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[0275] Analyse Quick Reaction Force Afghanistan / FRONTEX-Broschüre

(23.01.2008)

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Online-Zeitschrift „IMI-List“
Nummer 0275 ………. 12. Jahrgang …….. ISSN 1611-2563
Hrsg.:…… Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Christoph Marischka / Jürgen Wagner
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) Der Hinweis auf die Printfassung der Frontex-Broschüre

2) Eine Analyse wie sich der deutsche Afghanistan-Einsatz insbesondere durch die geplante Übernahme der Quick Reaction Force immer weiter in Richtung Aufstandsbekämpfung verschiebt

1) FRONTEX-Broschüre

Nachdem es zu kleinen Verzögerungen kam, ist die in der letzten IMI-List angekündigte FRONTEX-Broschüre, in der Funktion, Tätigkeit und auch die Entstehungsgeschichte der Europäischen Grenzschutzagentur umfassend aufgearbeitet werden, nun auch in der Printfassung erhältlich.

Die 52-seitige Broschüre kann – auch in größerer Stückzahl – entweder kostenlos (gegen Porto) unter berlin@tobias-pflueger.de bestellt

oder unter folgender Adresse heruntergeladen werden:

https://www.imi-online.de/download/FRONTEX-Broschuere.pdf

2) Analyse: Deutsche Aufstandsbekämpfung in Afghanistan

IMI-Analyse 2008/001
Afghanistan: „Operationsschwerpunkt Aufstandsbekämpfung“
Mit der geplanten Übernahme der Quick Reaction Forces verstrickt sich Deutschland immer tiefer in die Aufstandsbekämpfung am Hindukusch
https://www.imi-online.de/2008.php3?id=1685
https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2008-01.pdf
23.1.2008, Jürgen Wagner

Während deutsche Politiker unermüdlich den Mythos aufrechterhalten, bei der in Afghanistan operierenden NATO-Truppe ISAF handele es sich um eine reine Friedens- und Stabilisierungsmission, wird immer deutlicher, dass die Entwicklung vor Ort sich in die genau entgegengesetzte Richtung bewegt. Denn bei dem ISAF-Einsatz, an dem gegenwärtig ca. 3.300 Bundeswehrsoldaten beteiligt sind (Stand 16. Januar), handelt es sich keineswegs um einen Entwicklungshilfeeinsatz, vielmehr verschiebt sich der Operationsschwerpunkt immer deutlicher in ein und dieselbe Richtung: Aufstandsbekämpfung!

Obwohl die Aufstandsbekämpfung schon lange ein zentrales Element der ISAF-Operationsführung ist[1], drängen die USA seit einiger Zeit massiv darauf, sich nahezu ausschließlich auf diese Aufgabe zu konzentrieren.[2] Inzwischen deutet alles darauf hin, dass auch die anderen NATO-Staaten – allen voran Deutschland – dem Ruf Washingtons folgen und so bewusst eine weitere Eskalation der ohnehin schon schweren Kampfhandlungen in Kauf nehmen. Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung sind die sich mittlerweile konkretisierenden Absichten der Bundesregierung, die in Nordafghanistan operierende „Quick Reaction Force“ von den Norwegern zu übernehmen. Zwar wird offiziell betont, es sei noch nichts entschieden, da sich allerdings offensichtlich niemand vordrängelt, scheint die Entscheidung hierfür bereits gefallen, wie der Chef des Bundeswehrverbandes Bernhard Gertz betont: „Es bleibt uns gar nichts anderes übrig. Wir haben die Verantwortung für Nordafghanistan, und keiner der Partner hat sich beworben.“[3] Auch Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, gibt an: „Diese Aufgabe wird im Sommer auf Deutschland zukommen.“[4]

Nach der Entscheidung zum Einsatz von Bundeswehrtornados im umkämpften Süden Anfang 2007 und der Beteiligung an umfangreichen Kampfhandlungen in Nordafghanistan unter deutschem Oberkommando im Herbst letzten Jahres, ist dies nun der dritte „Meilenstein“, mit dem sich Deutschland innerhalb nur eines Jahres immer tiefer in die Kriegsführung am Hindukusch verstrickt. Selbst SPD-Mann Arnold sieht in dem Bundeswehreinsatz eine „neue Qualität“; und in der Tat handelt es sich hierbei um eine Richtungsentscheidung, die auch für die geplante Neufassung des Afghanistan-Konzeptes zum nächsten NATO-Gipfel Anfang April 2008 in Bukarest erhebliche Auswirkungen haben dürfte. Zumal bis dahin auch das gesamte NATO-Besatzungs- und Aufstandsbekämpfungskonzept grundlegend überarbeitet und verfeinert werden soll. Nicht zuletzt können die NATO-Strategen dabei auf Vorarbeiten diverser Think Tanks zurückgreifen, die mit ihren Vorschlägen die Lunte ans Pulverfass Afghanistan legen.

Think Tanks drängen auf weitere Eskalation

Schon im November 2006 hatte die kanadische Denkfabrik Senlis Council in einem Bericht eindringlich vor der sich verschlechternden Sicherheitslage und dem Anwachsen des Widerstands gewarnt.[5] So stieg die Zahl der Selbstmordattentate von 27 (2005) auf 139 (2006), Bombenanschläge nahmen von 783 (2005) auf 1677 (2006) zu und auch die direkten Angriffe auf die westlichen Truppen (mit leichten Waffen, Granaten etc.) verdreifachten sich von 1588 (2005) auf 4542 (2006). Im Jahr 2007 erhöhten sich die durchschnittlichen monatlichen Auseinandersetzungen nochmals um 30%, was Anthony Cordesman, einer der führenden US-Militärexperten, zu der Schlussfolgerung veranlasst: „Die meisten Experten kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Sicherheitslage im Jahr 2007 kontinuierlich verschlechtert hat.“[6]

Vor diesem Hintergrund schlug der Senlis Council in einem neuen Bericht Ende 2007 Alarm. Dort kam er zu dem Ergebnis, dass die Widerstandsgruppen weiter auf dem Vormarsch seien und die „Sicherheitslage mittlerweile die Dimension einer echten Krise angenommen hat.“[7] Zwar betonen die Senils-Leute, wie schon in ihrem Bericht vom Herbst 2006, dass der große Zulauf für die Widerstandsgruppen maßgeblich damit zusammenhängt, dass die „internationalen Entwicklungs- und Wiederaufbaubemühungen unterfinanziert und ohne signifikante Auswirkungen auf die lokalen Lebensbedingungen waren.“ Ferner kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass sich der Großteil des Widerstands aus „armutsgetriebenen ‚Graswurzelgruppen'“ und nicht aus islamistischen Fundamentalisten zusammensetzt. Dennoch plädiert der Think Tank für eine massive Eskalation der westlichen Kriegsführung, indem er fordert, die ISAF-Truppenstärke auf insgesamt 80.000 Soldaten zu erhöhen und gleichzeitig nationale Vorbehalte (caveats), die teils die Teilnahme an umfangreichen Kampfhandlungen einschränken bzw. verbieten, abzuschaffen.[8] Gemäß eines Umlageschlüssels würde dies für Deutschland eine Verdopplung des gegenwärtigen Kontingents erfordern, und tatsächlich fordern bereits verschiedene Politiker eine Aufstockung der Truppenobergrenze.[9] Die NATO hat bereits im Jahr 2007 ihre Gesamtstärke von 31.000 auf 43.000 Soldaten erhöht (zusätzlich kämpfen noch Soldaten im Rahmen der US-geführten Operation Enduring Freedom) und bewegt sich damit – wenn auch langsam – in Richtung der Vorschläge des Senlis Council.

Wie der Think Tank weiter betont, hätten vor allem die „Lerneffekte“ aus dem Guerillakrieg im Irak zur Effektivierung des Widerstands beigetragen, indem dort „erfolgreich“ erprobte Kampfmaßnahmen übernommen wurden: „Von besonderer Besorgnis ist der offensichtlich Import von Taktiken, die im Irak perfektioniert wurden.“[10] Doch nicht nur den Widerstandsgruppen dient der extrem blutige Krieg im Irak als Vorbild. Ausgerechnet eine Analyse eines regierungsnahen Think Tanks, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), plädiert dafür, die Bundeswehr müsse das von den USA im Irak angewandte Aufstandsbekämpfungskonzept für Afghanistan übernehmen.
Man müsse sich, so die Autoren der Studie, Timo Noetzel und Benjamin Schreer, an der US-Strategie im Irak orientieren, die sich auszeichne durch die „Durchführung gezielter Operationen und eine wesentlich breitere Truppenpräsenz in der Fläche.“ Der Vergleich mit Afghanistan biete sich geradezu an, denn: „Wie im Irak bestehen auch dort [in Afghanistan] klassische Herausforderungen durch Aufständische, die möglichst wirksam bekämpft werden müssen. [Deshalb ist] die militärische Präsenz der Koalitionstruppen in der Fläche und die Durchführung gezielter offensiver Operationen gegen radikale Aufständische notwendig.“ Generell gehe es für Deutschland und die NATO darum, den „Operationsschwerpunkt Aufstandsbekämpfung“ in den Mittelpunkt der Planung zu rücken – von der ohnehin primär auf dem Papier existierenden Entwicklungshilfemission ist nicht mehr viel übrig geblieben.

In diesem Kontext beklagen die SWP-Autoren, die Situation würde dadurch „erschwert, dass ISAF im Norden nur sehr beschränkt über einsetzbare Kräfte zur Durchführung offensiver Operationen oder zur Reaktion auf Angriffe verfügt.“ Dies gelte auch und besonders für Deutschland, das schließlich das Oberkommando in Nordafghanistan innehabe. Doch genau in diesem Bereich sehen die SWP-Strategen Licht am Ende des Tunnels: „Anstoß zur Veränderung bietet sich mit dem angekündigten Abzug der norwegischen schnellen Eingreiftruppe der QRF: Würde Deutschland diese Kräfte ersetzen, verfügten die deutschen Kommandeure künftig über Fähigkeiten, die ihnen eigenständige und mit den afghanischen Sicherheitskräften integrierte offensive Operationen ermöglichen.“[11]

Deutsche Aufstandsbekämpfung im Norden: Die Quick Reaction Force

Schon im November 2007 hatte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, dafür plädiert, Deutschland solle die in Nordafghanistan operierende „Quick Reaction Force“ (QRF) von Norwegen übernehmen, das deren Führung bis Mitte 2008 abgeben wollen.[12]

Laut der Homepage der Bundeswehr, handelt es sich bei der QRF um eine „robuste Reserveeinheit“, die immer dann zum Einsatz kommt, wenn die ISAF-Truppen „militärisch unter Druck“ geraten: „Seit dem 8. Januar ist der deutsche Brigadegeneral Dieter Dammjacob Regionalkommandeur der ISAF-Truppe im Norden mit Hauptquartier in Mazar-e Sharif. Er kann auf die QRF als seine Reserve zurückgreifen und sie in ganz Nordafghanistan einsetzen.“ Zum Aufgabenspektrum dieser Schnellen Eingreiftruppe gehört laut Bundeswehr nicht nur der „Einsatz gegen militante Kräfte im Einsatzgebiet, die die Sicherheitslage gefährden“, sondern auch „gewaltbereite Menschenmengen mit nichtletalen Mitteln unter Kontrolle zu bringen.“[13] Ähnlich beschrieb Thomas Raabe, der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, das Ziel der QDR mit den Worten „crowd and riot control“, also Aufstandsbekämpfung.[14]

Bei der QRF handelt es sich also um eine Art „Feuerwehrtruppe“, die dann ausrückt, wenn sich die militärische Lage zuzuspitzen droht, was mittlerweile auch in Nordafghanistan immer häufiger der Fall ist. „Dort, wo es brennt, werden diese Kräfte eingesetzt. Das kommt schon öfters vor: zur Verstärkung, auch zur Aufklärung oder zur Unterstützung der afghanischen Armee wie kürzlich bei dem Einsatz ‚Harekate Yolo‘.“[15]

Vorbild „Harekate Yolo“

Wie genau solche QRF-Einsätze ablaufen, wurde auf besorgniserregende Weise mit den Einsätzen Harekate Yolo I und II im Oktober und November 2007 demonstriert. Ziel des in den Provinzen Faryab, Badghis und Badakhshan durchgeführten Einsatzes war laut einem Bericht an die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses vom 11. Dezember die „Zurückdrängung eines in den letzten Monaten beobachteten Aufwuchses von Insurgenten.“[16]

An Harekate Yolo I im Oktober 2007 waren 400 afghanische Soldaten und Polizisten sowie 160 deutsche Fallschirmjäger beteiligt. Die deutlich umfangreichere Operation Harekate Yolo II, die am 1. November 2007 begann, wird im entsprechenden Wikipedia-Eintrag folgendermaßen beschrieben: „Zur Rückeroberung der verlorenen Provinz und Zerschlagung der Taliban im Norden stellte die ISAF unter dem Kommando des deutschen Brigadegenerals Dieter Warnecke, Befehlshaber des Regionalkommandos Nord, eine Streitmacht zur Gegenoffensive zusammen. Ziel war die Zerschlagung der Taliban-Kräfte im Nordwesten des Landes.“[17]

Die Truppe setzte sich hauptsächlich aus den von Norwegen gestellten QRF-Kräften, dem 209. afghanischen Armeekorps, 300 Unterstützungskräften der Bundeswehr (Sanitäter, Hubschrauber, Logistik, Aufklärung) sowie geringen Kontingenten anderer NATO-Staaten (Spanien, Italien, Lettland und Ungarn) zusammen. Auch wenn der deutsche Beitrag seinerzeit – noch – nicht direkte Kampfhandlungen am Boden einschloss, war er dennoch relevant: „Die Bundeswehr hat zwar zahlenmäßig […] einen geringen Anteil – doch ihr Beitrag macht die Truppe erst einsatzbereit: Funkverbindungen, Nachschub und Sanitäter stellen die Deutschen, die gemeinsam mit den Afghanen, Norwegern und anderen Nato-Truppen in dieses Gefecht zogen.“[18] Obwohl bei der Operation weder afghanische noch NATO-Soldaten ihr Leben verloren, kam es dennoch zu schweren Kämpfen – laut norwegischen Angaben den heftigsten ihrer Soldaten seit Ende des Zweiten Weltkriegs -, bei denen mehrere Dutzend Aufständische getötet worden sein sollen.

Dieser Einsatz kann aus zwei Gründen mit Fug und Recht als bahnbrechend bezeichnet werden. Zum einen, wie der Wikipedia-Eintrag betont, handelt es sich bei Harekate Yolo um „die erste offensive Militäroperation seit dem Zweitem Weltkrieg unter deutschem Kommando.“[19] Zum zweiten steht jedoch zu befürchten, dass derlei Kampfoperationen künftig zur Regel werden. Denn, wie die bereits erwähnte Studie der regierungsnahen SWP unterstreicht, die Tragweite des Einsatzes besteht darin, dass er symbolhaft für den Richtungswandel hin zur offensiven Kriegführung im Norden steht, die in Kürze auch mit Bundeswehrsoldaten an vorderster Front durchgeführt werden wird: „Harekate Yolo II markiert einen Wendepunkt in der militärischen Operationsführung der ISAF im Norden Afghanistans. Militärische Kräfte hatten sich bis dahin vorrangig auf die Durchführung von Patrouillen beschränkt. […] Künftig wird der Fokus mehr auf gemeinsamen, gezielten Offensivoperationen mit den afghanischen Sicherheitskräften liegen.“[20]

NATO-Gipfel in Bukarest – Aufstandsbekämpfungskonzept

Nicht umsonst konstatierte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass „die Stabilisierung Afghanistans derzeit eine der größten Herausforderungen für die NATO und ihre Mitgliedstaaten ist. Sie ist gleichsam so etwas wie ein Lackmustest für ein erfolgreiches Krisenmanagement und für eine handlungsfähige NATO.“[21] Ein Scheitern ist ausgeschlossen, da sich ansonsten jegliche weitere NATO-Kriegsoperation auf absehbare Zeit erledigt hat. Dies gilt auch und gerade für Deutschland, wie ein Kommentar des Chefkorrespondenten der Welt verdeutlicht: „Was auf dem Spiel steht, ist nicht nur die Wirksamkeit der Vereinten Nationen und der Zusammenhalt der Nato-Staaten, sondern auch die Glaubwürdigkeit der deutschen Politik als Ordnungsfaktor in der neuen Weltunordnung.“[22]

Aus diesem Grund werden beim nächsten „Kriegsgipfel“ der NATO Anfang April in der rumänischen Hauptstadt „die Entwicklungen in Af­ghanistan an der Spitze der Agenda von Bukarest stehen.“[23] In Vorbereitung auf den Gipfel übergaben fünf hochkarätige NATO-Sicherheitspolitiker, dem NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer einen 150seitigen Vorschlagskatalog zur Neu-Ausrichtung der Allianz. In ihm wird – neben dem Ersteinsatz von Atomwaffen – u.a. gefordert, sämtliche nationalen Vorbehalte abzuschaffen und Mitgliedern der Allianz künftig keinerlei Mitspracherechte bei NATO-Kriegseinsätze einzuräumen, sollten sie sich weigern, sich an ihnen zu beteiligen.[24] Darüber hinaus hatte man sich schon auf dem letzten NATO-Gipfel in Riga Ende November 2006 auf die Erarbeitung eines umfassenden Besatzungs- und Aufstandsbekämpfungskonzepts verständigt. Nach Gesprächen der NATO-Außenminister am 7. Dezember 2007 wurde nun beschlossen, dieses Konzept bis zum Bukarester Gipfel vorzulegen.[25]

Es steht zu befürchten, dass die NATO-Länder auch hier dem in dem SWP-Papier vorgezeichneten Weg folgen werden. Für die Denkfabrik ist es ein „zwingend erforderlicher Schritt […] die Aufstandsbekämpfung als neue Einsatzrealität zu akzeptieren.“[26] Mittlerweile häufen sich die Forderungen insbesondere im NATO-Review, dem Hausblatt der Allianz, so genannte Stabilisierungsmissionen und damit die Aufstandsbekämpfung im Zuge solcher Besatzungsregime zur Kernaufgabe der Allianz zu machen.[27] Hiermit verändert sich jedoch die NATO und wird endgültig zur globalen Aufstands- und Besatzungstruppe. Um ein letztes Mal besagte SWP-Studie zu zitieren: „Dies dürfte allerdings in der Folge nicht nur das Wesen der Allianz, sondern auch den Charakter des Bundeswehreinsatzes nachhaltig verändern.“[28]

Dass ein derartiger Richtungswandel vollkommen unkritisiert, ohne jegliche öffentliche Debatte und mit Hinblick auf das so genannte Tornado-Urteil auch noch mit Plazet des Bundesverfassungsgerichts von statten gehen kann, das Mitte 2007 lapidar feststellte, es fehle an „Anhaltspunkten für eine strukturelle Entfernung der Nato von ihrer friedenswahrenden Ausrichtung“, ist nichts weniger als ein Skandal größten Ausmaßes.[29]

Anmerkungen

[1] Vgl. Wagner, Jürgen: Die NATO in Afghanistan: Vom Nation Building zur globalen Aufstandsbekämpfung, in: AUSDRUCK – Das IMI-Magazin (November 2006).
[2] Veränderte Machtverhältnisse, german-foreign-policy.com, 18.12.2007.
[3] „Es bleibt uns gar nichts anderes übrig . . . „, abendblatt.de, 18.01.2008.
[4] Brendle, Frank, Kämpfer für die Front, Junge Welt, 17.01.2008.
[5] Senlis Council: Afghanistan Five Years Later: The Return of the Taliban, Spring/Summer 2006.
[6] Cordesman, Anthony H.: Armed Nation Building:The Real Challenge in Afghanistan, CSIS, November 2007, S. 28.
[7] Senlis Council: Stumbling into Chaos: Afghanistan on the brink, November 2007, S. 7.
[8] Ebd., S. 60.
[9] „Nach den Worten Strucks sei die Mission ohnehin schon ‚ein echter Kampfeinsatz‘. Wenn die Bundeswehr neue Aufgaben übernehme und die Ausbildung für die afghanische Armee verstärke, wolle sich der SPD-Politiker auch nicht gegen eine Erhöhung der maximalen Truppenstärke von derzeit 3500 sperren.“ Bundeswehr ist mangelhaft ausgerüstet, Spiegel Online, 19.01.2008.
[10] Senlis 2007, S. 7.
[11] Noetzel, Timo/Schreer, Benjamin: Strategien zur Aufstandsbekämpfung, Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Aktuell, Januar 2008.
[12] Der Bundeswehr drohen mehr Kampfeinsätze, FAZ.net, 22.11.2007.
[13] Quick Reaction Force – Eine Schnelle Eingreiftruppe der ISAF, bundeswehr.de, 18.01.2008.
[14] Regierungspressekonferenz vom 16. Januar, bundesregierung.de
[15] „Auch über Panzer nachdenken“, FAZ.net, 17.01.2008.
[16] Weiland, Sven: Der weichgespülte Kampfeinsatz, Spiegel Online, 10.01.2008.
[17] Wikipedia-Eintrag zu Harekate Yolo.
[18] Focus.de, 08.11.2007.
[19] Wikipedia-Eintrag zu Harekate Yolo.
[20] Noetzel/Schreer 2008, S. 3.
[21] Haydt, Claudia/Marischka, Christoph/Wagner, Jürgen: Afghanistan – die deutsche Rolle, in: AUSDRUCK – Das IMI-Magazin (Oktober 2007).
[22] Stürmer, Michael: Deutsche Soldaten am Hindukusch, Die Welt, 29.07.2007.
[23] Kamp, Karl-Heinz: Der NATO-Gipfel in BukarestDas Bündnis vor der Weichenstellung, KAS-Analysen & Argumente, Nr. 46, November 2007.
[24] Naumann, Klaus/Shalikashvili, John/The Lord Inge/Lanxade, Jacques/Breemen, Henk van den: Towards a Grand Strategy for an Uncertain World: Renewing Transatlantic Partnership, URL: http://www.worldsecuritynetwork.com/documents/3eproefGrandStrat(b).pdf (21.01.2008).
[25] Fact Sheets: Grundsatzinformationen zur Europäischen Sicherheitspolitik, Österreichische Offiziersgesellschaft, URL: http://www.oeog.at/fact/nato_6.php (23.01.2008).
[26] Noetzel/Schreer 2008, S. 4.
[27] Milkoreit, Manjana: Die zivile Dimension der Sicherheit ernst nehmen: die NATO als die Organisation für den Wiederaufbau nach einem Konflikt, in: NATO Review (Herbst 2007); Bertram, Christoph: Abschied vom Krieg, in: NATO Review (Frühjahr 2006).
[28] Noetzel/Schreer 2008, S. 4.
[29] Urteil des BVerfG (2 BvE 2/07).

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