Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2007/047

EU-Verfassung auf dem Weg

Ende Juni soll neue Roadmap präsentiert werden

Christoph Marischka (15.06.2007)

In der geheim vorbereiteten und am Festakt zur Feier des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge veröffentlichten „Berliner Erklärung“ hat die Bundesregierung die Absicht bekundet, „die Europäische Union bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen.“ Gemeint ist eine Neuauflage des gescheiterten Verfassungsvertrages. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags (WD) gibt einen Überblick über die gegenwärtigen Kontroversen und erläutert, wie die „erneuerte gemeinsame Grundlage“ aussehen könnte.(1) Wenn der Zeitplan eingehalten wird, dann muss der Vertragstext bis Anfang 2008 stehen – Spielraum für Änderungen bleibt dabei kaum.

Das interessante: Selbst der WD kann stellenweise nur mutmaßen, denn die veränderte Verfassung wird „in vertraulichen Verhandlungen auf der Ebene von Sonderbeauftragten der Staats- und Regierungschefs (´Sherpas´)“ vorbereitet. Startschuss war die Berliner Erklärung im März 2007, seit Mai finden „Dauerverhandlungen“ statt. Beim EU-Gipfel am 21. und 22. Juni soll dann eine Roadmap vorgelegt werden, die also noch unter deutscher Präsidentschaft ausgearbeitet wurde. Über den in der Berliner Erklärung ebenfalls von der deutschen Regierung vorgelegten Zeitplan scheint Einigkeit zu herrschen. Um aber – wie dort vorgesehen – die neue EU-Grundlage bis 2009 zu schaffen, muss die Vorlage bis Ende des Jahres fertig sein und mit Beginn der slowenischen Ratspräsidentschaft, auf dem Frühjahrsgipfel 2008 unterzeichnet werden. Ansonsten kann die Ratifizierung in den Mitgliedsstaaten nicht rechtzeitig erfolgen.

Der WD geht davon aus, dass die Bezeichnung „Verfassung“ fallen gelassen, die „Substanz der Verfassung“ jedoch gerettet wird. Es könnte dies in Form eines neuen Grundlagenvertrags oder auch nur einer klassischen Vertragsänderung geschehen, wobei von Deutschland wohl erste Variante bevorzugt wird. Am Ende werden noch Vorschläge genannt, die einzelnen Vertragsteile nach unterschiedlichen Varianten zu verabschieden.

Obwohl es – insbesondere aus Polen – heftigen Widerstand gegen die „doppelte Mehrheit“ (die großen, bevölkerungsreichen Staaten ein größeres Stimmgewicht verleiht) gibt, werden die institutionellen Änderungen aus dem Verfassungsentwurf vermutlich alle übernommen. Im Bereich der Innenpolitik können einigen Staaten, denen die Staatlichkeit der EU zu weit geht, „Opt-outs“ angeboten werden, wie das in der Kriegspolitik bereits der Fall ist. Nicht alle Staaten müssen dann an jedem Integrationsschritt in einzelnen Bereichen teilnehmen. Ein Kerneuropa, das bei der Integration in einzelnen Politikbereichen „voranschreitet“, soll weiterhin möglich sein.

Da der Begriff „Verfassung“ wegfällt, kann dies auch die Präambel, womit sich die Diskussion um einen Bezug auf „christliche Werte“ oder das vermeintlich „christliche Erbe“ erübrigt. Es gibt außerdem deutliche Anzeichen dafür, dass die Grundrechtecharta aus dem Vertragstext als Protokoll oder Anhang herausgenommen und dort lediglich auf sie verwiesen wird. Insgesamt soll natürlich verhindert werden, dass es Referenden in den Mitgliedsstaaten gibt – gelten diese doch als „Unwägbarkeiten bei der Ratifizierung“. Regierungen, die Änderungen durchsetzen wollen, haben dadurch ein leichtes Druckmittel, wenn sie sagen „dann müssen wir darüber aber das Volk abstimmen lassen“.

All dies bedeutet, dass der Verfassungsentwurf mit seinen militaristischen Komponenten insbesondere von der deutschen Ratspräsidentschaft doch noch durchgesetzt wird. Dies soll die internationale „Handlungsfähigkeit“ – z.B. durch einen gemeinsamen Außenminister und erhöhte Militäretats – steigern und inneren Widersprüche durch eine Zentralisierung der Entscheidungsfindung nivellieren. Dass die „erneuerte Grundlage“ im Geheimen vorbereitet wird, Volksbefragungen vermieden werden und die Grundrechtecharta nun zum Anhang verkommt, weist erneut auf den anti-demokratischen Charakter dieses Projekts hin.

Anmerkungen

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(1) Wissenschaftliche Dienst des Bundestags: Von der Verfassung für Europa zu einem neuen Reformvertrag?, http://www.bundestag.de/bic/analysen/2007/Verfassungsreformvertrag.pdf

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