IMI-Standpunkt 2014/057
Pressestatement und Rede zum Globalen Aktionstag gegen Drohnen
Lühr Henken (13.10.2014)
1.10.14, Global Action Day Pressegespräch
Ich möchte zunächst einen kurzen Überblick über den aktuellen Planungsstand bei der Einführung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr geben. Auch unter der neuen Ministerin Frau von der Leyen strebt die Bundesregierung die Anschaffung oder die Anmietung von 16 bewaffnungsfähigen Drohnen an. Bis 2025 sind davon 10 für den Einsatz und sechs als Ersatz vorgesehen.[1] Welche der beiden Kampfdrohnen, die in der Endausscheidung sind, das Rennen machen werden, ist nach wie vor unklar. Ob es die US-amerikanische REAPER (Sensenmann) – sie wird favorisiert von der Luftwaffenführung – sein wird, oder ob die israelische HERON TP – bevorzugt von der Ministerin und führenden Verteidigungspolitikern von CDU und SPD – zum Zuge kommt, ist nicht entschieden. Entschieden ist, dass in dieser zehnjährigen Übergangszeit in Europa eine Kampfdrohne der nächsten Generation entwickelt werden soll, die am zivilen Luftverkehr teilnehmen kann und zur Selbstverteidigung fähig ist.
Wir von der bundesweiten Kampagne lehnen die Etablierung einer Drohnentechnologie zur Kriegführung, Überwachung und Unterdrückung ab.
Eine Anhörung im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages Ende Juni hat erbracht, dass mit der Einführung von Kampfdrohnen der Weg in die Autonomisierung beschritten wird, weil der Faktor Mensch schrittweise über Assistenzsysteme durch Software ersetzt wird – ein immer schwer zu stoppender Prozess, je weiter die Entwicklung voranschreitet.
Luftwaffe und Bundesregierung geben an, Kampfdrohnen für den unmittelbaren, ohne Zeitverzug notwendigen, Schutz von im Einsatz befindlichen Soldaten zu brauchen. Das ist jedoch nur eine Teilwahrheit. Weitergehende Szenarien sind bereits angedacht. So zum Beispiel zur Absicherung von Flugverbotszonen, im Gefechtsfeld zur Sicherung von erobertem Gebiet, im Stadtkampf und auf See. Spätere Szenarien befassen sich mit dem Luftkampf von Kampfdrohnenschwärmen. Generell zielt die Entwicklung auf den Ersatz von Kampfflugzeugen und Kampfhelikoptern durch Kampfdrohnen.
So wie diese zahlreichen Einsatzoptionen öffentlich kaum bekannt sind, zeichnet sich der Einsatz von Kampfdrohnen vor allem dadurch aus, dass er möglichst unentdeckt ablaufen und seine Folgen im Dunkeln bleiben soll.
So hat die US-Luftwaffe lediglich als einzige Zahlen öffentlich bekannt gegeben, dass sie in den vier Jahren von 2009 bis Januar 2013 zusammen 1.380 Waffeneinsätze mit Kampfdrohnen in Afghanistan ausgeführt hat. Wie viele Einsätze es davor, also seit 2001, oder seitdem gab, wird der Öffentlichkeit vorenthalten. Angaben über die Zahl Getöteter wurden nie veröffentlicht. Alle Angaben über US-Kampfdrohneneinsätze, sei es in Pakistan, Jemen, Somalia, Irak oder seit neuestem in Syrien resultieren aus der investigativen Arbeit der Bürgergesellschaften. Aus diesen Dokumentationen lässt sich klar ablesen, dass der Einsatz von US-Kampfdrohnen in Afghanistan zumindest in diesen vier Jahren von 2009 bis 2012 etwa viermal intensiver war als in allen anderen Ländern zusammengenommen. Hinzu kommen noch in Afghanistan britische Waffeneinsätze von Kampfdrohnen. Beide addieren sich auf 1.668 Waffeneinsätzen[2] in Afghanistan bei zeitgleich 305 in Pakistan. Daraus leitet sich ab, dass in diesen vier Jahren fast 85 Prozent aller Waffeneinsätze mit US-amerikanischen und britischen Kampfdrohnen in Afghanistan erfolgt sind. Afghanistan ist vom Drohnenkrieg mit Abstand am meisten betroffen. Da in Afghanistan das Steigenlassen von Drachen Volkssport ist, haben wir die symbolische Aktionsform „Drachen statt Drohnen“ gewählt.
Das britische Bureau of Investigative Journalism ermittelt pro Waffeneinsatz mit Kampfdrohnen in Pakistan eine durchschnittliche Tötungsrate zwischen 6 und 9,7 Personen.[3] Übertragen auf Afghanistan würden sich daraus allein für den Vierjahreszeitraum 2009 bis 2012 etwa 10.000 bis 16.000 Getötete ergeben. Legte man die Zahlen für den Jemen zugrunde, das sind 5,2 bis 6,4 Getötete pro Waffeneinsatz, käme man auf 8.600 bis 10.600. Somit liegt es nahe, dass man von etwa 10.000 Drohnentoten in dem Vierjahreszeitraum ausgehen kann, somit pro Jahr 2.500 im Durchschnitt. Genauere Zahlen ließen sich am besten durch Befragungen vor Ort abschätzen. Die gibt es aber nicht.
Das vorherrschende Bild, dass angeblich durch den Einsatz von Kampfdrohnen gezielter getötet werden könne als durch den Einsatz von Kampfflugzeugen, wodurch die Zahl der getöteten Unbeteiligten reduziert werden könnte, ist spätestens durch die Untersuchung von Larry Lewis aus dem Juli 2013 in Frage gestellt. Seine Analyse von US-Geheimmaterial über Luftangriffe mit Kampfdrohnen und Kampfflugzeugen in Afghanistan zwischen Mitte 2010 und Mitte 2011 ergibt, dass zehnmal mehr tote afghanische Zivilpersonen durch Kampfdrohnen verursacht wurden als durch Kampfflugzeuge.[4] Die Kampfdrohneneinsätze in Afghanistan und Pakistan werden mit den REAPERN geflogen, die die deutsche Luftwaffe haben will.
Wer nun denkt, die israelischen HERON TP seien weniger tödlich, dem sei entgegengehalten, dass die HERON TP noch größer ist als die REAPER.
Wir fordern die Bundesregierung auf, den Irrweg der Anschaffung von Kampfdrohnen erst gar nicht zu betreten, sondern sich konsequent international für deren Ächtung einzusetzen.
4.10.2014, Global Action Day – Berlin Reichstagswiese
Rede vor dem Reichstag 4.10.2014 zum Globalen Aktionstag
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir stehen hier, weil wir gegen Drohnen sind, die zur Kriegführung, Überwachung und Unterdrückung eingesetzt werden können. Wir wollen heute vor allem deutlich machen, dass wir gegen die Pläne der Bundesregierung sind, Kampfdrohnen für die Bundeswehr anzuschaffen. Die Regierung verfolgt dabei bekanntlich zwei Pläne. Einen bis zum Jahr 2025 und einen für die Zeit danach. Bis 2025 will sie 16 Kampfdrohnen kaufen oder leasen. Unentschieden ist, ob sie US-amerikanische REAPER (zu Deutsch Sensenmann) nimmt oder israelische HERON TP. Die israelische Kampfdrohne wird bevorzugt von der Ministerin und den führenden Verteidigungspolitikern von CDU und SPD und die REAPER ist die Favoritin der Luftwaffenführung. Für die Zeit nach 2025 will man auf in Europa entwickelte Kampfdrohnen zurückgreifen können, die am zivilen Luftverkehr teilnehmen und sich selbst verteidigen können. Wir wollen das nicht. Denn Kampfdrohnen markieren den Weg in ein komplett neues Waffensystem, das Kriege unterhalb der Schwelle zur Kriegserklärung erleichtert, das den Weg in ein neues Wettrüsten eröffnet, das noch heimlicher tötet und die reale Gefahr in sich trägt, dass der Mensch aus der Entscheidungsfindung durch Technik verdrängt wird. Am Ende entscheidet dann der Roboter über Leben und Tod. Diesen Irrweg lehnen wir ab und werden unseren Kampf dagegen verstärken!
Liebe Freundinnen und Freunde,
was den Kampf gegen die Einführung von Kampfdrohnen so schwer macht, ist die gekonnte Geheimhaltungspolitik derer, die sie einsetzen. Zwar haben die USA zeitweilig die Anzahl ihrer Kampfdrohneneinsätze veröffentlicht. Allerdings nur in Afghanistan für die vier Jahre von 2009 bis Ende 2012. Davor nicht und seitdem nicht mehr. So sind wir vor allem auf systematische Beobachtungen der Zivilgesellschaften in den betroffenen Ländern angewiesen. Eine Analyse beider Quellen lässt Rückschlüsse auf den Grad der Schäden zu, die Drohnen anrichten. Während die USA in Afghanistan in den vier Jahren 1.336-mal Kampfdrohnen eingesetzt haben, schlugen sie in Pakistan 305-mal zu. Das heißt in Afghanistan ist der US-amerikanische Drohnenkrieg etwa viermal so intensiv wie in Pakistan. Vom Drohnenkrieg ist Afghanistan am allerstärksten betroffen. Weil in Afghanistan das Steigenlassen von Drachen Volkssport ist, haben wir die symbolische Aktionsform, Drachen statt Drohnen steigen zu lassen, gewählt.
Zahlen über Drohnentote veröffentlichen die USA nicht. Aber Beobachtungen in Pakistan und im Jemen lassen den Schluss zu, dass pro Drohnenangriff durchschnittlich etwa sechs Personen getötet werden. Dokumentiert ist, dass es zusammen mit britischen Drohnenangriffen in Afghanistan in den Jahren 2009 bis 2012 1.668 Kampfdrohneneinsätze gegeben hat, so dass allein in diesen vier Jahren in Afghanistan etwa 10.000 Drohnentote zu beklagen sind. Alle diese Angriffe in Afghanistan, Pakistan, Jemen, Somalia, Irak und Syrien werden mit REAPERN ausgeführt. Dass sind die Kampfdrohnen, die die Luftwaffe hierzulande auch haben will. Wer meint, die israelische HERON TP sei eventuell weniger tödlich, dem sei gesagt, die HERON TP ist noch größer als die REAPER.
Zum Schluss: Ich wünsche mir von diesem weltweiten Aktionstag neue Impulse, um unseren Einsatz gegen Kampfdrohnen zu verstärken. Ich rufe euch auf, helft mit, Unterschriften unter den Appell „Kampfdrohnen ächten“ zu sammeln. Vielen Dank, dass ihr gekommen seid.
Anmerkungen
[1] Stuttgarter-zeitung.de, 27.9.2014.
[2] USA: 1336, Combined Forces Air Component Commander 2007-2012 Airpower Statistics (31.12.2012). GB: 332, Drohneneinsätze im Jemen 2009 – 2011: 11-14, 2012: 29-36.
[3] Bureau of Investigative Journalism.
[4] The Guardian, 2.7.2013.