Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2014/006 - in: junge Welt 30.01.2014

Deutsche Militärparade bei Olympia

Christian Stache (30.01.2014)

Dieser Artikel erschien zuvor in der jw, und wird hier aus aktuellem Anlass in einer überarbeiteten Version mit Fußnoten wiedergegeben.

Bei den XXII. olympischen Winterspielen im russischen Sotschi vom 7. bis zum 23. Februar kommt es zum Showlaufen deutscher Militärs, Polizisten[1] und Zollbeamter[2]. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nominierte Ende Januar 152 deutsche Sportlerinnen (77) und Sportler (75) für die Wettkämpfe[3]. Davon stammen genau die Hälfte (76) aus den sogenannten Sportfördergruppen der Bundeswehr, darunter 32 Frauen und 44 Männer.[4] Zudem sind noch drei von acht potentiellen Nachrückern sowie drei Teilnehmer der Paralympics Sportsoldaten. Weitere 30 Olympioniken stellt die Bundespolizei und 13 der Zoll. Knapp 80 Prozent der deutschen Olympiamannschaft stellen damit die Exekutivorgane des deutschen Staates. Alle drei Gruppen sind im Vergleich zur letzten Winterolympiade vor vier Jahren im kanadischen Vancouver angewachsen.

In allen Sportarten, wenn auch nicht in jeder Medaillenkonkurrenz, gehen Militärs für die Bundesrepublik an den Start. In zahlreichen Disziplinen stellt die Bundeswehr aber die Hälfte oder mehr der Athleten. Besonders stark sind die Soldaten bei den männlichen Bobfahrern, den Biathlon-, Rodel-, Eiskunstlauf- und Ski Langlauf-Teams, den nordischen Kombinierern, der Curling-Auswahl und sogar unter den Snowboardern vertreten. Mehr als 50 Prozent der deutschen Frauen-Eishockeynationalmannschaft sind ebenfalls Mitglieder der militärischen Sportfördergruppen. Die männlichen Eisschnellläufer erhalten gleich alle ihren Sold vom Bundesverteidigungsministerium.

Die bekanntesten unter den Sportsoldaten sind die Biathleten und Hauptfeldwebel Andreas Birnbacher und Andrea Henkel sowie der nordische Kombinierer, Medaillenkandidat und Stabsunteroffizier Eric Frenzel. Die alpine Skiläuferin, Werbeikone und BILD-Zeitungsliebling Maria-Höfl Riesch ist seit einigen Jahren das Gesicht und Aushängeschild der Sportförderung des Zolls. Die renommiertesten Bundespolizisten sind die wegen mutmaßlichen Dopings umstrittene Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und der Biathlet Arnd Peiffer.

Erstmals in der Geschichte bezahlt die Bundeswehr auch drei Teilnehmer der Paralympics, den olympischen Spielen behinderter Sportler.[5] Noch im Dezember 2013 schloss der Inspekteur der Streitkräftebasis, Vizeadmiral Manfred Nielson, mit Dr. Karl Quade, dem Vizepräsidenten Leistungssport im Deutschen Behindertensportverband (DBS) eine Rahmenvereinbarung zur Förderung behinderte Sportler ab. Damit soll in Zukunft Nachsorge für Kriegsversehrte besonders medienwirksam verkauft werden.[6]

Die Mitwirkung der Militärs bei den olympischen Spielen beschränkt sich aber nicht nur auf die Sportler. Sie statten außerdem nach Turin 2006 und Vancouver 2010 zum dritten Mal die deutsche Olympia-Equipe mit der offiziellen Bekleidungskollektion aus.[7] Auf dem Luftwaffenstützpunkt im bayrischen Erding arbeiten seit Anfang Januar 40 Soldaten und zivile Bundeswehrmitarbeiter jeden Tag für den DOSB.

Die sogenannte Spitzensportförderung der Bundeswehr wurde für die Männer bereits 1968 vom Bundestag ins Leben gerufen. Frauen werden erst seit 1992 unterstützt.[8] Sie wird von der Streitkräftebasis organisiert. Das ist die Teilstreitkraft der Armee, die für alle militärischen Angelegenheiten an der „Heimatfront“, wie etwa die zivilmilitärische Zusammenarbeit im Inland, zuständig ist. In den 15 bundesweit verteilten militärischen Sportfördergruppen werden derzeit 744 Förderplätze, darunter 50 Trainerstellen, für Sportler olympischer und nicht-olympischer Disziplinen und sechs Förderplätze für Behindertenathleten zur Verfügung gestellt. Dazu kommen noch 40 „Dienststellen“ für „Stamm- und Führungspersonal“. Insgesamt lässt sich das Bundesverteidigungsministerium ihre Truppen für körperliche Ertüchtigung 32 Millionen Euro im Jahr kosten.

Die Spitzensportförderung ist laut Bundeswehr „unter anderem dadurch legitimiert, dass Erfolge deutscher Athletinnen und Athleten bei internationalen Wettbewerben das Bild Deutschlands in der Welt mitprägen und damit der gesamtstaatlichen Repräsentation dienen“[9]. Angesichts der regelmäßigen Berichterstattung über die Erfolge der Sportsoldaten in der hauseigenen Wochenzeitung des Bundesverteidigungsministeriums, „aktuell“[10], tragen diese auch zur psychologischen Stärkung des Korpsgeistes bei. Nach außen betreiben die Militär-Athleten natürlich Werbung für den „Arbeitgeber Bundeswehr“. So sind sie vertraglich angehalten, dass Bundeswehr-Logo auf ihrer Freizeit- und Sportkleidung „z.B. bei öffentlichkeitswirksamen Auftritten“[11] und seit 2000 auch bei Olympia „deutlich sichtbar zu tragen“. Der neuen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die der Personalgewinnung bekanntlich „eine besondere Priorität“[12] einräumt, passt dies natürlich hervorragend ins Konzept.

Nahezu unverblümt sprach der amtierende Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) – und damit wohl der weltweit einflussreichste Sportfunktionär – Dr. Thomas Bach aus, was der Zweck besoldeter Athleten ist: „Weit über die gewonnenen Titel und Medaillen hinaus geben die Erfolge der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ein attraktives Gesicht.[13] Sie tragen das Bild einer demokratischen, sympathischen und der Verständigung verpflichteten Bundeswehr in alle Welt. Innerhalb der Bundeswehr dienen die Soldatinnen und Soldaten als hervorragende Vorbilder für Erfolge durch Leistung, Disziplin und Organisationsfähigkeit. Damit fördern sie einen gesunden Patriotismus ohne Nationalismus.“

Anmerkungen


[1] Bundespolizei:, www.bundespolizei.de/DE/04Spitzensport/spitzensport_node.html.

[2] Zoll, www.zoll.de/DE/Der-Zoll/Zollskiteam/Zoll-und-Spitzensport/zoll-und-spitzensport_node.html.

[3] DOSB (25.1.2014), www.dosb.de/de/olympia/olympische-spiele/winterspiele/sotschi-2014/news/detail/news/olympiamannschaft_erhaelt_keine_zusaetzlichen_startplaetze/.

[4] Pressemitteilung der Streitkräftebasis der Bundeswehr vom 23. Januar 2014: Olympianominierung der deutschen Wintersportler für Sotschi 2014.

[5] Gemeinsame Pressemitteilung der Streitkräftebasis der Bundeswehr und des Deutschen Behindertensportverbands e.V. National Paralympic Committee Germany vom 12. Dezember 2013: Bundeswehr und Deutscher Behindertensportverband vereinbaren intensivere Zusammenarbeit.

[6] Streitkräftebasis (18.12.2013): Gleich gestellt, www.streitkraeftebasis.de.

[7] Streitkräftebasis (23.1.2014): Farbenfroh nach Sotschi, www.streitkraeftebasis.de.

[8] Broschüre der Bundeswehr „Spitzensportförderung in der Bundeswehr – Basisinformation“ (März 2013), S. 1.

[9] Ebd.

[10] Bundeswehr aktuell: Archiv, www.bundeswehr.de.

[11] Broschüre der Bundeswehr „Spitzensportförderung in der Bundeswehr – Basisinformation“ (März 2013), S. 6.

[12] BMVg (24.1.2014): Die Personalgewinnung im Blick: Ministerin von der Leyen besucht Karrierecenter, www.bmvg.de.

[13] Broschüre des Bundesverteidigungsministeriums „Konstant in der Erfolgsspur. Die Spitzensportförderung der Bundeswehr“ (September 2010), S. 9.

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Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de