Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Mitteilung, 14.4.2008

BUKO 2008

Schwerpunkt zum "Sicherheitssektor EU" auf dem diesjährigen Kongress der Bundeskoordination Internationalismus

Informationsstelle Militarisierung (14.04.2008)

Der Kongress der Bundeskoordination Internationalismus findet dieses Jahr an Pfingsten, vom 9.-12.5.2008, an der Universität Dortmund statt. Die IMI hat sich in die Vorbereitung eingebracht und gestaltet einen Themenschwerpunkt „Sicherheitssektor EU“.

Der Aufruf und die Unterstützer des BUKO 31 sind hier zu finden:
http://www.buko.info/kongress/buko31/buko31.html

Alle Workshops, die bislang angemeldet wurden, sind hier aufgelistet:
http://www.buko.info/kongress/buko31/deutsch/workshops.php

Themenschwerpunkt: Sicherheitssektor EU?

Im April und Mai 2008 werden Bundestag und Bundesrat den EU-Reformvertrag (Vertrag von Lissabon) verabschieden. Eine breite gesellschaftliche Diskussion über dessen Inhalt und Bedeutung wird – aller Voraussicht nach – nicht stattfinden. Dabei hat es der Vertrag in sich: er schreibt eine schrittweise Aufrüstung aller Mitgliedsstaaten vor, ermöglicht den Einsatz der Armeen im europäischen In- und Ausland und sieht die Einrichtung eines gemeinsamen Rüstungshaushaltes vor. Schon heute werden EU-Militärmissionen beschlossen, ohne dass dies überhaupt in größerem Maßstab bekannt würde, jüngst in der Zentralafrikanischen Republik Tschad und in Guinea-Bissau.

Im Kern ist die EU allerdings ein neoliberales Projekt, das sich der gewaltsamen Öffnung externer Märkte, der militärischen Absicherung der Rohstoffwege und der Unterstützung der eigenen Industrien einschließlich ihrer „kritischen Infrastrukturen“ nicht zuletzt gegen deren eigene Belegschaften verpflichtet hat.

Die EU hat Grenzen niedergerissen – für Waren und Kapital. Doch Schengen und auch das europäische Recht können jederzeit außer Kraft gesetzt werden, wenn sich ein Staat in seiner Sicherheit bedroht fühlt. Auch andere Grenzen wurden aufgeweicht, nämlich diejenigen, welche die Gewaltorgane der Mitgliedsstaaten an ein Territorium und eine Rechtsordnung banden. Auch die nationalen Armeen und Rüstungsindustrien haben sich aufeinander zu bewegt und damit vermutlich tatsächlich einen innereuropäischen Staatenkrieg verunmöglicht. Der Preis hierfür scheinen allerdings kontinuierliche militärische „Stabilisierungsmaßnahmen“ jenseits zu sein. Die EU wird nicht in Frieden existieren und analog zur Formel, dass Äußere und Innere Sicherheit nicht mehr zu trennen seien, wird sie auch in ihrem Inneren keinen Frieden mehr finden. Entsprechend ist auch keine Zeit für demokratische Verfahren oder individuellen Rechtsschutz. Es muss entschieden regiert werden mit effizienten Verfahren und effektiv verwaltet werden mit „best practices“.

Grund genug, sich mit der neuen Herrschaftsstruktur vertraut zu machen – freilich ohne mit ihr Frieden zu schließen. Wir glauben, dass ein Leben und Widerstand im Sicherheitssektor EU möglich ist. Das skeptische Desinteresse, das Teile der Linken der EU bislang entgegengebracht haben, erweiterte nur den Spielraum ihrer SicherheitsagentInnen und überließ die beschränkten Möglichkeiten der Partizipation auf europäischer Ebene überwiegend unwidersprochen mächtigen und finanzstarken LobbyistInnen. Eine europäische Opposition von unten als Antwort auf eine supranationale Governance-Struktur von oben entwickelt sich nur langsam und träge. Vielleicht auch, weil dieser die Ideen fehlen, wie die EU zu kritisieren ist, ohne auf nationalstaatliche Modelle der Partizipation, der Grundrechte und der Sozialpolitik zurückzufallen. Wie kann auf die Entgrenzung von Oben mit einer sozialen und emanzipatorischen Ent-Grenzung von Unten reagiert werden? Diese Frage möchten wir auf diesem BUKO stellen. Und wir wollen die EU in ihren einzelnen Politikbereichen darstellen, bloßstellen, ein- und angreifbar machen.

Veranstaltungen mit IMI-Beteiligung auf dem BUKO:

Freitag, 09.05.2008, 17:00-18:30h
Crashkurs EU:
Wie funktioniert die EU in den verschiedenen Themenfeldern; wie kann man die EU kritisieren? Vorstellung der Veranstaltungen mit EU-Bezug auf dem BUKO. Mit möglichst vielen ReferentInnen der folgenden Veranstaltungen mit EU-Bezug.
diverse

Samstag, 10.05.2008, 10:00-11:30
FRONTEX – vernetzte Sicherheit gegen Flüchtlinge
Als praktische Umsetzung der Doktrin der „vernetzten Sicherheit“ verstärkt Frontex nicht nur die Außengrenzen (der „Festung Europa“?) sondern auch den Zugriff auf die Bevölkerung innerhalb der EU. Die Agentur verkörpert ein neues Leitbild Innerer Sicherheit, welches ein effizientes Regieren jenseits rechtlicher Beschränkungen und demokratischer Partizipation der Regierten selbst ermöglichen soll.
Neben den Grundstrukturen der Frontex-Agentur sollen auch die Konsequenzen sichtbar gemacht werden, die ihre Errichtung für Flüchtlinge und MigrantInnen in den Transit- und auch schon in den Herkunftsstaaten hat. Mittlerweile regt sich aber auch internationaler Protest. Die Agentur ist angreifbar.
Christoph Marischka (Informationsstelle Militarisierung)

Samstag, 10.05.2008, 12:00-13:30
Bewegungen an den Grenzen – EU-Migrationspolitik und Widerstand in afrikanischen Ländern
Fast täglich ist in den Medien vom „Kampf gegen illegale Migration“, von angeblich immer erfolgreicheren Einsätzen der EU-Grenzschutzagentur Frontex gegen Bootsflüchtlinge und zurückgehenden Asylbewerberzahlen in den Kernländern der EU, insbesondere in Deutschland, zu lesen. Über die Lebensgeschichten hinter den steigenden Zahlen der Toten im Mittelmeer, im Atlantik, in der Wüste und an den Landgrenzen der EU, über die massiven Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen und erst recht über Gruppen und Netzwerke, die versuchen, dieser mörderischen EU-Migrationspolitik etwas entgegen zu setzen, ist dagegen selten etwas zu hören.
Wir möchten deshalb in diesem Workshop am Beispiel Marokkos nicht nur die schreckliche Realität an den EU-Außengrenzen darstellen, sondern auch von den Motiven, Zielen und Aktivitäten der MigrantInnen und von AktivistInnen, die mit ihnen zusammen arbeiten, berichten. Conni Gunßer hat Gruppen an den Grenzen besucht, an Diskussionen und Aktionen vor Ort teilgenommen und wird auch Fotos davon zeigen.
Conni Gunßer (Flüchtlingsrat Hamburg und euro-afrikanisches Migrations-Netzwerk)

Samstag, 10.05.2008, 12:00-13:30
Konzernmacht EUropa
Auf welche Weise trägt die EU zu wachsender Armut, zur Ausbreitung prekärer Beschäftigung, zu Lohndumping und zum Ausverkauf öffentlichen Eigentums bei? Inwiefern profitieren die europäischen Konzerne von der Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU und warum geht dies auf Kosten der Bevölkerung? Lydia Krüger (wissenschaftlicher Beirat von Attac & Mitarbeiterin der Europaabgeordneten Sahra Wagenknecht) wird einige Gründe benennen und die wirtschaftliche Dynamik der Union beschreiben. Jürgen Wagner von der Informationsstelle Militarisierung beschreibt, wie sich Wirtschaftsinteressen in einer aggressiven Außenpolitik der EU niederschlagen.
Lydia Krüger, Jürgen Wagner (Informationsstelle Militarisierung)

Samstag, 10.05.2008, 17:00-19:00
No Border, No Nation, No War?
Podium zur Bewertung der Europäischen Union aus internationalistischer Perspektive

Die EU hat Grenzen niedergerissen und dafür neue errichtet. Sie beschränkt die Handlungsfreiheit der Nationalstaaten aber gibt ihnen auch neue Machtmittel an die Hand. Sie könnte als Katalysator für eine Internationalisierung auch von Unten dienen, erzeugt aber zugleich nationale Ressentiments. Sie hat neue Formen der Beteiligung eröffnet, die v.a. von professionellen Wirtschaftslobbyisten genutzt werden. Sie hat Kriege verunmöglicht, führt aber permanent Interventionen. Wie ist diese EU aus internationalistischer Sicht zu bewerten?
Mit: Bernd Drücke (Graswurzelrevolution), Kamil Majchrzak (Krise und Kritik), Karl Kopp (Pro Asyl), Conni Gunßer (Flüchtlingsrat Hamburg und euro-afrikanisches Migrations-Netzwerk)

Sonntag, 11.05.2008, 10:00-11:30
Das EUropa der Polizeien – Zur EUropäischen Sicherheitsarchitektur
„Europas Sicherheit“ wird nicht nur militärisch ‚am Hindukusch‘ verteidigt. Zur „europäischen Sicherheitsarchitektur“ gehören weit reichende Veränderungen europäischer Polizeizusammenarbeit.
Als Folge von 9/11 wird behauptet, die „innere und äußere Sicherheit“ müssten zukünftig als gemeinsame Angelegenheit verhandelt werden (Merkel, Schäuble, Ziercke). Diese Doktrin wird umgesetzt mit mehr Armeeeinsätzen im Innern, mehr Polizei im Ausland, elektronischem Datenaustausch aller Polizeibehörden der EU, mehr Kontrolle im Internet, „Harmonisierung“ nationaler Gesetze gemäß EU-Vorgaben, nachhaltigem „Border Management“ etc. Neue Institutionen und Technik wollen delinquentes Verhalten mittels „Risiko-Analyse“ sogar im Vorfeld identifizieren und unterbinden.
Der deutsche EU- und G8-Vorsitz 2007 mit Innenminister Schäuble und EU-Kommissar Frattini als Protagonisten haben bei der Planung und Umsetzung neuer Maßnahmen zur „Intra-EU-Security“ eine wichtige Rolle gespielt.
Der Workshop gibt einen Überblick über neue Einrichtungen, Tendenzen, Methoden,
Verabredungen und Verträge europäischer Polizeizusammenarbeit.
IMI/Gipfelsoli

Sonntag, 11.05.2008, 12:00-13:30
„Gescheiterte Staaten“ und der neue Kolonialismus
Die Interventionen der EU betreffen vorwiegend sog. scheiternde und gescheiterte Staaten, nichts geringeres als der Aufbau neuer Gesellschaften und Staatlichkeit wird als Aufgabe der Soldaten und ihrer Verbündeten definiert. Ismail Küpeli wird kritisch das Konzept der „Gescheiterten Staaten“ und die darin implizierten Vorstellungen von Souveränität und Legitimität darstellen. Im Anschluss soll es um die konkreten Bedingungen einiger Einsätze und mögliche Gegenstrategien gehen.
Ismail Küpeli, Christoph Marischka (Informationsstelle Militarisierung)

Sonntag, 11.05.2008, 15:00-16:30
Die EUropäische Kriegspolitik nach dem Reformvertrag
Der EU-Reformvertrag, der bis zum BUKO auch in Deutschland bereits ratifiziert sein wird, verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Aufrüstung, ermöglicht einen eigenen Militäretat der Union und fordert ein militarisiertes Kerneuropa (Ständige Strukturierte Zusammenarbeit). Welche Entwicklungen sind zu erwarten und welche Gegenstrategien sind denkbar?
Tobias Pflüger (Informationsstelle Militarisierung), Jürgen Wagner (Informationsstelle Militarisierung) und Adolf Riekenberg (Koordinierungskreis Attac)

Sonntag, 11.05.2008, ab 17:00
Gegen den NATO-Gipfel 2009 in Kehl und Strassburg
Offenes Vernetzungstreffen zur Gegenmobilisierung

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