IMI-Standpunkt 2013/057 - in: AUSDRUCK (Oktober 2013)
Kissinger-Professur: Gefährlicher Präzedenzfall
Jürgen Wagner (15.10.2013)
Vor einiger Zeit wurde bekannt, das Verteidigungs- und das Außenministerium hätten beschlossen, eine Kissinger-Stiftungsprofessur an der Uni Bonn einzurichten (siehe AUSDRUCK, August 2013). Schon allein aufgrund der zahlreichen schweren Menschenrechtsverletzungen, derer sich Henry Kissinger in seiner Zeit als nationaler Sicherheitsberater und US-Außenminister schuldig gemacht hat, war die Empörung hierüber groß und es hat sich mittlerweile ein Protestbündnis gegen die Einrichtung der Stiftungsprofessur gebildet.
Nachdem unlängst die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen veröffentlicht wurde, sind nun auch weitere Infos durchgesickert, die den ganzen Vorgang noch problematischer machen (Drucksache 17/14706). Als Ziel des Unterfangens gibt die Bundesregierung an: „Mit der Professur soll die außen- und sicherheitspolitische Ausbildung gestärkt und zugleich ein Beitrag zur Verbreitung des außen- und sicherheitspolitischen Bewusstseins sowie zur Vertiefung des transatlantischen Verhältnisses geleistet werden.“
Die Professur werde für fünf Jahre eingerichtet, Kostenpunkt 300.000 Euro jährlich, wobei 250.000 das Verteidigungs- und 50.000 das Außenministerium übernehmen. Wie aus den Angaben der Bundesregierung hervorgeht, finanziert das Verteidigungsministerium (außerhalb der Bundeswehr-Unis) keine anderen Professuren, wodurch der ganze Vorgang umso mehr Gewicht erhält: „Mit anderen Worten: Bei der vom Verteidigungsministerium an die Uni Bonn herangetragenen Professur handelt es sich um einen Präzedenzfall. Um einen Tabubruch, würden die Kritiker sagen.“
In diesem Zusammenhang ist die berechtigte Sorge, dass das Verteidigungsministerium als Geldgeber Druck ausüben wird, damit im Rahmen der Professur auch militäraffine Forschungsergebnisse produziert werden. Einen solchen Verdacht weist Matthias Herdegen, Direktor am Bonner Institut für Völkerrecht, der laut Universitätsangaben mit für die Einrichtung der Stiftungsprofessur verantwortlich sein soll, natürlich weit von sich. Beim Onlineportal Telepolis (15.09.2013) wird er folgendermaßen zitiert: „Im laufenden Betrieb hat der Geldgeber keinen Einfluss auf Forschung und Lehre oder die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen.“
Diese Aussage darf aber getrost bezweifelt werden, so zitiert Telepolis weiter aus einer Untersuchung des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfahlen aus dem Jahr 2011: „‘Bei der Besetzung der Stiftungsprofessuren sowie bei deren inhaltlicher Ausrichtung waren teilweise erhebliche Einflussnahmen der Stifter festzustellen‘, hieß es im entsprechenden Jahresbericht. Der Landesrechnungshof forderte, dass durch die Annahme und Fortführung von Stiftungsprofessuren die Wissenschaftsfreiheit der Hochschulen nicht beeinträchtigt werden dürfe.“