Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

[0265] Einladung und Programm IMI-Kongress / Analyse irakisches Ölgesetz

(26.09.2007)

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Online-Zeitschrift „IMI-List“
Nummer 0265 ………. 11. Jahrgang …….. ISSN 1611-2563
Hrsg.:…… Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Claudia Haydt / Tobias Pflüger / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos)…….. IMI-List-subscribe@yahoogroups.com
Archiv: ……. https://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) Die Einladung und das Programm zum nächsten IMI-Kongress am 10/11. November, der sich mit der Transformation der Bundeswehr und Perspektiven des Widerstands beschäftigen wird.

2) Eine IMI-Analyse zur neoliberalen Umstrukturierung des Irak, insbesondere zum geplanten Ölgesetz.

1) Einladung und Programm IMI-Kongress 10/11. November 2007:

Titel: Innen, außen, mittendrin: Die Transformation der Bundeswehr und Perspektiven des Widerstands

Ort: Tübingen, Schlatterhaus, Österbergstraße 2 (Tübingen Zentrum, beim Lustnauer Tor), Großer Saal

Hiermit möchten wir zu unserem alljährlichen Kongress einladen. Er wird dieses Jahr am 10. und 11. November in Tübingen stattfinden und sich intensiv mit der Bundeswehr und dem neuen deutschen Militarismus sowie mit Perspektiven des Widerstands beschäftigen (siehe den ausführlichen Antext weiter unten).

Wir freuen uns auf Euer Kommen – auf Wunsch werden wir auch versuchen, Übernachtungsgelegenheiten (mit Schlafsack) zu organisieren.

Es folgt nun das Programm, anschließend die organisatorischen Infos:

Vorveranstaltung

Auch dieses Jahr gibt es am Freitagabend eine multimediale Vorveranstaltung mit der anschließenden Möglichkeit, sich bei Essen und Trinken schon einmal zu begrüßen und kennen zu lernen:

Freitag 9. November 19:00-21:00
Planet der Slums – Planet des Bürgerkriegs
Referent: Christoph Marischka
Ort: Tübingen, Schellingstraße 6

Samstag 10. November: Der neue deutsche Militarismus…

12:00 Begrüßung

12:15-13:45 Das Weißbuch und die Transformation der Bundeswehr
Referent: Tobias Pflüger

14:00-15:30 Milliarden für den Krieg: Rüstung und Sicherheitsforschung
Referenten: Martin Hantke und Claudia Haydt

15:45-17:15 „Vernetzte Sicherheit“ – Bundeswehr Innen, Außen und überall
Referent: Frank Brendle

17:30-19:00 Deutschlands Kampf um die letzten Tropfen… Militärische Rohstoffsicherung
Referent: Jürgen Wagner

20:15 Podium: Mit der Bundeswehr um die ganze Welt: Hintergründe zu den aktuellen Kriegseinsätzen der deutschen Armee

Sonntag 11. November: … und seine Achillesversen

09:30-10:30 Jenseits von Recht und Moral: Die Einsätze des Kommando Spezialkräfte
Referentin: Claudia Haydt

10:45-11:45 Der Kampf gegen (deutsche) Militärstandorte
Referentin: Hannelore Tölke

12:00-13:30 Die Armen in den Krieg? Sozialabbau als Rekrutierungshilfe der Bundeswehr
Referenten: Jonna Schürkes und Heiko Humburg (angefragt)

Ab 13:30 Podium: Antimilitarismus muss praktisch werden! Strategien gegen den neuen deutschen Militarismus.
Mit: Markus Gross (Bundeswehr wegtreten), Hannelore Tölke (Netzwerk gegen Militärstandorte und deren Auswirkungen, NEMA), Tobias Pflüger (IMI)

Antext

Im Jahr 2002 hat sich die Informationsstelle Militarisierung das letzte Mal auf ihrem Kongress intensiv mit der Bundeswehr beschäftigt. Seit dem ist deren Transformation zur „Armee im Einsatz“ in Windeseile vorangeschritten. Ihr Aktionsradius hat sich vergrößert, immer neue Einsätze kommen hinzu und diese werden zunehmend als das bezeichnet, was sie sind: „Kampfeinsätze“. Deshalb versuchen Politiker, die Bevölkerung auf steigende Opferzahlen einzustimmen und die Heeresleitung verkündet: „Wir brauchen den archaischen Kämpfer“. Gleichzeitig rumort es in der Truppe selbst. Ihr Leben für deutsche Wirtschaftsinteressen oder einen Sitz im Weltsicherheitsrat zu opfern, sind immer weniger junge Menschen bereit und deshalb wird zunehmend in benachteiligten Schichten mit Schlagworten wie „Arbeitsplatzsicherheit“ um Rekruten geworben.
Im wachsenden Widerstand gegen die neuen Kriege aber auch gegen die wachsende soziale Ungleichheit ist neben einer global stattfindenden Entdemokratisierung auch ein Grund zu sehen, weshalb die Bundeswehr unter Schlagwörtern wie „vernetzter Sicherheit“ auch zunehmend für Anti-Terrormaßnahmen, Katastrophenhilfe und Aufstandsbekämpfung im In- und Ausland mobilisiert wird. Die Allgegenwart des deutschen Militärs möchten wir beim diesjährigen IMI-Kongress intensiv aufarbeiten. Die Präsenz deutscher Soldaten am Hindukusch, in Heiligendamm und den Arbeitsagenturen bringt jedoch auch neue Protestformen gegen den deutschen Militarismus in der Bevölkerung hervor. Auch diese sollen dargestellt und erörtert werden.

Für weitere Informationen zum Kongress (Anfahrt, Übernachtung etc.) siehe https://www.imi-online.de/2007.php3?id=1623 oder telefonisch im IMI-Büro: 07071-49154

2) IMI-Analyse zur neoliberalen Umstrukturierung des Irak und dem geplanten Ölgesetz

IMI-Analyse 2007/032 – in: AUSDRUCK (Oktober 2007)
Irak – Akkumulation durch Enteignung
Militärischer Neoliberalismus und das geplante irakische Ölgesetz
https://www.imi-online.de/2007.php3?id=1624
https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2007-032-%D6lgesetz.pdf
25.9.2007, Jürgen Wagner

Bezeichnenderweise stimmen sowohl rechte als auch linke Beobachter darin überein, dass der Krieg gegen den Irak und die nunmehr vier Jahre andauernde Besatzung ein grundlegend neues Kapitel US-amerikanischer Außenpolitik eingeläutet haben. Aus Sicht der außenpolitischen Eliten in den Vereinigten Staaten markiert der Angriffskrieg gegen den Irak den Wendepunkt, der deutlich macht, dass Washington nunmehr bereit ist, gegen jedwede Bedrohung mittels militärischer Präventivschläge vorzugehen. Während dabei als Motivation zumeist defensive Sicherheitsinteressen („Verteidigung“ gegen den Terrorismus, etc.) angeführt werden, herrschen in kritischen Analysen vor allem zwei Interpretationen vor, um den US-amerikanischen Amoklauf im Irak zu erklären: Öl und die militärische Reaktion auf die Krisentendenzen der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung.

Und in der Tat, betrachtet man die Besatzungspraxis im Irak, treten gerade diese beiden Motive überdeutlich hervor. „Am 9. Mai 2003 verkündete Bush seine wirtschaftlichen Visionen hinsichtlich des Irak: Errichtung einer amerikanisch-mittelöstlichen Freihandelszone innerhalb der nächsten 10 Jahre. Dazu mussten jedoch erst die Voraussetzungen geschaffen werden: Umwandlung der irakischen Wirtschaft in eine radikal neoliberale Marktwirtschaft, Privatisierung der wichtigsten Unternehmen und der öffentlichen Dienstleistungssektoren, langfristige Sicherung der Kontrolle über die Erdölressourcen und den dazugehörigen Industriebereich.“[1] Im Irak findet derzeit nicht nur der bislang radikalste Versuch statt, eine Gesellschaft entlang neoliberaler Linien zuzurichten, sondern darüber hinaus befindet sich eine der größten Enteignungsaktion der neueren Geschichte kurz vor der Verabschiedung. Denn mit dem in Washington geschriebenen neuen irakischen Ölgesetz soll der Großteil der aus dem Verkauf der Rohstoffreserven des Landes resultierenden Profite in die Taschen der Ölmultis umgeleitet werden.

Neoliberale Zurichtung

Bereits im Juni 2003 kündigte der damalige US-Verwalter des Irak, Paul Bremer, eine „Schocktherapie“ an, in deren Folge die irakische Wirtschaft entlang neoliberaler Vorgaben umgekrempelt wurde. Mit seiner rechtsverbindlichen „Order 39“ verfügte Bremer im September 2003, dass von nun an ausländische Konzerne einen 100prozentigen Anteil an irakischen Betrieben übernehmen und die aus ihren Geschäften resultierenden Gewinne zu ebenfalls 100 Prozent aus dem Land transferieren dürfen.[2] Parallel dazu wurden die Einfuhrzölle herabgesetzt und staatliche Subventionen gestrichen, womit der Schutz der irakischen Wirtschaft vor – häufig hochsubventionierten – westlichen Produkten praktisch wegfiel. Mit Direktive 49 wurden die Steuern auf lediglich 15 Prozent begrenzt (von ursprünglich 40 Prozent) und schließlich die Einfuhrzölle gänzlich abgeschafft (Order 54). Darüber hinaus eröffnete die Order 40 erstmals die Möglichkeit, das Bankenwesen zu übernehmen. Erlass Nr. 81 regelte das Urheberrecht neu, indem nunmehr Agrarkonzernen die Möglichkeit eingeräumt wurde, sich Patente auf traditionelle Saatgut-Arten zu sichern. Damit wird die komplette Landwirtschaft in die Abhängigkeit westlicher Agrokonzerne (Monsanto, Syngenta, Bayer, etc.) getrieben, von denen das Saatgut nun erworben werden muss. Richtigerweise urteilte der Economist nach Verabschiedung dieser ganzen Dekrete, der Irak sei nunmehr zu einem „kapitalistischen Traum“ geworden.[3]

Während der ursprüngliche irakische Verfassungsentwurf noch das Recht auf Arbeit ebenso betonte wie den Vorrang sozialer Gerechtigkeit beim Wiederaufbau, wurden solche und ähnlich progressive Passagen in der am 15. Oktober in einem Referendum angenommenen Endfassung gestrichen. Berichten zufolge hatte hierauf vor allem US-Botschafter Zalmay Khalilzad gedrängt. „Diese Verfassung wurde in einer US-amerikanischen nicht in einer irakischen Küche zusammengekocht“, beschwerte sich ein an den Verhandlungen beteiligter Iraker.[4] Darüber hinaus führte die Abschaffung staatlicher Unterstützungsmaßnahmen für lebensnotwendige Güter zu einer drastischen Erhöhung der Lebenshaltungskosten, was zur Verschlimmerung der Armut beitrug.

Zwar verbieten sowohl die Haager Landkriegsverordnung aus dem Jahr 1907 als auch die Genfer Konvention von 1949 derart weit gehende Eingriffe in die innere Verfasstheit eines besetzten Staates, da genau dies aber Sinn und Zweck der US-Politik ist, wird das geltende Völkerrecht faktisch außer Kraft gesetzt: „Die bisherigen Wirtschaftsstrukturen des Irak wurden nach neoliberalem Modell vollständig umgekrempelt und zu einem Selbstbedienungsladen für die internationalen Konzerne umorganisiert.“[5]

Militärischer Neoliberalismus

Während zwar bei all diesen Maßnahmen die Ähnlichkeiten mit der Politik der „strukturellen Anpassungsprogramme“ auffallen, die vielen Ländern von IWF und Weltbank aufgezwungen wurden, so gibt es doch einen entscheidenden Unterschied: früher wurden diese „Wirtschaftsreformen“ indirekt über diese Internationalen Organisationen erzwungen. Hier scheint sich ein grundlegender Wandel anzubahnen, da mittlerweile die Durchsetzung der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung immer direkter im Rahmen militärisch abgesicherter quasi-kolonialer Besatzungsregime erfolgt. „Etwas hat sich offensichtlich in den letzten zehn Jahren verändert. […] ‚Militärischer Neoliberalismus‘ ist die passende Beschreibung für den momentanen Kapitalismus und die Politik des Öls.“[6]

Hintergrund für diese Entwicklung dürften die wachsenden Krisentendenzen des neoliberalen Weltwirtschaftsmodells sein, dessen Ausbeutungs- und Hierarchiestrukturen sich nur noch militärisch aufrechterhalten lassen.[7] In diesem Zusammenhang stellt der Irak den wohl krassesten Fall von „Akkumulation durch Enteignung“ (David Harvey) dar: „Krieg ist zweifellos die brutalste Form, um Enteignungsprozesse durchzusetzen. Und es ist denkbar, dass die anhaltende Besetzung des Irak den Durchbruch zu einer neuen Phase imperialistischer Herrschaft und neokolonialer Unterwerfungsbestrebungen darstellt. Die Privatisierung und Aneignung öffentlicher Dienste durch transnationale Konzerne, die Auseinandersetzungen über intellektuelle Eigentumsrechte und natürliche Ressourcen sowie vor allem die US-Strategie des ‚Krieges ohne Grenzen‘ und des Präventivkrieges und die kriegerische Aneignung der irakischen Ressourcen durch die USA werfen grundsätzliche Fragen über das Funktionieren des Kapitalismus [auf]. Insbesondere stellt sich die Frage, inwiefern als Antwort auf und Ergänzung zur krisengeschüttelten erweiterten Reproduktion Akkumulationsprozesse durch Enteignung die aktuelle Phase des Kapitalismus kennzeichnen.“[8]

Ausgeheckt wurde die neoliberale Zurichtung des Irak von der US-Beratungsfirma Bearing Point, die über beste Kontakte zur Bush-Administration verfügt. Sie schloss einen Vertrag mit USAID, der US-Agentur für Entwicklungszusammenarbeit, in dem sich der Konzern für $250 Mio. dazu bereit erklärte, „den grundlegenden juristischen Rahmen für eine funktionierende Marktwirtschaft zu schaffen, indem aus der einzigartigen Möglichkeit, die die gegenwärtigen politischen Umstände für einen raschen Fortschritt in diesem Bereich bieten, angemessen Kapital geschlagen wird.“[9] So verwundert es auch nicht weiter, dass derselbe Konzern vorschlägt, diese „einzigartigen Umstände“ – Angriffskrieg und koloniale Besatzung – für die groß angelegte Enteignung der irakischen Ölvorkommen zu nutzen.

Das irakische Ölgesetz

Obwohl Bagdad während des US-Angriffskrieges 2003 großflächig bombardiert wurde, vermied es die US-Armee tunlichst, ein bestimmtes Gebäude zu beschädigen: das irakische Ölministerium. Während sich gleichzeitig niemand darum scherte, dass Krankenhäuser, Museen und die Nationalbibliothek geplündert wurden, bewachten M-1-Abrams-Panzer das Ministerium und zwar aus einem einzigen Grund: „Denn das Gebäude beherbergt den Schlüssel zum größten Schatz der Nation: Explorationskarten der Ölfelder, Pipelinedaten, Verträge.“[10]

Somit schuf man beste Voraussetzungen für eine groß angelegte Enteignungsaktion, die darauf abzielt, die Verstaatlichung der irakischen Ölvorräte aus dem Jahr 1972 rückgängig zu machen. Schon im Frühling 2003 hatte die Gruppe Öl und Energie des US-Außenministeriums erklärt, es sei notwendig, den Irak nach Kriegsende für internationale Ölfirmen zu öffnen, indem eine Re-Privatisierung eingeleitet wird.[11] Hierfür wurde sogar ein eigener Paragraf (Nr. 110) in die irakische Verfassung eingeschleust, der fordert, im Ölsektor „Strategien anzuwenden“, die auf „den modernsten Techniken der Marktprinzipien beruhen und Investitionen begünstigen.“[12] Mit der Detailausplanung, wie „Investitionen begünstigt“, also die Privatisierung eingeleitet werden soll, beauftragte die US-Regierung wiederum Bearing Point. Die Firma legte ihre Vorschläge in Form eines „Ölgesetzes“ vor, dem die irakische Regierung Anfang 2007 zustimmte. Allerdings sah sie sich bisher außerstande, das Gesetz endgültig durchzudrücken. Denn sowohl in der Bevölkerung als auch im Parlament, dessen notwendige Billigung weiterhin aussteht, wächst der Widerstand gegen das zu Recht als skandalös empfundene Gesetz. Mehrere Fristen sind bisher verstrichen, so im März und zuletzt im Juli 2007.

Das Gesetz sieht vor, dass das Ölministerium und die Nationale Irakische Ölgesellschaft neu geordnet werden. Kernpunkt ist aber, dass die staatliche Kontrolle über den Großteil der irakischen Öl- und Gasvorkommen faktisch beendet wird, indem diese privatisiert werden. Denn das Gesetz klammert zwar die aktuell produzierenden Ölfelder aus, sie verbleiben in irakischer Kontrolle, hierbei handelt es sich jedoch um lediglich 17 der insgesamt 80 bekannten Felder. Auf die restlichen 63 Ölfelder sollen nach Verabschiedung des Gesetzes multinationale Konzerne für mindestens 30 Jahre den Zugriff erhalten, wobei sie etwa 70% der zu erwartenden Profite einstreichen können.[13] Allein dies würde es den Ölfirmen erlauben, sich 64% der gesicherten irakischen Ölreserven von ca. 110 Mrd. Barrel, also 73.6 Mrd. Barrel unter den Nagel zu reißen. Darüber hinaus räumt das Gesetz den Ölkonzernen auch noch den Zugriff auf sämtliche Ölfelder ein, die künftig im Irak entdeckt werden. Dies ist deshalb von besonderer Bedeutung, da im Irak noch gigantische zusätzliche Ölvorkommen vermutet werden, der Großteil des Landes ist bislang unerforscht. So jubelt etwa die US-amerikanische Energy Information Administration: „Experten sind sich darüber einig, dass der Irak einer der wenigen verbliebenen Orte ist, an denen riesige Reserven bislang kaum ausgebeutet wurden.“[14] Zwar gehen die Schätzungen über die zusätzlichen Reserven weit auseinander, die Spanne reicht von 80-200 Mrd. Barrel, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kommen aber somit mindestens weitere 100 Mrd. Barrel hinzu, die künftig von den Ölkonzernen ausgebeutet werden könnten.[15] Berücksichtigt man zudem, dass die Produktionskosten im Irak mit 1-1.50 Dollar pro Barrel extrem niedrig sind, wird deutlich, welch gigantische Summen dabei für die beteiligten Konzerne herausspringen könnten, sollte der immense Druck Washingtons schließlich doch noch zur Verabschiedung des Gesetzes führen.

Krieg lohnt sich

Wird das Ölgesetz verabschiedet, sichern sich die Ölkonzerne die Profite an 70% von mindestens 200 Mrd. Barrel irakischen Öls, was bei einem Ölpreis von ca. 80$ pro Barrel (Stand Mitte September), einen Gesamtprofit von etwa 11 Billionen Dollar ergeben würde (kein Übersetzungsfehler gemeint sind tatsächlich 11.000 Mrd. Dollar!). Selbst wenn man von dieser Summe noch diverse Kosten abziehen muss, wird hieraus deutlich, um welch immense Beträge es hierbei geht. In diesem Zusammenhang legt die Tatsache, dass die bisherigen Kosten des Irak-Krieges im Juli 2007 mit $450 Mrd. angegeben wurden[16], die zynischen Feststellung nahe, dass sich Krieg offensichtlich doch lohnt, zumal diese Kosten über Steuern von der US-Bevölkerung getragen werden, während die Profite aus dem irakischen Ölgeschäft direkt in die Taschen der mit Bush eng verbandelten Ölmultis wandern.

Als Begründung, weshalb das Ölgesetz für den Irak unbedingt notwendig – und segensreich – sei, muss permanent das Argument herhalten, ohne ausländische Investitionen in die Infrastruktur könne die Produktion nicht in Gang kommen. Das Parlament müsse „ein neues Ölgesetz verabschieden, das es internationalen Konzernen ermöglicht, Investitionen im Irak zu tätigen“, so etwa US-Energieminister Samuel Bodman im Februar 2007. Das Gesetz sei für die weitere Entwicklung des Iraks von so überragender Bedeutung, dass seine Verabschiedung nach der Herstellung von Sicherheit die größte Priorität der US-Regierung sei, so Bodman.[17] Hierbei handelt es sich aber um ein Scheinargument, wie Helmut Merklein, von 1984 bis 1990 US-Energiestaatssekretär, ausführt: „Wenn es das Ziel ist, die Produktion auf die Quote von vor dem Golfkrieg (3.14 Mio. Barrel am Tag) zu heben, benötigt der Irak eine Kapitalzufuhr von weniger als 1 Mrd. Dollar. Und er benötigt ganz sicher nicht die Multinationalen Konzerne, um Zugang zu diesen Investitionen zu erhalten.“[18]

Ganz offensichtlich geht es darum, den großen Vier – Exxon-Mobile, Chevron, BP-Amoco und Royal Dutch- Shell -, die primär vom irakischen Ölreichtum profitieren werden, gigantische Profite zu garantieren. Damit das Geld auch in die richtigen Taschen wandert, verfügte Paul Bremer mit seiner Executive Order 13303 die Annullierung früherer Ölverträge, insbesondere Frankreich und Russland hatten mit Saddam Hussein umfangreiche Explorationsvereinbarungen unterzeichnet.[19] „Im neuen Ölgesetz, das gerade entworfen wird, heißt es, dass jeder Vertrag, der mit dem einstigen Regime und mit den Behörden der kurdischen Autonomie geschlossen wurde, revidiert und in Einklang mit dem neuen Gesetz gebracht werden muss“, sagte der irakische Ölminister Hussein el-Schahristani.[20] Darüber hinaus erklärte er, dass die irakische Regierung beabsichtigt, sich sofort nach Verabschiedung des Gesetzes an die Verschleuderung der Ölvorkommen zu machen: „Gegenwärtig wird aktiv an dem Dokument gearbeitet. Ich hoffe darauf, dass das Gesetz im September angenommen wird. Gleich darauf werden Ausschreibungen zur Erschließung irakischer Ölvorkommen stattfinden.“[21] El-Schahristanis Hoffnung, noch im September Vollzug melden zu können, hat sich mittlerweile allerdings aufgrund des massiven innerirakischen Widerstands zerschlagen.

Wachsender Widerstand und Druck der Besatzer

Die USA sind zunehmend darüber verärgert, dass die Regierung um Premierminister Nouri al-Maliki bislang nicht in der Lage war, das Ölgesetz im Parlament durchzuboxen. Schon im Dezember 2006 berichtete die New York Times, dass sowohl der damalige US-Kommandeur im Irak, George W. Casey Jr., als auch US-Botschafter Zalmay Khalilzad, der bereits wiederholt als Öllobbyist in Erscheinung trat, „irakische Politiker dazu aufgefordert haben, das Ölgesetz ganz oben auf ihre Agenda zu setzen.“[22] Die US-Regierung hat mittlerweile die Verabschiedung des Gesetzes zu einem der zentralen „benchmarks“ erklärt, die für die Gewährleistung weiterer Hilfe umgesetzt werden müssen: „Entnervt erhöhte die USA-Regierung den Druck auf die irakische Regierung. Am 26. Mai 2007 erklärte man, Irak erhalte keine weitere Wiederaufbauhilfe aus den USA, solange es nicht das neue Ölgesetz verabschiedet habe.“[23] Die zunehmenden Konflikte und die harsche Kritik der USA an Premierminister al-Maliki dürfte somit nicht zuletzt der Tatsache geschuldet sein, dass er nicht in der Lage war, das Gesetz durchzudrücken. Dass al-Maliki wiederum darüber besorgt ist, dass für die USA dieses Versagen Anlass genug sein könnte, einen weiteren Regimewechsel einzuleiten, zeigt die Prioritäten Washingtons überdeutlich: „Premierminister Nouri al-Maliki fürchtet, dass die Amerikaner ihre Unterstützung für seine Regierung zurückziehen – und ihn damit de facto feuern – werden, sollte das Parlament das Ölgesetz nicht verabschieden“, gab ein enger Berater des Premiers gegenüber Associated Press an.[24]

Auch hinsichtlich des Ölgesetzes kollidieren die Interessen der Besatzer einmal mehr mit denen der überwiegenden Mehrheit der irakischen Bevölkerung. „Eine Umfrage in Irak ergab, dass Iraker aller religiösen und ethnischen Gruppierungen es mehrheitlich ablehnen, die nationalen Ölressourcen ausländischen Konzernen zu überlassen. Weniger als ein Viertel der Befragten fühlte sich ausreichend über das neue Ölgesetz informiert. 63 Prozent sprachen sich gegen Verträge für ausländische Konzerne aus, stattdessen sollten irakische Firmen irakisches Öl fördern und verarbeiten.“[25] Vor diesem Hintergrund wächst der parlamentarische Widerstand: „Mehr und mehr Parlamentsabgeordnete rufen dazu auf, das Gesetz vor seiner Annahme sorgfältig zu studieren.“[26] Auch der außerparlamentarische Druck nimmt zu, insbesondere durch die Gewerkschaften: „Nachdem das Gesetz damit auch in der irakischen Öffentlichkeit bekannt geworden war, hagelte es Proteste. Allen voran von der irakischen Erdölarbeitergewerkschaft in Basra und der Dachorganisation Föderation der Ölgewerkschaften. Man organisierte Streiks und Demonstrationen, veröffentlichte eine lange Liste von Forderungen. Ministerpräsident Nuri al-Maliki schickte Truppen gegen den Streik, das war selbst einigen Soldaten zu viel, der Befehl ließ sich nicht halten. Ölminister Hussein al-Scharistani verbot die Gewerkschaft schließlich auf Grundlage eines Gesetzes aus der Zeit Saddam Husseins.“[27]

Anmerkungen

[1] Kiechle, Brigitte: Das Kriegsunternehmen Irak. Eine Zwischenbilanz, Stuttgart 2006, S. 106.
[2] Hier zeigt sich eine auffällige Parallele zum maßgeblich von Deutschland betriebenen afghanischen „Investitionsschutzabkommen“, das exakt dieselben großzügigen Regelungen für westliche Konzerne enthält.
[3] Vgl. Fahrni, Oliver: IRAK – welcome to the empire, Zürich, September 2004, URL: http://www.km21.org/welt_in_der_revolte/irak-ordnung_0904.html (17.09.2007); Guilliard, Joachim: IRAK: Zerstört – besetzt – geplündert! Privatisierung und Ausverkauf der irakischen Wirtschaft unter der Besatzungsherrschaft, Vortragsmanuskript 15.7.2005, URL: http://www.antikriegsforum-heidelberg.de/irakkrieg2/hintergrund/vortrag_muenchen_150705.htm#_edn13 (18.09.2007); Kiechle 2006 aaO, Kapitel 2.
[4] Holland, Joshua: Bush’s Petro-Cartel Almost Has Iraq’s Oil, alternet, 16.10.2006. Bestürzenderweise weist die irakische Verfassung eine große Ähnlichkeit zur chilenischen auf, die kurz nach dem durch die USA unterstützten Militärputsch verabschiedet und auf deren Grundlage die sozialistische Politik Salvador Allendes in ihr neoliberales Gegenteil verkehrt wurde. Siehe Harvey, David: Neoliberalism and the City, in: Studies in Social Justice, Volume 1, Number 1, Winter 2007.
[5] Vgl. zum Besatzungsrecht Oeter, Stefan: Post-Conflict Peacebuilding, in: Friedenswarte, Nr. 1-2/2005, S. 41-60; Scheffer, David J.: Beyond Occupational Law, in: The American Journal of International Law, Vol. 97, No. 4 (October 2003), pp. 842-860; Kiechle aaO, S. 107ff.
[6] Blood for Oil? A Group Of Writers And Activists Considers Whether Oil Was The Reason For The Invasion Of Iraq‘, London Review of Books, April 21, 2005, URL: http://www.lrb.co.uk/v27/n08/reto01_.html (10.08.2007).
[7] Vgl. zu den Krisentendenzen des neoliberalen Systems bspws. Söderberg, Susanne: Das amerikanische Empire und die „ausgeschlossenen Staaten“, in: Prokla, Jg. 34, Heft 135 (2004), S. 299-319; Pieterse, Nederveen: Globalization or empire, New York 2004, S. 14.
[8] Zeller, Christian: Die Eigentumsfrage ernst nehmen! Die Aktualität von Enteignung und Aneignung, in: Sand im Getriebe Nr. 31, März 2004.
[9] Guilliard aaO.
[10] Seifert, Thomas/Werner, Klaus: Schwarzbuch Öl. Eine Geschichte von Gier, Krieg, Macht und Geld, Bonn 2006, S. 93.
[11] Parsons, Robert James: Ein US-Kriegsziel fast erreicht. Neues Ölgesetz in Irak – Kontrolle der Mehrheit der Ölreserven für US-Firmen, St. Gallener Tagblatt, 04.04.2007.
[12] Guilliard, Joachim: Öl-Raub per Gesetz: Die ökonomische Invasion des Irak, Friedensforum 2/2006.
[13] Parsons aaO.
[14] Energy Information Administration: Country Analysis Brief: Iraq, August 2007.
[15] Luft, Gal: How Much Oil Does Iraq Have?, Brookings Institution Iraq Memo #16, May 12, 2003.
[16] Belasco, Amy: The Cost of Iraq, Afghanistan, and Other Global War on Terror Operations Since 9/11, CRS Report, July 16, 2007.
[17] Deshmukh, Jay: US wants new Iraq oil law so foreign firms can take part, Agence France-Presse, 18.07.2007.
[18] Iraq under US Occupation, The Oil Law, URL: http://www.cooperativeresearch.org/project.jsp?project=us_occupation_of_iraq (16.09.2007).
[19] In diesem Zusammenhang ist auch die berüchtigte „Wolfowitz-Direktive“ vom Dezember 2003 zu sehen, in der der damalige Vizeverteidigungsminister ankündigte, Frankreich, Russland und Deutschland, also die Länder, die hinsichtlich des US-Überfalls auf den Irak nicht ganz auf Linie waren, von Wiederaufbauverträgen auszuschließen. Dennoch profitieren auch deutsche Konzerne bestens bei der Ausplünderung des Iraks mit. Vgl. hierzu Kiechle aaO., Kapitel 2.VII.
[20] Iraks Ölminister: Verträge aus Saddam-Hussein-Zeit werden revidiert, Ria Novosti, 09.08.2007.
[21] Irak schreibt seine Ölvorräte gleich nach Verabschiedung von Ölgesetz aus, RIA Novosti, 09.08.2007.
[22] Wong, Edward: Iraqis Near Deal on Distribution of Oil Revenues, New York Times, 06.12.2006.
[23] Leukefeld, Karin: Neues Ölgesetz stößt auf Widerstand, Neues Deutschland, 20.08.2007.
[24] Al-Maliki tells aides U.S. benchmark deadline is June 30 or his ouster possible, Associated Press, 13.03.2007.
[25] Leukefeld aaO.
[26] Chalabi, Muni: Was hält eigentlich die Ablieferung des lang erwarteten irakischen Ölgesetzes auf?, ZMag, 22.08.2007.
[27] Leukefeld aaO.

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