Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Dokumentation (in: indymedia 14.10.2007)

Potsdam: Bundeswehr raus aus der Uni!

IMI (30.10.2007)

Dieses Semester startet an der Uni Potsdam der neue Masterstudiengang „Military Studies“ unter Beteiligung des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) und des Sozialwissenschaftlichen Instituts (SOWI) der Bundeswehr. Diese Form der Kooperation und der Studiengang sind bisher einmalig in Deutschland.
Die „feierliche“ Begrüßung der Studienanfänger_innen und Eröffnung des Studienganges wurde gestern erfolgreich gestört.

Der neue Studiengang setzt sich aus Militärgeschichte und Militärsoziologie zusammen, wobei das Institut der Soziologie der Uni Potsdam mit dem SOWI und das Institut für Geschichte mit dem MGFA zusammenarbeiten.
Beworben wurde der Studiengang mit den einleitenden Worten:

„Mit dem Zusammenbruch der bipolaren Weltordnung und einer sich erheblich beschleunigenden Globalisierung haben sich die Paradigmen internationaler Politik grundsätzlich verändert. Krieg und Bürgerkrieg, Unruhen und ethnisch-religiöse Konflikte haben an Umfang und Ausmaß erheblich zugenommen, der internationale Terrorismus mit den Anschlägen vom 11. September 2001 eine neue Dimension erreicht. Derartige Ereignisse und Entwicklungen haben mittlerweile auch unmittelbare Folgen für die Gesellschaften Europas. Sie führen nicht nur zu einer stark veränderten Wahrnehmung bewaffneter Konflikte und organisierter Gewalt in der deutschen Bevölkerung, sondern auch zu einem globalen Engagement deutscher Streitkräfte.“

Schaut mensch sich die Seite des Studiengangs an (www.militarystudies.de) wird sichtbar, dass die meisten Lehrenden aus den Bundeswehrinstituten kommen. Der neue Studiengang ist zwar einmalig in Deutschland, darf aber nicht darüber hinweg täuschen, das es an sehr vielen Unis Lehrbeautragte aus Bundeswehrinsituten gibt, somit sollte mensch genau schauen, wie die Situation an der eigenen Uni aussieht.

Die Kooperation in Potsdam mit dem MGFA und dem Institut für Geschichte gibt es leider schon seit vielen Jahren, ohne dass dies wirklich Kritik hervorgerufen hat. Es hat sich gezeigt, dass neben den bundeswehrtypischen Inhalten auch kritische Forschung möglich ist. So wird es wahrscheinlich auch mit Militärsoziologie und dem neuen Masterstudiengang werden.

Natürlich macht es das nicht besser und gehört zur Strategie, einerseits sich dadurch weniger angreifbar zu machen, und andrerseits Bundeswehrwissenschaftler_innen in der Uni zu verankern, die sich als „hauptsächlich“ Sozial- und Geschichtswissenschaftler_innen ausgeben, entweder sehr nebenbei und ganz kurz erwähnen, für wen sie da im Auftrag lehren, oder dies einfach gar nicht benennen, um dann weiterzufahren in ihren Analysen über Sicherheitspolitik, Soziologie/Geschichte des Krieges, Terrorismus, soldatische Motivationssteigerung, Meinungsforschung,…

Dieser weitere Zugang zu zivilen Bereichen ermöglicht einerseits den Bundeswehrinstituten einen besseren Ruf ihrer „Wahrheitsproduktion“, andrerseits bietet direkter Kontakt bessere Chancen für Anwerbung.

Im Rahmen der Transformation des Militärs und der militärischen Einsätze wird ein neues Profil erarbeitet, das großen Bedarf an Akademiker_innen hat, die sich in ihren Forschungen um gesellschaftliche Akzeptanz der Bundeswehr sorgen, aber auch selbst die Kompetenzen haben, um z.B. mit NGO’s usw. zusammenarbeiten zu können. Letztlich also dem Bild der „humanitären“ Einsätze besser entsprechen. So schreibt das SOWI:

„Große Bedeutung für den Erfolg des Studiengangs in den nächsten Jahren wird den studienbegleitenden Praktika am SWInstBw und in anderen Dienststellen zukommen.(…) Nicht zuletzt mit Blick auf die anstehende Überprüfung durch den Wissenschaftsrat ist die Beteiligung des SWInstBw an diesem bundesweit einmaligen und innovativen Studiengang „Military Studies“ von großer Bedeutung. Sie unterstreicht die hohe, anerkannte wissenschaftliche Expertise des Instituts und ist gleichermaßen Ausdruck der fachwissenschaftlichen Vernetzung des Instituts in der Wissenschaftslandschaft.“
(SOWI-Jahresbericht 2006, S.24)

Im selben Text steht auch die eindeutige Stellungnahme, was unter dieser Form von Wissenschaft verstanden wird:

„Das Sozialwissenschaftliche Institut ist Teil einer Bundeswehr in der Transformation und im Einsatz. (…) Hauptaufgaben des Sozialwis­senschaftlichen Instituts sind die angewandte streitkräftebezoge­ne sozialwissenschaftliche For­schung und die dazu erforderliche militärsoziologische Grundlagen­forschung.Die Forschung umfasst die Analyseebenen „Internationales System“, „Nationales System und Gesellschaft“, „militärische
Organisation“, „Soldat als Individuum“.

In diesem Rahmen ist die Forschungsplanung des Instituts nicht frei, sondern orientiert sich überwiegend am Erkenntnis- und Unterstützungsbedarf des Bun­desministeriums der Verteidigung und der Bundeswehr.“ (Jahresbe­richt des SOWI 2006, S.5 und 29)

Die Seite der Uni Potsdam beruft sich auf die „mögliche kritische Forschung“, den Erhalt der „bedrohten Soziologie“ und verkauft sich somit an die ressourcenreichen „Kooperationspartner“.

Traurig ist v.a., dass von studentischen Gremien, wie der Fachschaft Soziologie oder dem AStA bisher keine Öffentlichkeit geschaffen wurde, und es so möglich war, alles vertraglich abzusichern und erst einen Monat vor offiziellem Beginn des Studienganges die ersten Ankündigungsplakate zu entdecken waren. Letztlich wird es an der Studierendenschaft hängen, ob der Lehrbetrieb einfach so ablaufen kann- wie auch bisher in Militärgeschichte geschehen- oder ob Protest sichtbar wird und bleibt.

Freitag fand die offizielle Einführung des Studienganges statt. Zahlreiche Uniformträger kamen angefahren – auch im Bundeswehrauto – um die bisher 15 Studienanfänger_innen zu begrüßen.

Dies konnte erfolgreich gestört werden, ein netter Bericht über die Störaktion findet sich bei http://www.inforiot.de/news.php?topic=news&article_id=13090
Am Montag wird der Lehrbetrieb dann losgehn, das Vorlesungsverzeichnis, Lehrende und alles weitere findet sich auf www.militarystudies.de
Gönnen wir ihnen keine Ruhe! Nicht in Potsdam und nicht anderswo! Bundeswehr raus-überall!

Kontakt: nomilitarystudies@web.de

Infos über Anwerbung an Arbeitsämtern www.bundeswehr-wegtreten.tk

Presseberichte
http://www.taz.de/index.php?id=berlin-aktuell&art=5954&src=TE&id=820&cHash=9ffa164c0d
http://www.neues-deutschland.de/artikel/117642.html
http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/13.10.2007/3583027.pnn#art

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