Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2014/023 - in: AUSDRUCK (Juni 2014)

Weltweit aktiv! Gezielte Tötungen durch US-Spezialeinheiten

Michael Haid (14.05.2014)

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Bekanntlich sind gezielte Tötungen für die USA ein häufig angewendetes Instrument in ihrem so genannten Krieg gegen den Terror.[1] Insbesondere ihre Ausführung mittels Drohnen haben einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt und sind aus ethischen und rechtlichen Erwägungen heraus stark umstritten.[2] Das in London ansässige Büro für investigativen Journalismus bietet auf seiner Homepage regelmäßig aktualisierte Zahlen zu den Toten und Verwundeten des Einsatzes von Drohnen an. Danach seien mehrere Tausend Menschen bislang auf diese Weise getötet worden.[3] Etwas weniger bekannt dürften gezielte Tötungen durch US-Spezialeinheiten sein, weshalb an dieser Stelle kurz auf ihre immens gewachsene Bedeutung hingewiesen wird.[4]

Für die Politik der USA haben Spezialeinheiten und Drohnen einen hohen Stellenwert erlangt. Seit den Erfahrungen in Afghanistan und im Irak werden groß angelegte, lang andauernde und kostenintensive Militäroperationen nicht mehr priorisiert. So verwundert es nicht, dass die Zahl an Spezialeinheiten in den vergangenen Jahren stetig wuchs. Nach einer neuen Planung des US-Verteidigungsministeriums von März 2014 sollen die Spezialeinheiten auf eine Kopfstärke von 69.700 erhöht werden.[5]

Laut dem Enthüllungsjournalisten Nick Turse seien US-Spezialeinheiten gegenwärtig weltweit in 134 Staaten aktiv (zur Erinnerung: die UN zählt 193 Staaten). Die Angabe stammt von dem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Offizier beim US- Kommando für Spezialoperationen (SOCOM). Das seien fast 70 Prozent aller Länder dieser Erdeund bedeute einen Anstieg um 123 Prozent seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama.[6] Sehr aktiv sei das US-Militär in Afrika. Nach Informationen des Kommandeurs des US-Afrika-Kommandos in Stuttgart habe das US-Militär 2013 insgesamt 546 Aktivitäten auf dem Kontinent ausgeführt. Das seien im Durchschnitt etwa eineinhalb Missionen am Tag oder ein Anstieg von 217 Prozent seit das Regionalkommando 2008 eingerichtet wurde.[7] Mit Aktivitäten sind, um Missverständnisse zu vermeiden, nicht nur die Vornahme von gezielten Tötungen, sondern jegliches Tätigwerden von Spezialeinheiten in diesen Ländern gemeint (beispielsweise Festnahmen, Ausbildung, Beratung). Nick Turse hat aufseinem Blog TomDispatch.com eine sehr anschauliche Graphik über die globalen Einsätze von US-Spezialeinheiten zusammengestellt.[8]

Feststellbar ist in jedem Fall, dass die Zahl gewaltsamer Aktionen von US-Spezialeinheiten in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen ist. Nach Auskunft des US-Militärs seien 2009 insgesamt 675, 2010 1.780 und 2011 2.200 so genannter Capture/Kill-Missionen (Gefangennehmen/Töten) weltweit durchgeführt worden.[9] Allein im Jemen wurden seit 2009 nach einem Bericht von Human Rights Watch 86 Operationen  durch die CIA oder das Kommando für Spezialoperationen der USA unternommen, bei denen circa 500 Menschen getötet worden seien.[10] Das Büro für investigativen Journalismus zählt im Jemen durch 14 bis 79 verdeckte US-Operationen (Drohnen-Angriffe ausgenommen) insgesamt 150 bis 386 Tote, davon seien 59 bis 88 Zivilisten und 24 bis 26 Kinder gewesen; 22 bis 115 Personen seien verletzt worden. In Somalia seien von 2007 bis 2014 in 8 bis 11 verdeckten US-Operationen insgesamt 40 bis 141 Menschen getötet worden, darunter seien 7 bis 47 Zivilisten und maximal 2 Kinder gewesen; zusätzlich habe es noch 11 bis 21 Verletzte gegeben.[11]

Dieser kurze Überblick dient dazu, die Dimension der US-Politik gezielter Tötungen durch Spezialeinheiten zu verdeutlichen. Hierbei handelt es sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein systematisches und regelmäßiges Vorgehen. Auch sind die USA sicherlich nicht der einzige Staat, der mit diesen Mitteln vorgeht. Die USA wurden als Beispiel gewählt, weil sie eine weltweite Infrastruktur haben, diese ausbauen und das Programm gezielter Tötungen auszuweiten beabsichtigen. Dies ist auch deshalb von besonderem Interesse, da gegen die Bundesregierung häufig der Vorwurf zu hören war, dass sie im Rahmen der militärischen und geheimdienstlichen Kooperation mit den USA Beihilfe zur Politik gezielter Tötungen leiste.[12]

Anmerkungen


[1]     Für einen Überblick vgl. Jonathan Masters, Backgrounder: Targeted Killings, www.cfr.org, 23.05.2013 (28.04.2014).

[2]     Für Daten zu Ziviltoten mittels Drohnen vgl. Ben Emmerson, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism, Human Rights Council, A/HRC/25/59, 11 March 2014; für die Gefahr hinsichtlich des Schutzes von Menschenleben durch Drohnen vgl. Christof Heyns, Report of the Special Rapporteur on extrajudicial, summary or arbitrary executions, United Nations, General Assembly, A/68/382, 13 Septembre 2013.

[3]     Vgl. http://www.thebureauinvestigates.com/category/projects/drones/ (02.05.2014).

[4]     Weitergehend vgl. Jürgen Wagner, Die Rückkehr der Schattenkrieger. Spezialeinheiten als neue Speerspitzen des Interventionismus, IMI-Studie, Nr. 5/2013.

[5]     Vgl. Department of Defense, Quadrennial Defense Review 2014, Washington, March 4, 2014, http://www.defense.gov/pubs/2014_Quadrennial_Defense_Review.pdf, S. 17.

[6]     Vgl. Nick Turse, America’s Secret War in 134 Countries. The deployment of US Special Operations forces is a growing form of overseas power projection, www.thenation.com, 16.01.2014 (02.05.2014).

[7]     Vgl. Nick Turse,  U.S. Military Averaging More Than a Mission a Day in Africa, www.tomdispatch.com, 27.03.2014 (02.05.2014).

[8]     Vgl. Nick Turse, America’s Black-Ops Blackout. Unravelling the Secrets of the Military’s Secret Military, www.tomdispatch.com, 07.01.2014 (02.05.2014). Die Graphik findet sich hier: http://www.tomdispatch.com/images/managed/socommap4_large.jpg (Stand: 28.04.2014).

[9]     Vgl. Jonathan Masters, ebd.

[10]  Vgl. Human Rights Watch, A Wedding That Became a Funeral. US Drone Attack on Marriage Procession in Yemen,   February 2014.

[11]  Vgl.http://www.thebureauinvestigates.com/category/projects/drones/ (02.05.2014).

[12]  Vgl. Stefan Buchen / John Goetz / Niklas Schenk / Antonius Kempmann / Christian Fuchs, US-Drohnenkrieg läuft über Deutschland, daserste.ndr.de, 30.05.2013 (12.05.2014).

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