Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Studie 2012/17

Weltpolitik und Waffenexporte

Deutsche Machtpolitik und die Konfessionalisierung von Konflikten am Persischen Golf

Julian Engerer (06.12.2012)

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Es schlug große Wellen, als im Juli 2011 der Beschluss des Bundessicherheitsrates bekannt wurde, mindestens 200 Leopard 2 Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern. Aus der Opposition und selbst aus den Reihen der Koalition regte sich heftiger Widerstand gegen diesen Deal. Eigentlich galt der Grundsatz, keine Waffenexporte in Spannungsgebiete zu genehmigen, der zwar immer wieder umgangen wurde, aber zumindest auf dem Papier Bestand hatte. Inzwischen wurde aber deutlich, dass dieser Grundsatz nicht nur wie befürchtet aufgeweicht werden soll, sondern dass die Bundesregierung mit einer neuen außenpolitischen strategischen Zielsetzung, die sie im sogenannten „Gestaltungsmächtekonzept“ öffentlich machte, einen kompletten sicherheitspolitischen Kurswechsel forciert. Am 30.07.2012 berichtete der Spiegel folgerichtig über die Möglichkeit einer Panzerlieferung in das Emirat Katar.[1] Die Argumente für ein solches Geschäft waren dieselben wie bei Saudi-Arabien: Es gehe um die Unterstützung der angeblich die Region stabilisierenden Golfmonarchien, die sich mit dem Gulf Cooperation Council (GCC) zu einer strategischen Allianz zusammengeschlossen haben.

Laut Auswärtigem Amt soll der „Golfkooperationsrat (…) Frieden und Sicherheit in der Region (…) fördern.“[2] Tatsächlich geht es aber um die Erweiterung des strategischen Einflusses Deutschlands im Nahen und Mittleren Osten[3].

Denn die deutsche Regierung sieht, wie auch die USA, im GCC einen verlässlichen Partner, der die Hegemonialbestrebungen des Iran eindämmen und im Sinne westlicher Interessen Einfluss auf die Region ausüben soll. Eine solche Politik ist jedoch auf kurzfristige strategische Einflussnahme gerichtet, zementiert die Bildung verfeindeter Blöcke, verhindert den politischen Dialog und fördert das Wettrüsten am Persischen Golf.

Im Zuge dieses Vorgehens werden vereinfachende Kategorisierungen regionaler Konflikte in den Kontext geopolitischer Erwägungen gestellt. Im Falle des Nahen und Mittleren Ostens wird der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten zum einen von den Westmächten dazu genutzt, strategische Einflusssphären zu definieren und zum anderen von den GCC-Staaten instrumentalisiert, um innenpolitische Proteste auf repressive Weise zu bekämpfen. Indem schiitischen Minderheiten generell Loyalität zum Iran unterstellt wird, kann die Niederschlagung genuin zivilgesellschaftlicher Proteste als Verteidigung gegen iranische Aggression legitimiert werden. Der Westen geht auf dieses Spiel ein und verfolgt mit der klaren Parteinahme für die konservativen, sunnitischen und angeblich gemäßigten Regime in der Golfregion eine „Teile und Herrsche“-Politik, die fatale Folgen für die ganze Region mit sich bringen könnte.


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
2. Gestaltungsmächte am Persischen Golf
3. Merkel-Doktrin: Einflussnahme durch Rüstungsexporte
4. Neustrukturierung des Mittleren Ostens: Waffen wider die Menschenrechte
5. Der Golfkooperationsrat und die regionale Konfliktkonstellation
6. Die Politisierung konfessioneller Konflikte
7. Fazit

Anmerkungen

[1]Deutschlands gefährlichster Exportschlager, Spiegel, 30.07.2012, www.spiegel.de
[2]Der Golfkooperationsrat, 24.09.2012, www.auswaertiges-amt.de
[3]Es gab große Debatten über die exakte regionale Zuordnung bei den Begriffen Naher und/oder Mittlerer Osten. Die Diskussionen speisen sich aus jeweiligen politischen Sichtweisen und den theoretischen Grundlagen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen wie der Kulturgeographie, Soziologie und der Politikwissenschaft. In dieser Studie soll der Einfachheit halber die weitgehend im medialen Diskurs gebräuchlichen Begriffe verwendet werden. In diesem Sinne soll Naher Osten die Region der Levante, d.h. Israel, Libanon, Syrien und Jordanien beschreiben und Mittlerer Osten den Großraum dessen was im englischsprachigen Diskurs häufig als Greater Middle East oder MENA (Middle East North Africa) bezeichnet wird, d.h. die arabischen Mittelmeer- und Golfanrainer sowie den Iran.

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