnen werden“[15]. Zumindest die Satellitensysteme HELIOS II (Frankreich), SAR LUPE (Deutschland) und COSMO SKY-MED (Italien) liefern Satellitenbilder. Genutzt werden „optische Sensoren, Infrarot und Techniken wie Multispektral- und Hyperspektralradar.“[16] – alles unabhängig von Tageszeit und Wetter. Möglich werden so auch „indiskrete Blicke unter Tarnnetze oder hinter ballonähnliche Schutzhüllen von Antennenanlagen.“[17] Durch die Verknüpfung von vor Ort gewonnenen Details und Videoaufnahmen entstehen nutzbare Informationen. Das Schlagwort heißt Geospatial Intelligence (GEOINT). Nutznießer des SATCEN waren beispielsweise 2015 die EU-Mitgliedsstaaten, der Europäische Auswärtige Dienst, die EU-Militäreinsätze SOPHIA, EUTM Somalia, FRONTEX, die OSZE, und die Organisation zur Überwachung des Chemiewaffenübereinkommens OPCW.[18] Im letzten Jahr zum Beispiel hatten über 90 Prozent der Satellitenbilder eine Auflösung von unter einem Meter.[19] Die Erkenntnisse dienen der Vorbereitung von militärischen EU-Einsätzen. Zunehmend können damit auch aktuelle Überwachungen vorgenommen werden, deren Ergebnisse nicht nur in die Zentrale nach Paris, sondern auch direkt an Soldaten am Einsatzort geleitet werden. Beschäftigt sind im SATCEN 121 Personen. Die Anfragen haben in den vergangenen Jahren um jährlich etwa 35 bis 40 Prozent zugenommen.[20] Ein Fünftel der Bediensteten ist allerdings mit dem Aufspüren von Umweltsündern via Satellit befasst.

European Air Transport Command / EATC

Ein letztes Stichwort: Der Entwicklung eines Europäischen Logistikknotenpunkts sollte das vorhandene europäische Lufttransportkommando (European Air Transport Command / EATC) als Modell dienen. „Das EATC ist eine multinationale Kommandobehörde, […] die der Koordination und operationellen Führung der Lufttransport- und Luftbetankungskräfte sowie der medizinischen Evakuierungseinsätze der beteiligten Staaten“[21] dient. Gegründet wurde es 2010. Sein Sitz ist Eindhoven. Die beteiligten sieben Staaten sind Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Spanien. Sie legen den Großteil ihrer Transport- und Tankflugzeuge zusammen. Dies schafft einen Pool von etwa 200 Maschinen. Das sind etwa 60 Prozent der europäischen Lufttransportkapazitäten. Das Rückgrat der Flotte bilden jeweils 55 Herkules- und Transallmaschinen.[22] Sie fliegen für diese sieben Staaten, für die NATO und die EU. Im Jahr transportieren sie mit über 8.000 Flügen über 200.000 Passagiere, etwa 100.000 Fallschirmspringer und 20.000 Tonnen Fracht. Die Luftwaffen haben auch das Recht, auf Maschinen der Partnerländer zuzugreifen. Das Pooling und Sharing soll Parallel- und Leerflüge einsparen. Engagiert wurde das EATC vor allem im NATO-Krieg gegen Libyen, aber auch in Mali und in der Türkei. Praktisch ist das EATC in sämtlichen Auslandseinsätzen von NATO, EU und ihren Mitgliedstaaten beteiligt.

Deutschland – Ankerland

Wenn kleinere Länder aktuell Teile ihrer Streitkräfte denen einer Großmacht unterstellen, geschieht dies inzwischen unter dem Begriff „Ankerarmee-Konzept“ (früher auch: Rahmennationskonzept). Hierdurch soll eine „Europäisierung“ der Streitkräfte vorangebracht werden, das Konzept dient aber natürlich vor allem auch der Stärkung des jeweiligen „Ankerlandes“. Im Februar 2017 wurde die Integration tschechischer und rumänischer Truppen in die Bundeswehr beschlossen, wodurch die Rolle der deutschen Armee weiter aufgewertet wird: „Deutschlands Streitkräfte sollen zum zentralen Bezugspunkt für kleinere Partner werden. Rumänien und die Tschechische Republik wollen Teile ihrer Heerestruppen in die Kommandostruktur der Bundeswehr einbinden.“[23]

Militäreinsätze

Die EU führt seit 2003 Militäreinsätze durch. Mazedonien und der Kongo waren die ersten Stationen. Sechs Militäreinsätze wurden abgeschlossen, sechs führt die EU zurzeit durch. Gleichzeitig finden zehn zivile EU-Einsätze statt, die zum Teil die militärischen flankieren. Schauen wir uns die sechs militärischen EU-Einsätze genauer an[24]:

Bosnien-Herzegovina

In Bosnien-Herzegovina hat die EU 2004 von der NATO den SFOR-Einsatz übernommen und führt ihn seitdem unter der Bezeichnung EUFOR ALTHEA fort. Begonnen mit 6.300 Soldaten waren es Ende 2015 nur noch 818, wovon EU-Länder 529 Soldaten stellten. Insgesamt sind 20 Nationen beteiligt, die Bundeswehr seit September 2012 nicht mehr. Die größten Kontingente stellen Österreich mit 325 und die Türkei mit 234 Soldaten. Der Auftrag ist, für Sicherheit zu sorgen, Gewaltausbrüche der ehemaligen Kriegsgegner zu verhindern und bosnische Streitkräfte sollen aufgebaut und trainiert werden. Aufgabe ist es auch, Bosnien-Herzegovina zur EU-Mitgliedschaft zu führen. Das Hauptquartier von EUFOR ALTHEA ist in Sarajevo, das strategische Hauptquartier jedoch ist das NATO-Hauptquartier SHAPE in Mons. Regelrecht personell verzahnt mit der NATO ist EUFOR ALTHEA dadurch, dass der stellvertretende NATO-Oberbefehlshaber Europa zugleich EUFOR-ALTHEA-Kommandeur ist. Die Zusammenarbeit ist durch das Berlin-Plus-Abkommen geregelt.

EUTM Mali

Die European Training Mission Mali (EUTM Mali) ist eine von fünf Einsätzen von UNO, Frankreich und  der EU in der Sahel-Region, wobei der UNO-Einsatz MINUSMA mit über 13.000 Soldaten und 1.900 Polizisten der militärisch größte, der französische Kriegseinsatz Opération Barkhane mit ca. 3.000 Soldaten der brutalste ist. Der militärische EU-Ausbildungseinsatz wird flankiert von zwei zivilen Missionen in der Region: EUCAP Sahel Mali und  EUCAP Sahel Niger mit 100 bzw. 78 Kräften, die vor allem Polizisten ausbilden. EUTM  Mali umfasst 539 Soldaten. Die Bundeswehr stellt davon zurzeit 151 (Stand 15.11.16). Laut Bundestagsmandat sind bis zu 300 möglich. Insgesamt wurden durch EU-Militärs etwa 8.000 malische Soldaten ausgebildet. EUTM Mali stand bis zum Juli 2016 über ein Jahr lang unter deutschem Kommando. Zunächst unter dem des Stabchefs des EUROKORPS und danach unter dem des Kommandeurs der Deutsch-französischen Brigade.  Ausgebildet wird  bei Bamako, in Timbuktu und Gao. Seit Mai werden auch Rekruten aus Mauretanien, Niger, Burkina Faso und Tschad ausgebildet und auch MINUSMA-Personal geschult.

EUTM SOM

In Mogadischu ist das Hauptquartier von EUTM SOM, der European Training Mission Somalia. Sie besteht seit Februar 2010 und umfasst 195 Soldaten aus 11 Ländern (Stand April 2016). Die Bundeswehr ist mit 11 Soldaten dabei (Stand 15.11.16), 20 sind möglich. Insgesamt wurden in bald sieben Jahren über 5.000 somalische Soldaten ausgebildet. „Die Bundeswehr schult in Mogadischu vor allem Führungskräfte und Ausbilder der somalischen Armee und berät das somalische Verteidigungsministerium.“[25]

EUNAVFOR ATALANTA

Am Horn von Afrika führt die EU ihren ersten Marineeinsatz, EUNAVFOR ATALANTA, durch. Damit sollen die Transporte des Welternährungsprogramms nach Somalia und die Seetransporte am Horn und im Golf von Aden vor Piratenangriffen geschützt werden. Tatsächlich sind die Angriffe seit ihrem Höhepunkt 2011 (es waren 166 damals) seit 2015 auf Null zurückgegangen. Die EU führt das auf ihren Einsatz zurück. Der Einfluss des Selbstschutzes der Handelsschiffe vor allem durch bewaffnete Sicherheitskräfte an Bord bleibt dabei unberücksichtigt. Ende 2015 umfasste ATALANTA 674 Soldaten, die Bundeswehr hat zurzeit 82 Soldaten für ATALANTA abgestellt (Stand 15.11.16), ihre Obergrenze ist von anfangs 1.200 auf jetzt 600 reduziert. Zurzeit ist die Bundeswehr mit einem Fernaufklärer Orion vertreten. Außer Deutschland beteiligen sich ständig Frankreich, Italien, die Niederlande und Spanien an ATALANTA. Zurzeit sind zwei Kriegsschiffe aus EU-Ländern beteiligt. Die Operationszentrale von ATALANTA ist Dschibouti. Das Hauptquartier auf strategischer Ebene befindet sich in Northwood bei London, der Operation Commander ist stets ein Brite.

EUNAVFOR MED Operation Sophia

Der größte EU-Militäreinsatz findet vor den libyschen und tunesischen Küsten statt, EUNAVFOR MED Operation Sophia sein offizieller Name. Sein Umfang: 1.408 Soldaten (Stand Ende 2015). 24 Nationen beteiligen sich daran mit Schiffen, Flugzeugen und Helikoptern. Zurzeit sind es sieben Schiffe und zwei Aufklärungsflugzeuge. Die Bundeswehr stellt davon zurzeit zwei Schiffe und hat mit Soldaten im Hauptquartier und auf dem italienischen Flaggschiff 334 Soldaten im Einsatz (Stand 15.11.16). Das Mandat bis Ende Juni 2017 lässt 950 zu. Der Auftrag ist vielgestaltig und gliedert sich in drei Phasen, wobei Phase 1 seit ihrem Start im Juni 2015 durchgängig ist. Um gegen Schleuser vorgehen zu können, soll dauerhaft ein Lagebild über Schleusernetzwerke erstellt werden. Seit Oktober 2015, dem Beginn der Phase 2, sind die Schiffe ermächtigt, der Schleuserei verdächtige Boote anzuhalten, zu durchsuchen, zu beschlagnahmen und umzuleiten. Dies gilt zunächst nur auf Hoher See. Diese Ermächtigung soll später auf Küstengewässer und fremdes Territorium erweitert werden. Eine Ermächtigung dazu durch eine libysche Regierung oder durch den UN-Sicherheitsrat liegt allerdings nicht vor. Indes hat eine Überwachung des Waffenembargos gegen Gegner der sogenannten libyschen Einheitsregierung unter Sarradsch auf See im September begonnen. Daran beteiligt sich auch die deutsche Marine im SOPHIA-Verband. Zudem wurde Ende Oktober mit der Ausbildung von Mitgliedern der libyschen Küstenwache begonnen. Die Ausbildung erfolgt auf zwei Schiffen auf Hoher See, an der sich auch Bundeswehrsoldaten beteiligen. Die deutsche Marine gibt an, seit Mai 2015 18.960 Menschen aus Seenot gerettet zu haben (Stand 24.10.2016).

EUTM RCA

In der Zentralafrikanischen Republik, dem sechsten und letzten Einsatz der EU, geht es seit September 2016 um das Training zentralafrikanischer Soldaten, EUTM RCA genannt, aber auch um die Strategieberatung des Verteidigungsministers und des Generalstabs der zentralafrikanischen Armee in Bangui. EUTM RCA umfasst 170 Soldaten, [26] die aus 10 EU-Ländern kommen. Den Nukleus bilden 62 Soldaten des EUROKORPS-Hauptquartiers. [27] Die Bundeswehr ist nicht dabei. Das Mandat gilt bis September 2018.

Fassen wir die EU-Militäreinsätze zusammen. Sie finden mit der Ausnahme ALTHEA alle in und um Afrika herum statt. Ihre Soldatenzahl summiert sich auf rund 3.500. Das sind etwa soviele, wie die Bundeswehr zurzeit insgesamt im Ausland einsetzt. 3.500 von etwa 1,5 Millionen Soldaten in EU-Ländern sind gerademal 0,2 Prozent. Die EU hat neun Kriegsschiffe im Einsatz. Insgesamt verfügen die EU-Mitgliedstaaten über 130 Überwasserkampfschiffe. Damit sind sieben Prozent von ihnen im Einsatz. Will sagen: Da ist noch viel Platz nach oben. Und wenn nichts gegen die Militarisierung der EU unternommen wird, wird er genutzt werden.

Anmerkungen

[1] Zusätzlich: Albanien, Island, Kanada, Norwegen

[2] FAZ 18.10 2003, Das Reizwort „Tervuren“

[3] FAZ 2.12.2011, Briten gegen EU-Hauptquartier.

[4] ebenda

[5] darunter 4 Flugzeugträger, 1 Heli-Träger, 5 U-Boote und mind. 17 Fregatten/Zerstörer/Korvetten

[6] EU Institute for Strategic Studies, Yearbook of European Security 2016, 234 Seiten, S. 65 f

[7] Implementation Plan on Security and Defence, Brüssel, 14. November 2016 (14392/16)

[8] FAZ 14.7.2016, dieses Ziel wird auch im Weißbuch genannt: Weißbuch 2016, S. 74

[9] Erneuerung der GSVP, Hin zu einer umfassenden und glaubwürdigen Verteidigung der EU, 6 Seiten, S. 3

[10] ebenda

[11] Erneuerung der GSVP, Hin zu einer umfassenden und glaubwürdigen Verteidigung der EU, 6 Seiten, S. 5

[12] Spiegel online.de 12.10.16, Größte EU-Armeen sollen zusammenarbeiten.

[13] Vereinbart ist, „die niederländische 43. Mechanisierte Brigade in die deutsche 1. Panzerdivision zu integrieren. Ein deutsches Panzerbataillon wird im Gegenzug Teil dieser niederländischen Brigade und in diesem deutschen Panzerbataillon wird eine Kompanie mit niederländischen Soldaten besetzt. Der Verband soll mit deutschen Panzern in Lohheide/Truppenübungsplatz Bergen in Niedersachsen stationiert werden und bis Ende 2019 voll einsatzbereit sein.“ https://de.wikipedia.org/wiki/1._Deutsch-Niederl%C3%A4ndisches_Korps (abgelesen 29.10.16)

[14] Es hatte die Einrichtungen von der Westeuropäischen Union übernommen.

[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Satellitenzentrum_der_Europ%C3%A4ischen_Union (abgelesen 30.10.16)

[16] Europas Augen, 13.12.2008, http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/eu-satellitenzentrum-europas-augen-a-596139.html

[17] ebenda

[18] EU Satellite Centre, Annual Report 2015, 46 Seiten, S. 17, https://www.eusc.europa.eu/key_documents/GoodOne573450a9f9d71d2038efe735.pdf

[19] A.a.O, S. 21, genau 1.360 von 1.493 im Jahr 2015

[20] A.a.O., S. 23

[21] https://de.wikipedia.org/wiki/European_Air_Transport_Command (abgelesen 30.10.2016)

[22] EATC Factsheet, 12.10.2016, http://eatc-mil.com/user_uploads/page_contents/downloads/EATC%20factsheet%20october%202016.pdf

[23] Bundeswehr will „Ankerarmee“ für kleine Nato-Partner werden, FAZ, 09.02.2017.

[24] Offizieller Überblick sämtlicher ziviler und militärischer EU-Einsätze: https://eeas.europa.eu/topics/common-security-and-defence-policy-csdp/430/military-and-civilian-missions-and-operations_en

[25] https://de.wikipedia.org/wiki/EUTM_Somalia (abgelesen 28.10.2016)

[26] EUTM RCA ersetzt die zuvor beendete zivile Beratermission EUMAM RCA, die 70 Soldaten umfasste.

[27] EUTM RCA launched in Central Africa Republic, Press Release, 16.7.2016, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/20160716_press_release_en.pdf

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