Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2014/067 - in: AUSDRUCK (Februar 2015)

Bahrein: Britische Militärbasis „Östlich von Suez“

Jürgen Wagner (16.12.2014)

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Als wichtiger westlicher Verbündeter war Bahrein eines der Länder, wo die Unterdrückung der Protestierenden während des Arabischen Frühlings im Westen kaum jemanden juckte. Unvergessen der Satz des hochrangigen EU-Diplomaten Robert Cooper, als er am 22. März 2011 im Auswärtigen Ausschuss des Europäischen Parlaments befragt wurde, was er denn zu den Vorgängen in Bahrein sage, wo seit Wochen mithilfe des saudischen Militärs Proteste brutal niedergeschlagen und Menschenrechte massiv verletzt wurden. Erst am Tag zuvor waren bei Auseinandersetzungen 200 Menschen verletzt und 4 getötet worden. Cooper tat dies lapidar mit dem Kommentar ab, “Unfälle kommen vor”. Aufschlussreich ist seine Begründung: “Man muss verstehen, dass die Autoritäten das Recht hatten, Ruhe und Ordnung wieder herzustellen und das ist es, was sie getan haben.”[1]

Bahrein beherbergt unter anderem das Hauptquartier der Fünften Amerikanischen Flotte und nun scheint auch Großbritannien das Land für sich entdeckt zu haben. Schon länger existiert dort eine lebhafte Debatte, die vor über vierzig Jahren stark zurückgefahrene Militärpräsenz „Östlich von Suez“ wieder massiv aufzustocken.[2] Schon vor einigen Jahren wurde in diesem Zusammenhang die Militärkooperation mit Bahrein ausgebaut, was von dem zentralen damaligen Strategiepapier aus dem Hause des einflussreichen „Royal United Services Institute“ (RUSI) als Schritt in die richtige Richtung gewertet wurde: „Im Oktober 2012 unterzeichnete [Verteidigungsminister] Hammond eine Vereinbarung zur Verteidigungskooperation mit Bahrain, die laut dem Minister für Internationale Sicherheitsstrategie, Dr Andrew Murrison, ‚einen Rahmen für das aktuelle und künftige Verteidigungsengagement liefert, einschließlich Training und Kapazitätsaufbau, um die Stabilität der gesamten Region zu verbessern.’“[3]

In Fortführung dessen, einigten sich beide Länder am 6. Dezember 2014 darauf, in Bahrein die erste britische Militärbasis in der Region seit dem weitgehenden Rückzug 1971 zu errichten. Anlässlich des Abkommens untermauerte der Vorsitzende des Verteidigungsstabes Nicholas Houghton, dass es sich hier um ein langfristiges Arrangement handelt: „Im Gegensatz dazu lediglich als zeitlich befristete Stationierung in einer Region für einen bestimmten operationellen Zweck betrachtet zu werden, steht dies vielmehr symbolhaft für die Tatsache, dass Großbritannien ein Interesse an der Stabilität der Region hat.“[4]

An der Tragweite des Vorgangs lässt auch der frühere indische Diplomat Melkulangara K. Bhadrakumars, ehemals unter anderem Botschafter in der Türkei, keine Zweifel aufkommen: „Die geopolitische Bedeutung dieser Entwicklung muss von mehreren Seiten her ermessen werden. Zweifellos hat Großbritannien hier in enger Abstimmung und Koordination mit den Vereinigten Staaten gehandelt […] Alles deutet darauf hin, dass sich ein neues anglo-amerikanisches Projekt im Irak und Syrien abzeichnen könnte, um eine neue Ordnung im Mittleren Osten zu errichten. Das Schreckgespenst des Islamischen Staates liefert den USA und Großbritannien das perfekte Alibi, um die westliche Vorherrschaft über den muslimischen Mittleren Osten mit neuem Elan aufrechtzuerhalten.“[5]

Während Bhadrakumars ganz augenscheinlich wenig Begeisterung für die neuen britischen Ambitionen aufbringt, sind europäische Geopolitiker wie James Rogers, Co-Direktor der einflussreichen „Group on Grand Strategy“[6], regelrecht euphorisch: „Die Frage sollte ohnehin nicht sein ob die führenden europäischen Mächte – Großbritannien und Frankreich – sich zunehmend auf die Region ‚Östlich von Suez‘ fokussieren sollten. Denn von einem geostrategischen Standpunkt ist die Antwort auf diese Frage absolut offensichtlich. Die europäischen Ökonomien sind extrem abhängig von Rohstoffen, Energieressourcen und Fertigerzeugnissen aus dem Mittleren Osten, Süd-, Südost- und Ostasien, weshalb der indische Ozean nicht ignoriert werden kann. […] Dieses Memorandum liefert die Grundlage für den Ausbau der langfristigen Präsenz der Royal Navy am Golf. […] Aller Wahrscheinlichkeit nach werden weitere Abkommen, besonders mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Oman, folgen, die künftig zusätzliche britische Militäranlagen beherbergen könnten, während London den Ausgriff des Landes in den Golf ‚befestigt‘.“[7]

Das bahrainische Königshaus ist augenscheinlich so begeistert von der Aussicht auf eine dauerhafte britische Präsenz, dass es sich bereit erklärt haben soll, für die Kosten zum Aufbau der Militärbasis in Höhe von 18 Mio. Euro selbst aufzukommen.[8] Auch das ist nicht weiter verwunderlich, dürfte mit dem Deal doch gleichzeitig ein britischer Persilschein für das Königshaus einhergehen, Proteste der schiitischen Bevölkerungsmehrheit weiter wie bisher mit aller Härte niederzuschlagen.[9] Insofern kann es natürlich ebensowenig überraschen, dass die Opposition das Abkommen scharf kritisiert. Unmittelbar nach Bekanntwerden gingen Aktivisten aus Protest auf die Straße, woraufhin die Polizei die Menge mittels Tränengas auflöste. Was den Kern des Deals anbelangt, macht sich die oppositionelle „February 14 Coalition“ jedenfalls keine Illusion und spart nicht mit scharfen Worten. Es handele sich um eine „dubiose Vereinbarung, die das wahre Ausmaß des kompletten Kniefalls der herrschenden Klasse gegenüber ausländischer Besatzung und Imperialismus offenbart.“[10]

Anmerkungen

[1] Rettman, Andrew: Top EU official defends Bahrain crackdown, euobserver, 23.03.2011.

[2] Vgl. Wagner, Jürgen: Empire Redux? Großbritannien will erneut die imperiale Bürde „östlich von Suez“ schultern, in: AUSDRUCK (Juni 2013), S. 25-27.

[3] Stansfield, Gareth/Kelly, Saul: A Return to East of Suez?, RUSI Briefing Paper, April 2013, S. 8.

[4] Johnston, Chris: Britain to build first permanent Middle East military base in four decades, The Guardian, 06.12.2014.

[5] Bhadrakumars, Melkulangara K.: Britain returns to the east of Suez, Indian Punchline, 07.12.2014.

[6] Vgl. zum Einfluss von Rogers und seiner „Groups on Grand Strategy“ Wagner, Jürgen: Grand Area. Ein imperiales Raumkonzept für die Weltmacht Europa, in: Wissenschaft & Frieden 2013/01, S. 11-14.

[7] Rogers, James: Britain, bases and Bahrain: a call to arms – or why we must relearn the art of geostrategic thinking, European Geostrategy, 13.12.2014.

[8] Johnston aaO.

[9] Siehe dazu etwa den World Report 2014: Bahrein von Human Rights Watch.

[10] Anger in Bahrain over first British base ‚east of Suez‘ in 40 years, Middle East Eye, 08.12.2014.

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