Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Mitteilung

Mailkampagne gegen den EU-Reformvertrag

IMI (14.02.2008)

Liebe Freundinnen und Freunde

Die Zeit drängt! Am 25. April soll der „neue“ EU-Vertrag, der „Lissabonner Vertrag“, der auch „EU-Reformvertrag“ genannt wird, im Bundestag und am 23. Mai im Bundesrat ratifiziert werden. Der Lissabonner Vertrag stimmt in allen wesentlichen Punkten mit dem EU-Verfassungsvertrag überein, der in Frankreich und den Niederlanden in Referenden abgelehnt wurde. Die globalisierungskritische Bewegung und die Friedensbewegung kritisierten den EU-Verfassungsvertrag und damit auch den Lissabonner Vertrag als neoliberal, militaristisch und undemokratisch.

Bislang fand in Deutschland aber auch EU-weit kaum eine öffentliche Diskussion über die Inhalte des Vertrages statt. Deshalb wollen wir die Tage vor der Abstimmung dazu nutzen, kritischen Positionen Gehör zu verschaffen. Dies ist umso notwendiger, weil der Vertrag einem friedlichen und sozialen Europa ein Absage erteilt. Denn der Lissabonner Vertrag ist

– UNDEMOKRATISCH:
Der Vertrag wurde erneut im stillen Kämmerlein unter Ausschluss der europäischen Öffentlichkeit ausgehandelt. Er ignoriert die Voten in Frankreich und den Niederlanden und soll (mit Ausnahme Irlands) ohne Zustimmung der Bevölkerung ratifiziert werden.

– NEOLIBERAL:
Mit dem Lissabonner Vertrag wird eine bestimmte – und zwar die neoliberale – Wirtschaftsform festgeschrieben. In Artikel 98 etwa heißt es: „Die Mitgliedstaaten und die Union handeln im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb.“ Während sich hierdurch die eklatanten sozialen Schieflagen innerhalb Europas weiter verschärfen werden, soll die weltweite Armut ausgerechnet durch „die Integration aller Länder in die Weltwirtschaft [und] den schrittweisen Abbau internationaler Handelshemmnisse“ (Artikel 10a) bekämpft werden. Hierdurch wird jedoch, wie allgemein bekannt ist, die Armut weiter zunehmen.

– MILITARISTISCH:
Der Vertrag bestimmt, dass Truppen von EU-Mitgliedstaaten für weltweite Militär- und Kampfeinsätze zur Verfügung stehen müssen. Der Vertrag schreibt den Mitgliedsstaaten vor, ihre Militärausgaben zu erhöhen und räumt dem Europäischen Parlament keine Mitentscheidungsrechte in außen- und militärpolitischen Fragen ein. Darüber hinaus eröffnet er auch noch die Option für Militäreinsätze innerhalb der Europäischen Union („Solidaritätsklausel“).

Es gibt also viele gute Gründe, diesen Vertrag abzulehnen (noch mehr finden sich in dieser ausführliche Analyse: https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse-31-2007.pdf)

Noch ist es nicht zu spät. Werden Sie jetzt aktiv.

1. Informieren Sie bitte die Bevölkerung ihrer Heimatstadt, KollegInnen, Nachbarn usw. über die Inhalte des Vertrages. Drucken Sie bitte dazu folgendes Flugblatt aus (https://www.imi-online.de/download/EU-Reformvertragsflyer.pdf) und schicken Sie bitte diese Mail an Ihre Freunde und Bekannte weiter!

2. Fordern Sie bitte ihre/n örtliche/n Bundestagsabgeordnete/n dazu auf, gegen den Vertrag zu stimmen oder sich wenigstens dafür einzusetzen, dass die Öffentlichkeit an diesem Prozess beteiligt wird. Senden Sie ihm bitte diesen Brief mit seiner umfangreichen Ablehnungsbegründung schriftlich oder per e-mail zu. Nutzen Sie hierfür folgenden Link:

http://www.schritte-zur-abruestung.de/2008/eu-email.php

(Sie können den Brief natürlich auch mit persönlichen Formulierungen ergänzen oder umformulieren)

Der EU-Verfassung wurde im Jahr 2005 eine Absage erteilt! Sagen Sie bitte auch jetzt Nein zum Lissabonner Vertrag und dem damit einhergehenden Ausverkauf demokratischer und sozialer Rechte! Sagen Sie bitte auch jetzt Nein zum Lissabonner Vertrag und der damit einhergehenden EU-Militär- und Kriegspolitik! Für ein friedliches und demokratisches Europa von unten!

Unterstützende Gruppen:
Attac Deutschland, Aktionsbündnis Sozialproteste (ABSP), Deutsche Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), AG Frieden Trier, , Friedensgruppe Lüdenscheid, Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg, Informationsstelle Militarisierung (IMI), internationale sozialistische linke (isl), Pax Christi Bistum Trier

Es folgt der Textvorschlag an die Bundestagsabgeordneten, der über http://www.schritte-zur-abruestung.de/2008/eu-email.php bequem verschickt werden kann.

Sehr geehrte(r) Herr/Frau,

am 25. April entscheidet der Bundestag über den so genannten Lissabonner Vertrag, auch EU-Reformvertrag genannt. Der Vertrag ist undemokratisch, aus sozialer Sicht hochproblematisch und er wird die Militarisierung der Union entscheidend weiter vorantreiben. Deshalb möchte ich Sie hiermit bitten, gegen diesen EU-Vertrag zu stimmen oder sich wenigstens dafür einzusetzen, dass die Öffentlichkeit an diesem Prozess beteiligt wird.

Undemokratisch
Obwohl der EU-Verfassungsvertrag im Jahr 2005 von der französischen und niederländischen Bevölkerung abgelehnt wurde, soll nun versucht werden, mit dem sog. Reformvertrag (auch: „Vertrag von Lissabon“) seine wesentlichen Inhalte in kaum abgewandelter Form durch die Hintertür zu verabschieden. Der Reformvertrag ist nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen, er ignoriert das Votum in Frankreich und den Niederlanden und wurde erneut im stillen Kämmerlein unter Ausschluss der europäischen Öffentlichkeit ausgehandelt. Selbst die Bundesregierung räumt in einer Presseerklärung (7.11.2007) unumwunden ein: „Der Begriff ‚Verfassung für Europa‘ war nach der Ablehnung bei den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden nicht mehr haltbar. Das erklärte Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft war es aber, die Substanz der Verfassung zu erhalten. Dies konnte erreicht werden.“

Sozialpolitisch kontraproduktiv
Mit dem Lissabonner Vertrag wird eine bestimmte – und zwar die neoliberale – Wirtschaftsform festgeschrieben, obwohl damit seit Jahrzehnten eine Verarmung weiter Teile der Bevölkerung innerhalb der Europäischen Union, vor allem aber in der sog. Dritten Welt einhergeht. In Artikel 98 etwa heißt es: „Die Mitgliedstaaten und die Union handeln im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb.“ Besonders perfide ist es, wenn der Reformvertrag in Artikel 10a angibt, die Europäische Union bekenne sich zu dem „vorrangigen Ziel, die Armut zu beseitigen“, nur um im nächsten Satz als zentrale Maßnahme hierfür folgendes zu benennen: „die Integration aller Länder in die Weltwirtschaft zu fördern, unter anderem auch durch den schrittweisen Abbau internationaler Handelshemmnisse.“ Es ist allgemein bekannt, dass diese Maßnahmen die weltweite Armut vergrößern, sich aber als hochprofitabel für die europäischen Großkonzerne erwiesen haben. Gleichzeitig ist diese Armut, wie selbst die Weltbank mittlerweile einräumt, der wichtigste Grund für das Ausbrechen gewaltsamer Konflikte in der Dritten Welt, die dann wiederum militärisch „befriedet“ werden müssen, um den Dampfkessel der Globalisierungskonflikte unter Kontrolle zu halten.

Militarisierung durch die Hintertür
Sämtliche bereits an der EU-Verfassung kritisierten Militarisierungsaspekte wurden auch in den Lissabonner Vertrag übernommen. Kernpunkte der Kritik waren und sind:

– Weltweite EU-Kampfeinsätze mit nahezu unbegrenztem Aufgabenspektrum: Artikel 28b, Absatz 1 benennt u.a. „gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen“, „Kampfeinsätze“ und „Operationen zur Stabilisierung der Lage“ sowie „die Unterstützung für Drittländer bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet“ als Aufgabenspektrum künftiger EU-Kriege.

– Militäreinsätze im Inneren: In Artikel 188 wird festgeschrieben, dass die EU „alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel“ mobilisiert, um „terroristische Bedrohungen im Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten abzuwenden“. Dies bedeutet nichts anderes als den möglichen Einsatz von Militär im Inneren der EU zur Abwendung von so genannten Terrorgefahren. Damit soll EU-vertraglich eine weitere Militarisierung der EU-Innenpolitik ermöglicht werden.

– Vertragliche Aufrüstungsverpflichtung: Artikel 28a, Absatz 3 enthält erneut die bis dato einmalige Verpflichtung, mehr Gelder in den Rüstungssektor zu investieren: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ Die bereits 2004 eingerichtete EU-Rüstungsagentur soll die Einhaltung dieser Vorschrift überwachen und im Lissabonner Vertrag primärrechtlich verankert werden.

– Endgültige Einrichtung eines EU-eigenen Militärhaushalts: Der bislang noch gültige Nizza-Vertrag verbietet die Aufstellung eines EU-Militärhaushalts, was sich bislang als erheblicher Hemmschuh für die Militarisierung der EU erwiesen hat. Deshalb wird im Lissabonner Vertrag (Artikel 28, Absatz 3) der Europäischen Union erstmalig die Möglichkeit eröffnet, einen als „Anschubfonds“ bezeichneten EU-eigenen Militäretat aufzustellen.

– Keine parlamentarische Kontrollmöglichkeit von EU-Militäreinsätzen: Über EU-Militäreinsätze entscheiden allein die Staats- und Regierungschefs der EU. Das Europäische Parlament hat im Lissabonner Vertrag (Artikel 21) lediglich das Recht formal „angehört“ und „unterrichtet“ zu werden, (mit)entscheiden darf es nicht. Da auch vertraglich die Nichtzuständigkeit des Europäischen Gerichtshof (EUGH) festgeschrieben wurde (Art. 240a), wird somit die Gewaltenteilung in der entscheidenden Frage von Krieg und Frieden de facto aufgehoben.

– Kerneuropa – nur wer Krieg führt, darf mitbestimmen: EU-Mitglieder, die sich militärisch hierfür qualifiziert haben, indem sie an den wichtigsten Aufrüstungsprogrammen teilnehmen und Interventionstruppen (Battle Groups) zur Verfügung stellen, können eine „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ eingehen, mit der das eigentlich für den außen- und sicherheitspolitischen Bereich geltende Konsensprinzip ausgehebelt wird (Artikel 28e, Absatz 6). Das Einstimmigkeitsprinzip bezieht sich „allein auf die Stimmen der Vertreter der an der Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten.“

– Machtverschiebung zugunsten der Großmächte: Schon die EU-Verfassung sah mit der sog. doppelten Mehrheit eine dramatische Verschiebung der Machtverhältnisse im wichtigsten EU-Gremium, dem Rat der Staats- und Regierungschefs, vor. Dies bedeutet für Deutschland etwa eine Verdopplung der Stimmanteile im Rat (die anderen Gewinner sind Frankreich, Großbritannien und Italien), während die kleinen und mittleren EU-Länder deutlich an Einfluss verlieren. Mit dem Reformvertrag (Artikel 9c) wird diese dramatische Machtverschiebung im Jahr 2014 als gängige Praxis eingeführt.

Ich hoffe, Sie teilen meine Auffassung, dass die hier genannten Aspekte des Lissabonner Vertrages einer Europäischen Union, die sich für sozialen Ausgleich und eine friedliche Welt einsetzt, abträglich sind und werden sich bei der anstehenden Abstimmung dementsprechend verhalten. Also stimmen Sie bitte gegen die Ratifizierung des Lissabonner Vertrages.

Mit freundlichen Grüßen

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