[0350] Bundeswehr-Umbau / Reader Zivilkausel
(07.07.2011)
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Online-Zeitschrift „IMI-List“
Nummer 0350 ………. 15. Jahrgang …….. ISSN 1611-2563
Hrsg.:…… Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner
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Archiv: ……. https://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1) ein Reader zu den Auseinandersetzungen um eine Zivilklausel in Tübingen;
2) Ein Artikel zur Feinausplanung des Bundeswehr-Umbaus und ein Beitrag darüber, wie der mit Sparzwängen begründete Prozess über Buchungstricks zu einer Erhöhung des Militärhaushaltes führen dürfte.
1) Reader: Zivilklausel in Tübingen
Mittlerweile gibt es zahlreiche Aktivitäten, Aktionen und Auseinandersetzungen rund um die Zivilklausel in Tübingen (und anderswo). Aus diesem Grund haben wir einen Reader erstellt, in dem wir das wichtigste Material zusammengetragen haben und der hier heruntergeladen werden kann: http://imi-online.de/download/Reader-Zivilklausel.pdf
2) Zwei Texte zum Umbau der Bundeswehr
IMI-Standpunkt 2011/033
Realsatire Bundeswehr-Umbau: Sparzwang entpuppt sich als Erhöhung des Militärhaushalts
https://www.imi-online.de/2011.php?id=2320
7.7.2011, Jürgen Wagner
Angeblich erfolge der gegenwärtig in der Feinausplanung befindliche Generealumbau der Bundeswehr vor allem aus einem Grund: um Kosten einzusparen und den Rüstungshaushalt dauerhaft massiv abzusenken – so hieß es jedenfalls von offizieller Seite stets. Tatsächlich geht es bei der ganzen Übung vor allem darum, die Bundeswehr effizienter, also kriegsfähiger zu machen, weshalb man von Kosteneinsparungen immer weniger wissen will (siehe auch IMI-Analyse 2011/027). Schon kurz nach Veröffentlichung der „Eckpunkten für die Neuausrichtung der Bundeswehr“ sickerte durch, Verteidigungsminister Thomas de Maiziere und Finanzminister Wolfgang Schäuble hätten sich bezüglich der Sparvorgaben auf eine aus Sicht der Bundeswehr akzeptable Lösung verständigt. Am 6. Juli veröffentlichte der Tagesspiegel nähere Details, die zeigen, dass von Sparen nun wirklich keine Rede mehr sein kann.
Zur Erinnerung: zu den 81,6 Milliarden Euro, die die Bundesregierung bis 2014 einsparen will, sollte die Bundeswehr laut Beschluss vom Juni 2010 eigentlich 8,3 Milliarden beitragen. Ein erstes Präsent wurde der Truppe noch unter Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg überreicht, indem ihr eine „Fristverlängerung“ bis 2015 genehmigt wurde. „Das klingt nach wenig, führt aber dazu, dass der Verteidigungshaushalt von heute nominal 31,5 Milliarden Euro bis 2015 nur auf 30,4 Milliarden sinkt – die alte Zielmarke 2014 hätte zu nominal 27,6 Milliarden Euro geführt“, so der Tagesspiegel. Damit wird der Etat jedoch um 2,6 Milliarden über dem Haushalt von 2006 liegen. Hier von drastischen Einsparungen zu reden, ist, vorsichtig formuliert, gewagt.
Doch es kommt noch besser: Kostenreduzierungen sollen vor allem im Personalbereich erzielt werden, denn die Ausgaben für die Beschaffung neuer Rüstungsgüter will man auf keinen Fall reduzieren. Da man diese Mitarbeiter aber nicht einfach feuern kann, entstehen hier weiter Kosten, die aber nun nicht dem Militärbudget, sondern dem Bundeshaushalt angelastet werden sollen, wie der Tagesspiegel weiter berichtet: „[Schäuble] überweist de Maizière bis 2015 jährlich eine Milliarde. Die Summe schrumpft mit jedem Zivilen, der einen Job im öffentlichen Dienst außerhalb der Bundeswehr findet. Schäuble hat deshalb im Kabinett eine Regelung durchgesetzt, nach der jedes Bundesressort, das eine neue Stelle schafft, erst einmal im Bundeswehr-„Überhang“ nach einem geeigneten Kandidaten suchen muss.“
Wer sich jetzt noch nicht vom Spareifer der Bundeswehr veräppelt fühlt, für den gibt es abschließend noch ein besonderes Schmankerl. Die „Eckpunkte“ legen eine Bundeswehr-Zielgröße der von 170.000 Zeit- und Berufssoldaten plus – je nach Erfolg der Rekrutierungsanstrengungen – 5.000 bis 15.000 Freiwillige. Nach Angaben des Tagesspiegel soll der Bundeshaushalt augenscheinlich sogar für die Gehälter aller angeworbenen Freiwilligen aufkommen, die über der Untergrenze liegen: „Diesen Überfluss zahlt ebenfalls Schäuble aus dem allgemeinen Haushalt – rund 2500 Euro im Monat pro Mann oder Frau.“ Eine kurze Nebenrechnung (10.000*2500*12) ergibt für dieses Geschenk jährliche Kosten von noch einmal 300 Mio. Euro, sollte es der Bundeswehr gelingen, die Maximalzahl an Freiwilligen zu werben. Je erfolgreicher die Bundeswehr demzufolge rekrutiert und dabei größer wird, desto stärker entlastet sie ihren Haushalt, absurder geht es wohl kaum mehr.
Abschließend das Spardrama in Zahlen: Der Etat der Bundeswehr, der angeblich ein finanzieller Kahlschlag ungeahnten Ausmaßes verordnet wurde, wird sich im Jahr 2015 im Extremfall real auf 31,7 Milliarden Euro belaufen, mehr als heute und fast vier Milliarden über dem Haushalt des Jahres 2006!
IMI-Analyse 2011/027
Die Bundeswehrreform in der Feinplanung
Die nächsten Schritte zur Steigerung der deutschen Kriegsfähigkeit
https://www.imi-online.de/2011.php?id=2319
7.7.2011, Christian Stache
Bundesverteidigungsminister und Clausewitz-Anhänger Thomas de Maizière treibt die Neuausrichtung der Bundeswehr voran. Nachdem am 18. Mai 2011 mit den Verteidigungspolitischen Richtlinien die politisch-militärische Richtung und mit den „Eckpunkten für die Neuausrichtung der Bundeswehr“ der administrative Rahmen vorgegeben worden ist, forcieren die Chefplaner der Hardthöhe jetzt die Ausplanung der Reformen in elf Einzelprojekten. Die Imagekampagne und Rekrutierungsbemühungen der Bundeswehr gehen unvermindert weiter. Das Nachwuchsproblem der Truppe ist trotz verbesserter Rekrutierungszahlen jedoch noch nicht gelöst. Die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) stimmt unterdessen in den Chor der Reformunterstützer ein und fordert von der Bundesregierung „mehr Effizienz“ und mehr Soldaten für den Kriegseinsatz – und bestätigt damit das primäre Ziel der Umbaupläne.
Am 1. Juli 2011 wurde die Wehrpflicht nach 55 Jahren zwar nicht abgeschafft, aber vorübergehend ausgesetzt. Eine wesentliche Maßnahme der sogenannten Neuausrichtung der Bundeswehr ist damit bereits umgesetzt worden. Die nächsten Schritte folgen auf dem Fuße. Am 10. Juni hat der Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière in der Berliner Julius-Leber-Kaserne in einer feierlichen Zeremonie die zuvor entworfenen Aufträge für die anstehenden elf Projekte zur Feinausplanung der „Eckpunkte“ bekannt gegeben.[1] Den Projektleitern – und wahrscheinlich späteren Leitern der von 17 auf neun reduzierten Abteilungen im Bundesverteidigungsministerium (BMVg) – wurden Steckbriefe überreicht, mit denen die Ausgangslage, Zielsetzung, Schnittstellen, der Zeitplan, die Aufwandsabschätzung, ein möglicher externer Beratungsbedarf sowie die Verantwortlichen und Teammitglieder der jeweiligen Projekte definiert worden sind. Wie die konkreten Aufgaben erledigt werden, entscheidet der Projektleiter weitgehend unabhängig und nur in Abstimmung mit den anderen Abteilungschefs, dem Arbeitsstab Strukturreform (ASR) und dem sogenannten Lenkungsausschuss.
Lenkungsausschuss, ASR und die elf Projektgruppen
Der Lenkungsausschuss ist das höchste verantwortliche Gremium für die Bundeswehrreform und trägt die Verantwortung für die Gesamtstrategie, entscheidet über Zwischenschritte und bereitet Entscheidungen des Ministers vor. Unter der Leitung des Bundesverteidigungsministers trifft er die zentralen Entscheidungen bei der Umsetzung der Reform. Ihm gehören Thomas de Maizères enger Vertrauter, Staatssekretär Stéphane Beemelmans, der zweite Staatssekretär Rüdiger Wolf und der oberste Soldat im deutschen Staate und baldige Oberkommandierende der Bundeswehr, Generalinspekteur Volker Wieker, an.
Der Arbeitsstab Strukturreform untersteht dem Lenkungsausschuss und wird von Vizeadmiral Manfred Nielson und Ministerialdirigent Christoph Reifferscheid (Stellvertreter) geleitet. Er soll die bisherigen Planungen zu den wesentlichen Aspekten der Strukturreform in einem integrativen bundeswehrgemeinsamen Gesamtkonzept zusammenführen.[2]
Beide Kommissionen haben den Zweck, den Reformprozess zu koordinieren und die Projektleiter bzw. -gruppen in ihrer Arbeit zu unterstützen. Dazu werden dem ASR und dem Lenkungsausschuss regelmäßig Berichte über den Fortgang der Projekte vorgelegt.
Die elf Projektgruppen befassen sich mit folgenden Themen: Neuordnung der Streitkräfte, Stationierungskonzept, Organisation des BMVg, Personalmanagement/Nachwuchsgewinnung, Reformbegleitprogramm, Bildungs- und Qualifizierungslandschaft, Rüstung Nutzung IT, Infrastruktur und Dienstleistungen, Überprüfung Rüstungs- und Beschaffungsvorhaben, Reservistenkonzeption sowie Steuerung und Controlling. Eine hausinterne Klausurbesprechung am 31. August soll die Umsetzung der Projekte zum Herbst sicherstellen.
Planungsprioritäten: Bundeswehrkonzeption, Neuorganisation des BMVg und Stationierungskonzept
Bei einer Personalversammlung im BMVg Ende Juni wiederholte Thomas de Maizière seine Position, dass die Feinausplanung der Konzeption der Bundeswehr, die Struktur des Verteidigungsministeriums und das Stationierungskonzept jetzt oberste Priorität besäßen. Erst dann könne über konkrete Personalmaßnahmen gesprochen werden.
Die Neuordnung der Bundeswehr sieht eine Reduktion des Gesamtumfangs der Bundeswehr auf maximal 185.000 Mann (von derzeit 220.000), weiterhin fünf Teilstreitkräfte mit jeweils einem Führungskommando unter Wegfall einer Führungsebene, Einsparungen von Hierarchieebenen inklusive Reduzierung von Generals-/Admiralsdienstposten sowie deutliche Kürzungen des Zivilpersonals von derzeit 76.000 auf 55.000 vor. Zudem sollen die neuen Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Befehlshaber (ehemals Inspekteure) neu definiert und die Einsatzführung und nationale Operationsführung für alle Einsatzarten sowie die dazugehörigen Kommandobehörden verbessert werden.
Laut SPIEGEL hat Generalinspekteur Wieker in seinem jüngsten Entwurf, der „Weisung zur Ausplanung der Streitkräfte“, für das Heer 55.850 (derzeit 79.300), für die Luftwaffe 21.800 (derzeit 37.660), für die Marine 12.500 (derzeit 16.600), für die Streitkräftebasis 37.300 (derzeit 69.639) und für den Sanitätsdienst 13.750 (derzeit 23.465) eingeplant. Zudem verstärken noch 2.500 Reservisten die Bundeswehr, die de Maizière ursprünglich in die Gesamtstärke der Truppe von 170.000 Mann (plus 5-15.000 Freiwilligendienstleistende) einrechnen ließ.[3]
Das Stationierungskonzept, das aufgrund eingeplanter Schließungen von 60 Standorten in der Koalition besonders sensibel gehandhabt wird, soll nach einer Leitungsklausur im BMVg in der letzten Septemberwoche bekannt gegeben werden. Bislang hat das Ministerium verlautbaren lassen, dass nicht nur militärisch-operative und ökonomische Kriterien über Erhalt oder Schließung entscheiden sollen, sondern auch die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber und ihre Präsenz in der Fläche. Bereits in die Standortauswahl fließen offensichtlich Überlegungen zur Nachwuchsgewinnung und Attraktivitätssteigerung ein, wie auch Generalinspekteur Volker Wieker im Interview mit dem Deutschlandradio bestätigte.[4]
Außerdem setze de Maizière bei der Umsetzung des Stationierungskonzepts laut SPIEGEL auf Ausgleichslösungen für die betroffenen Gemeinden, etwa auf gemeinsame Forschungsprojekte mit der Luft- und Raumfahrtindustrie. Besonders gebeutelte Kommunen sollten auf diese Weise geschont werden.[5] Die „Kommunikation“ des neuen Stationierungskonzepts – d.h. die öffentlichkeitswirksame Vermittlung von Entlassungen und Standortschließungen – zählt daher neben dessen Erarbeitung und Billigung zu den zentralen Aufgaben der Projektgruppe „Stationierungskonzept“, die von Generalleutnant Norbert Finster ebenso geleitet wird wie das Projekt „Neuordnung der Bundeswehr“.
Die Neuorganisation des BMVg wird federführend von Ministerialdirigent Christoph Reifferscheid ausgeplant. Neben der Überarbeitung und neuen Definition überwiegend administrativer Zuständigkeiten werden von den derzeit 3.200 Dienstposten beim BMVg 1.200 gekürzt. Bis zum 1. Oktober dieses Jahres sollen die organisatorischen Grundlagen für die zukünftige Struktur des Ministeriums vorliegen. Die Durchführung ist dann bis März 2012 geplant. Dabei sollen Parallelstrukturen von alt und neu vermieden werden.
Nachwuchsgewinnung, Attraktivitätssteigerung und Imagekampagnen
Mit der Aussetzung der Wehrpflicht entfällt das bis dato zentrale Rekrutierungsinstrument der Bundeswehr. Aus diesem und einigen anderen Gründen, wie der zunehmenden Konkurrenz der Bundeswehr mit „normalen“ Unternehmen um junge Arbeitskräfte oder dem demographischen Wandel, werden die Gewinnung neuer sowie die Bindung bereits dienender Soldaten ein Schwerpunkt der Bundeswehrreform.
Deshalb befassen sich zwei der weiteren acht Projektgruppen unter der Leitung von Generalleutnant Wolfgang Born mit verschiedenen Aspekten der Nachwuchsgewinnung, des „Personalmanagements“ und der Attraktivitätssteigerung der Bundeswehr für Bundeswehrangehörige und potentielle Rekruten.
Mit dem Projekt Personalmanagement/Nachwuchsgewinnung soll ein eigener Organisationsbereich „Personal“ kreiert werden. Ziel sei die „Schaffung einer den Erfordernissen der Bundeswehr angepassten bundeswehrgemeinsamen Personalgewinnungsorganisation.“[6] Dabei geht es um die Bündelung von fachlicher und organisatorischer Verantwortung, die konsequente Verschränkung des militärischen und zivilen Personalmanagements, die Einrichtung eines bundeswehrgemeinsamen Personalamts sowie die Integration und Konzentration der Abrechnungsarten in Servicezentren (Besoldung, Entgelt, Beihilfe, unentgeltliche truppenärztliche Versorgung, Beschädigtenversorgung, Dienstzeitversorgung, Familienkasse, einigungsbedingte Sonderaufgaben). Bislang wird die Nachwuchsgewinnung von den vier Zentren für Nachwuchsgewinnung in Berlin (Ost), Hannover (Nord), München (Süd) und Düsseldorf (West) sowie dem Zentrum für Nachwuchsgewinnung für die Marine in Wilhelmshaven organisiert, die alle dem Personalamt der Bundeswehr unterstehen. Die Personalverwaltung wird derzeit z.T. ebenfalls vom Personalamt geleistet, ist aber zusätzlich auf verschiedene andere Teilorganisationen der Bundeswehr und Bundeswehrverwaltung verteilt.
Das zweite Projekt, das für neue Rekruten und eine gesteigerte Attraktivität der Bundeswehr von Bedeutung ist, trägt den Titel „Bildungs-und Qualifizierungslandschaft“. „Vom Hauptschüler bis zum Uniabsolventen“ soll das (Aus)Bildungs- und Weiterbildungsangebot kompakt und einheitlich Menschen mit allen Qualifikationen ansprechen und fortbilden können. Welche Rolle z.B. die Bundeswehrhochschulen für die Bundeswehrwerbung und die Anziehungskraft der Bundeswehr auf junge Menschen als „Spitzensegment der Bildung und der Nachwuchswerbung/-gewinnung“ spielt, erörterte der Bundesverteidigungsminister kurz in einer Rede an der Universität der Bundeswehr in Hamburg am 30. Juni: „Die Qualität unserer Universitäten strahlt weit über die Bundeswehr hinaus. Die Helmut-Schmidt-Universität, hier in Hamburg ebenso wie die Schwester-Universität in München, bieten Rahmenbedingungen, um die Sie viele Studenten in unserem Land beneiden. Unsere Bundeswehr-Universitäten sind attraktiv. So attraktiv, dass manche hier studieren wollen, obwohl sie vorerst nicht das Ziel haben, Soldat zu werden.“[7] Außerdem, so schlussfolgerte de Maizière, stärke akademische Bildung den militärischen Führer.
Allerdings dient die Bildungsreform der Bundeswehr nicht nur Werbezwecken. Die Schwerpunkte des Projekts – bundeswehrgemeinsame Führungskräfteentwicklung, Potenzialausschöpfung in einem ungeteilten Personalkörper, Verbesserung der Wiedereingliederung von Zeitsoldaten (u.a. durch allgemein anerkannte Qualifikationen), erweiterte Durchlässigkeit der Laufbahnen – sollen auch der Ausbildung und der schnellen flexiblen sowie zuverlässigen Versorgung mit eigenen Arbeitskräften sicherstellen, die die Bundeswehr in Konkurrenz mit Unternehmen nicht für sich gewinnen kann.
Unklare Rekrutierungslage
Die Personalsituation der Bundeswehr ist momentan umstritten. Während Generalinspekteur Volker Wieker im Deutschlandradio mit der Bewerberentwicklung sowohl bei den Freiwilligendienstleistenden als auch bei den Zeit- und Berufssoldaten nach „entmutigenden“ Zahlen im ersten Halbjahr 2011 jetzt „sehr zufrieden“ ist[8], äußerte sich z.B. der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), im Cicero besorgt über die Personalentwicklung: „Fakt ist: Die Zahlen sind bisher bei weitem nicht ausreichend. Und ich sehe auch nicht, wie diese Situation in nächster Zeit geändert werden könnte.“[9]
Zahlen zur aktuellen Personalentwicklung schießen derzeit wie Unkraut aus dem Boden ebenso wie die daran anknüpfenden Problemdiagnosen und Maßnahmenkataloge. Der Stern berichtete z.B., dass sich zum 1. Juli bereits über 10.000 Jugendliche freiwillig verpflichtet hätten, darunter allerdings mehr als 4.000 ehemalige Wehrdienstleistende.[10] Hellmut Königshaus will BMVg-Informationen zufolge von lediglich 1.800 Freiwilligendienstleistenden wissen.[11] Die Bundeswehr publizierte hingegen am 4. Juli auf ihrer Internetseite eine Gesamtzahl von 3.419 Freiwilligen, die zum 1. Juli ihren Dienst angetreten hätten[12], und beziffert die Gesamtzahl aller Freiwilligendienstleistenden auf 13.916, darunter 5.700 ehemalige Wehrdienstleistende.[13] „Die Personalgewinnung der Zeitsoldaten ist auch im Jahr 2011 zufriedenstellend“, so die Bundeswehr weiter.[14] Die Militärs gehen laut Oberst Ulrich Hirsch, dem Bundesvorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbands, von jährlich 60.000 benötigten Bewerbern bei zwischen 15.000 und 20.000 benötigten neuen Soldaten (Regenerationsbedarf ohne zivile Mitarbeiter) – Freiwilligendienstleistende plus Zeit- und Berufssoldaten – aus.[15]
Insgesamt scheint sich die Personalsituation im Vergleich zum Frühjahr, als politische und militärische Vertreter der Aussetzung der Wehrpflicht und der unsicheren Personalsituation mit Schrecken begegneten, ein wenig entspannt zu haben. Dies geht nicht nur auf den von Thomas de Maizière im Vergleich zu Karl-Theodor zu Guttenbergs Planungen reduzierten Bedarf und auf die mittlerweile festgelegten aufgebesserten Konditionen für die Freiwilligendienstleistenden bei der Bundeswehr zurück. Vielmehr dürften auch die Millionen schwere Werbe- und Imageoffensive sowie die Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes bei der Bundeswehr zu Beginn des Jahres eine wesentliche Rolle gespielt haben.[16] Sowohl der neue[17] als auch der alte Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD), fordern dennoch mehr Geld für Werbung und „lukrative Angebote“[18] für Jugendliche. Armin Trost, Experte für Employer Branding und Professor für Human Ressource Management an der Hochschule Furtwangen, bescheinigte der Bundeswehr im Handelsblatt außerdem, dass sie „Probleme bekommen werde“[19], weil der Aufbau des Images als Arbeitgeber bislang nicht ausreiche angesichts des großen Umbruchs bei der Armee. Ob das Anfang Juli veröffentlichte neue Selbstverständnis der Bundeswehr „Wir.Dienen.Deutschland.“[20] ausreicht, um das Image der Militärs aufzupolieren und Jugendliche zu gewinnen, wollte Trost gar nicht erst beurteilen. Den Militärs ist aber offensichtlich an einer ideologischen Ergänzung der materiellen Angebote durch einen modernen Patriotismus gelegen, um Akzeptanz und Rückhalt für die Truppe an der Heimatfront zu schaffen.
Schützenhilfe durch die Europäische Verteidigungsagentur
Die Bundeswehrreformer bekamen am 3. Juli unerwartet ideologischen Flankenschutz von der Europäischen Verteidigungsagentur. Wie die Wirtschaftswoche berichtete, sei die Bundeswehr im innereuropäischen Vergleich, z.B. mit Frankreich oder Großbritannien, ineffizient und teuer.[21] Der Studie zufolge sind in der Bundesrepublik 7.000 Soldaten gleichzeitig einsatzfähig, während es in Großbritannien 22.000 und in Frankreich 30.000 Soldaten sind. Zudem sei für einen Bundeswehrsoldat im Krieg die Arbeit von 35 weiteren Soldaten und 15 zivilen Mitarbeitern erforderlich. In Frankreich seien es nur acht und zwei, in Großbritannien neun und vier. Dabei gäbe die Bundesregierung derzeit nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für den Unterhalt der Armee aus, während Frankreich 2 und Großbritannien 2,5 Prozent des BIP in den bewaffneten Arm ihrer Politik investierten.
Zwar zweifelte vor allem der Verteidigungsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, die Ergebnisse einer komparativen EDA-Studie an.[22] Allerdings stützen die zeitlich geschickt publizierten Resultate das Vorgehen und die Argumentation der Bundesregierung. Auch Generalleutnant a.D. Hans-Heinrich Dieter, ehemals u.a. Kommandeur des Kommando Spezialkräfte (KSK), nahm die EDA-Studie zum Anlass, in die Vollen zu gehen: „Die Freiwilligenstreitkräfte Bundeswehr sollen durch diese Reform nun wirklich effizienter und einsatztauglicher werden. Jammern über die Zahlen hilft jetzt genauso wenig wie das Rechten über die Parameter der EU-Studie. Gefragt ist eine große politische und militärische Kraftanstrengung, die auch Geld kostet.“[23] Mindestens drei grundlegenden Zielen der Bundeswehrreform wird mit den Zahlen der EDA somit Nachdruck verliehen: der Steigerung der Zahl einsatzfähiger Soldaten (auf 10.000), der Konzentration der Fähigkeiten in wenigen Händen und der gesteigerten Effizienz im Einsatz der finanziellen und personellen Mittel. Von den Einsparungen im Militäretat, die ursprünglich einmal als Anlass für die Reform angeführt wurde, spricht mittlerweile niemand mehr.
Anmerkungen
[1] http://tinyurl.com/3sdcd75
[2] http://tinyurl.com/3aoqks2
[3] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-78832417.html
[4] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/idw_dlf/1495657/
[5] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-78954498.html
[6] http://tinyurl.com/3rvxe6x
[7] http://tinyurl.com/449cafr
[8] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/idw_dlf/1495657/
[9] http://www.cicero.de/%E2%80%9Edie-armee-ist-eine-chance-f%C3%BCr-migranten%E2%80%9C/42195?item=6310
[11] http://www.cicero.de/%E2%80%9Edie-armee-ist-eine-chance-f%C3%BCr-migranten%E2%80%9C/42195?item=6310
[12] http://tinyurl.com/3oh4lzq
[13] http://tinyurl.com/3ohj8xa
[14] a.a.O.
[15] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1496301/
[16] Vgl. http://imi-online.de/2011.php?id=2257 und https://www.imi-online.de/2011.php?id=2259
[17] http://www.cicero.de/%E2%80%9Edie-armee-ist-eine-chance-f%C3%BCr-migranten%E2%80%9C/42195?item=6310
[18] http://www.tagesschau.de/inland/robbebundeswehr100.html
[19] http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/die-bundeswehr-wird-probleme-bekommen/4338560.html
[20] http://tinyurl.com/3hc9cdf
[21] http://www.wiwo.de/politik-weltwirtschaft/bundeswehr-ist-ineffizienteste-nato-armee-471756/
[23] http://www.hansheinrichdieter.de/html/teurebundeswehr.html