IMI-Analyse 2015/031 - in: CILIP, Nr. 109 (September 2015) / AUSDRUCK (Oktober 2015)
Marineoperation im Mittelmeer
Seenotrettung, Lagebilderstellung oder Anti-Terror-Krieg?
Christoph Marischka (31.08.2015)
EU Naval Force Mediterranean (EUNAVFOR MED): Mit bemerkenswerter Geschwindigkeit hat die EU ihre Marinemission zur Migrationsbekämpfung im Mittelmeer geplant und implementiert.
Vermeintlicher Anlass war die Schiffskatastrophe vor Lampedusa in der Nacht zum 19. April 2015, bei der über 850 Flüchtlinge im Mittelmeer ertranken. Schon bei der außerordentlichen gemeinsamen Tagung der Außen- und der InnenministerInnen in Luxemburg einen Tag später war die Rede davon, dass die „erfolgreiche“ Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika Vorbild für eine ähnliche Aktion im Mittelmeer sein könnte.[1] Am 23. April schließlich beauftragten die Staats- und Regierungschefs ihre Außenbeauftragte, „unverzüglich mit den Vorbereitungen für eine eventuelle“ Operation im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) zu beginnen.[2]
Bezeichnenderweise stammten die ersten Vorschläge für eine „robuste“ Mission nach dem Vorbild von Atalanta nicht etwa von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, sondern von dem Mann, der ihren Posten bis Dezember 2013 inne hatte: dem heutigen Innenminister Thomas de Maizière.[3] Ein weiteres Indiz, dass entsprechende Pläne längst in der Schublade lagen. Zwei Wochen nach dem Unglück und noch während die Operationspläne für die neue Mission ausgearbeitet wurden, wurden zwei Schiffe der Bundesmarine, die Fregatte „Hessen“ und der Einsatzgruppenversorger „Berlin“, aus dem Atalanta-Verband gelöst und ins Mittelmeer zwischen Italien und Libyen beordert, um dort Flüchtlinge in Seenot aufzunehmen. Boote, welche die Flüchtlinge aufnehmen könnten, bevor sie in Seenot geraten, schickte keine EU-Regierung. Sie hätte sich damit dem Vorwurf ausgesetzt, das zu betreiben, was durch die neue EU-Mission bekämpft werden soll: „Menschenschmuggel“.[4]
Auftrag Abschottung
Denn auch wenn das Bild der geretteten Flüchtlinge auf Schiffen der Bundeswehr nachhallt und die Bundesregierung im Zusammenhang mit der EU-Mission gerne von Seenotrettung spricht, ist das am 18. Mai vom Rat der EU beschlossene Mandat eindeutig: Als Auftrag wird – ausschließlich – festgelegt, „das Geschäftsmodell der Menschenschmuggel- und Menschenhandelsnetze im südlichen zentralen Mittelmeer zu unterbinden, indem systematische Anstrengungen unternommen werden, um Schiffe und an Bord befindliche Gegenstände, die von Schleusern oder Menschenhändlern benutzt oder mutmaßlich benutzt werden, in Einklang mit dem anwendbaren Völkerrecht, einschließlich des SRÜ [Seerechtsübereinkommen] und etwaiger Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, auszumachen, zu beschlagnahmen und zu zerstören“.[5] Damit handelt es sich im Kern um die Übernahme der polizeilichen Aufgabe der Kriminalitätsbekämpfung im internationalen Raum – aber auch darüber hinaus – durch militärische Kräfte. Die Seenotrettung ist nur insofern Aufgabe der Soldaten, soweit sich diese Pflicht ohnehin aus internationalem Recht ergibt. Das ist schlüssig, schließlich hatte de Maizière zuvor die italienische Mission Mare Nostrum, die Seenotrettung und Bekämpfung der Schleuserkriminalität umfasste, als „Beihilfe zum Schlepperwesen“ kritisiert.[6]
Nach aktueller Planung soll die EU-Mission sechs Schiffe, zwei U-Boote, drei Seeraumüberwachungsflugzeuge und zwei Aufklärungsdrohnen umfassen, bislang beteiligt sich die Bundeswehr mit der Fregatte Schleswig-Holstein und dem Tender Werra. Das operative Hauptquartier wurde in Rom eingerichtet, das taktische Hauptquartier auf dem Flaggschiff der Mission, dem italienischen Flugzeugträger Cavour. Kommandant der Mission ist der italienische Konteradmiral Enrico Credendino, Befehlshaber der Einsatzkräfte auf See Andrea Gueglio. Zehn EU-Staaten beteiligen sich mit eigenen Einsatzmitteln und acht weitere mit Personal für die Hauptquartiere. Die deutschen Einsatzkräfte werden vom Einsatzführungskommando in Potsdam aus befehligt.
Die politische Kontrolle und strategische Leitung des Gesamteinsatzes obliegt (wie bei allen EU-Einsätzen) dem Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK), in dem die Mitgliedstaaten mit je einem „Botschafter“ vertreten sind und das von der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, geleitet wird. Der Rat wird vom Militärausschuss der EU (EUMC), in dem die Mitgliedstaaten durch ihre Generalstabschefs oder deren Delegierten repräsentiert sind, über den Verlauf informiert.
Zunächst umfasst das Mandat primär die „Aufdeckung und Beobachtung von Migrationsnetzwerken“ durch das „Sammeln von Informationen“ (Phase 1). Der Rat entscheidet, ob der Einsatz in die zweite und dritte Phase übergehen soll, die hingegen das „Anhalten, Durchsuchen, Beschlagnahmen und Umleiten“ verdächtiger Schiffe (Phase 2) oder die „Zerstörung oder Unbrauchbarmachung“ von Schiffen oder zugehörigen Gegenständen zum Ziel haben (Phase 3) und grundsätzlich auch den Einsatz von Bodentruppen in Nordafrika beinhalten können. Bereits im Zuge der Mandatierung der ersten Phase jedoch brachten sowohl der Rat als auch die Bundesregierung ihre Rechtsauffassung zum Ausdruck, wonach die Marine bereits nach allgemeinem Seerecht „geeignete Maßnahmen“ auch in internationalen Gewässern (auf Hoher See) gegen verdächtige Schiffe, deren Personal und Ladung ergreifen könne, soweit deren Flaggenstaat seine Zustimmung erteilt, das Schiff keine Staatsangehörigkeit besitzt oder diese in Zweifel gezogen wird. Die Phasen 2 und 3 sollen auch auf die Küstengewässer von Drittstaaten, insbesondere Libyens, ausgedehnt werden, sofern diese zustimmen oder ein Mandat des UN-Sicherheitsrates erreicht werden kann. Letzteres würde voraussetzen, dass der Sicherheitsrat die Migration im Mittelmeer formal als Gefährdung des Weltfriedens oder Angriffshandlung deklariert. Die Befugnis zu entscheiden, wann der Übergang zwischen den Phasen stattfindet sowie „zur Änderung der Planungsdokumente, einschließlich des Operationsplans, der Befehlskette und der Einsatzregeln“ liegt beim PSK. Letztlich existiert weder eine definierte Eingrenzung der militärischen Befugnisse innerhalb der einzelnen Phasen noch eine klare Abgrenzung zwischen den Phasen. Entsprechend hat sich auch die Bundesregierung noch nicht festgelegt, ob sie etwa vor einem Übergang in Phase 2 überhaupt eine Befassung des Bundestages für nötig hält, oder diese – wie in Phase 1 geschehen – ohne entsprechendes Mandat gemeinsam mit den anderen Regierungen im Rat der EU beschließt.[7]
Lagebilderstellung
Zunächst jedoch wird es tatsächlich um das Sammeln von Informationen, die Erstellung und den Austausch von Lagebildern gehen. Hierfür sprechen auch die genannten Einsatzmittel wie U-Boote, Flugzeuge zur Seeraumüberwachung, Drohnen und Hubschrauber, die nicht zur Seenotrettung, wohl aber mit umfassender Technologie zur Aufklärung ausgestattet sind. Nach Angaben der Bundesregierung liegt auch die Aufgabe der beiden deutschen Schiffe „im Schwerpunkt in der Lagebildverdichtung“: „Durch Überwachung und Beobachtung der Schleuseraktivitäten auf hoher See sollen mehr Informationen über die kriminellen Netzwerke gewonnen werden.“[8] Die Satellitenaufklärung wird vermutlich hauptsächlich über das eigens zur Unterstützung von GSVP-Missionen gegründete EU-Satellitenzentrum (EUSC) in Torrejón, Spanien, sowie möglicherweise über nationale militärische Systeme bereitgestellt.
Berichten des Guardian zufolge soll über die beteiligten Schiffe des Vereinigten Königreichs auch der Geheimdienst GCHQ eingebunden sein.[9] Zumindest für das deutsche Kontingent der Mission wurde auch ein „Unterstützungselement“ des Bundesnachrichtendienstes eingerichtet. Darüber hinaus ist eine Zusammenarbeit mit den polizeilichen Agenturen der EU vorgesehen: EUROPOL und EUROJUST arbeiten quasi-geheimdienstlich und haben jeweils Lagezentren und Arbeitsgruppen zur Bekämpfung der illegalen Migration eingerichtet bzw. bauen solche gerade auf Sizilien auf. Der Kommandant der Marinemission fand sich bereits am 1. Juli, wenige Tage nach dem offiziellen Beginn der Operation, zum Besuch bei Europol ein.[10] FRONTEX ist nicht nur in das Joint Operation Team Mare von Europol eingebunden, sondern koordiniert insbesondere das Grenzüberwachungssystem EUROSUR, das als „System der Systeme“ die nationalen Sensorsysteme verschiedenster Art zu einem Lagebild integriert und dieses über Nationale Koordinierungszentren (in Deutschland beim Bundespolizeipräsidium in Potsdam) verteilt. Über dieses werden bereits jetzt verdächtige Küstenabschnitte und Schiffe „mittels spezieller Algorithmen und Driftkalkulationen“ überwacht.[11] Inwieweit die Marinemission auf diese Daten zugreifen kann, ist bislang unklar; umgekehrt forderte FRONTEX jedenfalls 2015 erstmals Analyseprodukte des Satellitenzentrums an, das für den militärisch geprägten GSVP-Bereich gegründet wurde.[12]
Generell lässt sich festhalten, dass in der vergangenen Dekade vor allem im Zuge „ziviler“ Programme zur Umweltüberwachung, maritimen Sicherheit und Grenzüberwachung der EU und ihrer Mitgliedstaaten eine kaum zu überblickende Vielzahl an Sensor- und Kommunikationsnetzwerken zur Lagebilderstellung geschaffen wurde, während sich noch kein zentrales Lagezentrum herauskristallisiert hat, in dem alle Informationen zusammenlaufen. EUNAVFOR MED ist sicher auch als Versuch zu verstehen, in dieser Auseinandersetzung eine Hoheit der EU-Militärbürokratie über die gesammelten Informationen und ihre Prozessierung zu erlangen.
Schnittstellen zur Terrorbekämpfung
Der Rat hat die Marinemission nicht nur angehalten, mit FRONTEX, EUROPOL und EUROJUST zusammenzuarbeiten, sondern auch Vereinbarungen „mit einschlägigen GSVP-Missionen“ zu schließen.[13] Unter diesen sind vor allem die EU-Einsätze zur Ausbildung malischer Soldaten (EUTM Mali) und Polizei- und Gendarmeriekräfte (EUCAP Sahel Mali), zur Verbesserung des Grenzschutzes in Libyen (EUBAM Libya), eine mit demselben Auftrag geplante Mission in Tunesien sowie die Mission EUCAP Sahel Niger zu verstehen, die bereits jetzt miteinander kooperieren und Informationen austauschen. Die Mission im Niger, die als erste der genannten im August 2012 begann, wurde zunächst mit der Bekämpfung des Terrorismus und der Organisierten Kriminalität begründet, im Mai 2015 jedoch verstärkt auf die Bekämpfung „illegaler Migration“ ausgerichtet.[14] Sie fungiert aber weiterhin als Knotenpunkt aller EU-Missionen im Sahel und auch als Schnittstelle zu anderen internationalen Akteuren, die häufig primär die Bekämpfung des Terrorismus verfolgen. Auch bei den Grenzschutzmissionen in Libyen und der geplanten in Tunesien verschwimmen beide Themen. Der EUTM-Einsatz in Mali hingegen zielt primär auf die Ausbildung jener Truppen, die anschließend unter französischer Koordination im Norden des Landes jene Gruppen bekämpfen, die gerade als terroristisch eingestuft werden. Die beteiligten französischen Truppen operieren (zumindest teilweise) im Rahmen der Operation Barkhane, welche die grenzüberschreitende Bekämpfung des Terrorismus in Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad zum Ziel hat. Mit derselben Aufgabe haben Frankreich und die USA u.a. im Niger, dessen Hauptstadt Niamey Standort der EUCAP-Mission ist, im Tschad und in Djibouti (bislang) unbewaffnete Drohnen vom Typ Reaper (und Harfang) stationiert.[15]
Zusammenfassend dient die Operation EUNAVFOR MED primär der Lagebilderstellung zwischen den Küsten Europas und Nordafrikas und als ein(er von verschiedenen) Handlungsrahmen für exekutives Vorgehen. Sie reiht sich damit ein in verschiedene weitere Maßnahmen der EU, ihrer Mitgliedstaaten und Verbündeten, zwischen dem Sahel und Europa eine zusammenhängenden Zone militärisch-geheimdienstlicher Überwachung mit quasi-polizeilichen Befugnisse für ihre Militärs zu schaffen, in der Aufgaben wie die Bekämpfung des Terrorismus und der Mobilität ineinander verschwimmen. Dass die Zusammenarbeit zwischen nationalen und internationalen, polizeilichen und militärischen Behörden und Organisationen dabei so reibungslos verläuft, wie es die offiziellen Dokumente suggerieren, ist kaum anzunehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass gerade auch in der Konkurrenz unter ihnen die Ursache für das völlig irrationale Ausmaß der Militarisierung der Region zu finden ist, die zugleich eine Entrechtung der Bevölkerung und Milliardengewinne für die Rüstungsindustrie mit sich bringt.
Der Artikel ist ein Vorabdruck aus Bürgerrechte & Polizei/CILIP 109. Das Schwerpunktheft zum Thema „Asyl, Migration und staatliche Gewalt in Europa“ erscheint voraussichtlich Ende September. Weitere Beiträge u.a. zum EU-Aktionsplan gegen Schlepper, zu Eurodac und dem Dublin-System, zur Vorverlagerung der Schleierfahndung, zu Abschiebungen und Abschiebehaft, zu Flüchtlingsprotesten etc., 112 Seiten, Einzelheft 8 Euro, Abo (3 Ausgaben) 21 Euro. Bestellen über www.cilip.de oder vertrieb@cilip.de oder per Post: Verlag CILIP · c/o Juristische Fakultät · Humboldt-Universität zu Berlin · Unter den Linden 6 · 10099 Berlin
Update: „Phase 2“
Laut Darstellung der Bundesregierung – ein Beschlussdokument hierzu liegt nicht vor – hat der Rat der Europäischen Union „am 14. September 2015 die Feststellung getroffen, dass die Voraussetzungen für den Phasenwechsel gegeben sind und der Übergang in die Phase 2 i) gemäß dem Beschluss des Rates (GASP) 2015/778 erfolgen kann“. Die Bundesregierung hat sich entschlossen, für den deutschen Beitrag zu Phase 2i ein Mandat des Bundestages einzuholen. Das Mandat sieht u.a. vor, auf Hoher See Schiffe anzuhalten, zu durchsuchen oder umzuleiten. Hierzu soll die Bundeswehr u.a. „Kräfte zum Anhalten und Durchsuchen“ bereithalten, außerdem sind Fähigkeiten des „Militärische[n] Nachrichtenwesen[s] einschließlich Abschirmung des Einsatzkontingents“ vorgesehen. Auch im Antrag der Bundesregierung zu Phase 2i wird die Seenotrettung nicht als Aufgabe genannt, sondern lediglich festgestellt, dass „für alle im Rahmen von EUNAVFOR MED eingesetzten Schiffe die völkerrechtliche Verpflichtung zur Hilfeleistung für in Seenot geratene Personen fort[gilt]“.
Das Völkerrecht findet sehr häufig Erwähnung im Antrag der Bundesregierung wie auch im Ratsbeschluss, womit die Bundesregierung und ihre EU-Partner eine Rechtsauffassung zum Ausdruck bringen, wonach es eben Aufgabe der Militärs sei, Boote mit Migranten aufzubringen, zu kontrollieren und umzuleiten und eine entsprechende Praxis im Mittelmeer etablieren. Die Rechtsquelle, auf die sich Bundesregierung und Rat dabei stützen, ist das Zusatzprotokoll vom 15. November 2000 gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, das im Januar 2004 in Kraft trat, nachdem es von 40 Staaten ratifiziert wurde. Von Umleiten und Beschlagnahmen ist darin jedoch keine Rede, es erlaubt lediglich, „geeignete Maßnahmen im Hinblick auf das Schiff sowie die an Bord befindlichen Personen und die an Bord befindliche Ladung zu treffen“, sofern „Beweise dafür gefunden werden, dass das Schiff für die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg benutzt wird.“ Ausdrücklich hält das Zusatzprotokoll fest, dass es nicht „die anderen Rechte, Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten von Staaten und Einzelpersonen nach dem Völkerrecht, namentlich dem humanitären Völkerrecht und dem Völkerrecht auf dem Gebiet der Menschenrechte und insbesondere, soweit anwendbar, de[n] … Grundsatz der Nichtzurückweisung“ berührt. Da eine entsprechende Operationalisierung und Praxis in Umsetzung der relativ neuen Rechtsquelle bisher so gut wie nicht stattgefunden hat, ist noch völlig unbestimmt, was etwa als Beweis aufzufassen ist und wie das Prinzip der Nichtzurückweisung Geltung erhalten kann. Grundsätzlich beziehen sich Übereinkommen und Zusatzprotokoll nur auf „Schleusungen“, die bandenmäßig und mit dem Ziel der „unmittelbaren oder mittelbaren Erlangung eines finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteils begangen“ werden, Fluchthelfer ohne kommerzielle Interessen dürften also im Mittelmeer nicht von der Bundeswehr behelligt werden. Auch hier ist aber völlig unklar, wie das in der – in diesem Fall quasi rechtssetzenden Praxis – umgesetzt werden soll.
Um all diese Fragen im Vorfeld zu klären, wird aber keine Zeit bleiben. Die erste Lesung des Antrags der Bundesregierung wurde auf Donnerstag, den 24.9.2015 festgelegt, vermutlich wird die zweite Lesung samt Abstimmung bereits in der Woche darauf stattfinden. Operationspläne und Einsatzregeln liegen den Abgeordneten nicht vor. Wahrscheinlich befinden sie sich noch in Ausarbeitung durch den EU-Militärausschuss und das PSK, welches zu einem späteren Zeitpunkt hinter verschlossenen Türen den Übergang in Phase 2 beschließen wird.
Anmerkungen
[1] EU-Kommission: Pressemitteilung v. 20.4.2015 (IP/15/4813)
[2] Pressemitteilung 204/15 des Rates v. 23.4.2015
[3] Faz.net v. 20.4.2015
[4] ausführlich hierzu: Christoph Marischka: Seenotrettung als Teil des Problems…, IMI-Standpunkt 2015/018 – in: AUSDRUCK (Juni 2015)
[5] Beschluss (GASP) 2015/778 des Rates vom 18. Mai 2015 über eine Militäroperation der Europäischen Union im südlichen zentralen Mittelmeer (EUNAVFOR MED), in: Amtsblatt der EU L 122 v. 19.5.2015
[6] Thomas de Maizière im Interview mit der Süddeutschen Zeitung v. 8.1.2015
[7] Alle Zitate in diesem Absatz: Beschluss (GASP) 2015/778 a.a.O. (Fn. 5). Das Auswärtige Amt verschickte am 10. Juli 2015 per Mail eine entsprechende „Stellungnahme zu den völkerrechtlichen Voraussetzung eines Vorgehens im Rahmen von Phase 2 der Operation EUNAVFOR MED“ an die Abgeordneten des Bundestages.
[8] BT-Drs. 18/5543 v. 6.7.2015
[9] Guardian v. 17.6.2015
[10] Europol-Pressemitteilung v. 1.7.2015
[11] BT-Drs. 18/5543 v. 6.7.2015
[12] BT-Drs. 18/ 5316 v. 23.6.2015
[13] Beschluss (GASP) 2015/778, a.a.O. (Fn. 5)
[14] Pressemitteilung 268/15 des Rates v. 13.5.2015
[15] ausführlicher zur EU-Politik im Sahel und den zugrunde liegenden Raumkonstruktionen: Marischka, C.: No Exit – No Voice? Die Bekämpfung des Terrorismus und der Migration im Sahel, IMI-Analyse 2015/028, in: AUSDRUCK 2015, Nr. 4 (August), www.imi-online.de/download/August2015_web.pdf