Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2006/060 - in: AUSDRUCK (August 2006)

Der Krieg gegen den Terror: US-Militär in Paraguay

Jonna Schürkes (18.08.2006)

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Eine der wichtigsten Militärbasen der US-Armee in Südamerika befindet sich in Paraguay. Bis Ende 2006 können sich die US-Truppen frei auf paraguayischem Territorium bewegen. Den Soldaten wurde Immunität zugesagt. Begründet wird diese militärische Präsenz seitens der USA mit der Behauptung an der Grenze zu Argentinien und Brasilien befänden sich Zentren der Hisbollah und der Hamas. Im Juni 2006 erklärte Janice L. Kephart, vom Centre for Immigration Studies vor dem US-Repräsentantenhaus: „Die große arabische Gemeinschaft in der ‚Tri-Border-Area‘ (Grenzregion Argentinien, Brasilien und Paraguay) fördert die Errichtung von ‚Schläferzellen‘ islamistischer Terroristen, u.a. der Hisbollah und Al-Quaeda“.[1] In der Region seien Trainingslager der Hisbollah, hier würden Anschläge geplant und Geldwäsche betrieben. In einem vom Repräsentantenhaus in Auftrag gegebenen Bericht über die Tri-Border-Area aus dem Jahr 2003 wird darauf hingewiesen, dass sich in der Region nicht nur islamistische Terrorzellen, sondern auch kriminelle indigene Organisationen aus Argentinien, Paraguay und Kolumbien, sowie mafiöse Organisationen aus der ganzen Welt (u.a. China, Russland, Libyen und Nigeria) befänden.[2]

Intervention unter dem Deckmantel der OAS

Der Protest paraguayischer Organisationen, aber auch der Regierungen von Bolivien, Brasilien und Argentinien gegen die US-amerikanischen Truppen und vor allem gegen die Zusage der paraguayischen Regierung im May 2005, den Soldaten Immunität zu gewähren, war für die US-Regierung nicht zu überhören.[3] Lateinamerikanischen Zeitungen zufolge, versucht die US-Regierung nun die OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) dazu zu bewegen, Truppen in die Region zu schicken. Einerseits wäre die Operation unter OAS-Mantel besser zu legitimieren, andererseits soll es sich den Zeitungsberichten zufolge um die Region im Süden Paraguays handeln, die US-Basis Mariscal Estrigarribia befindet sich im Norden des Landes, 200 km von der bolivianischen Grenze entfernt. Die US-Regierung leugnet dagegen jegliche Präsenz einer US-Militärbasis und behauptet, man beschränke sich auf gemeinsame Übungen mit dem paraguayischen Militär, um den paraguayischen Staat dabei zu unterstützen, die eigenen Grenzen zu sichern. In dem bereits oben erwähnten Bericht von 2003 wird den Regierungen von Brasilien, Argentinien und vor allem Paraguay vorgeworfen, sie seien weder willens noch in der Lage die kriminellen und terroristischen Aktivitäten in der Region zu stoppen.

Die OAS-Antiterrortruppe ist als zusätzliche Truppe und nicht als Ablösung der US-Truppen in Paraguay gedacht. Ob die USA dies in der OAS durchsetzen können, ist jedoch fraglich. Der brasilianische Botschafter in Washington Roberto Abdenur und der venezolanische Präsident Hugo Chavez haben bereits ihre „starken Bauchschmerzen“(Abdenur)[4] bzw. Empörung (Chavez)[5] über dieses Vorhaben zum Ausdruck gebracht, das Parlament des argentinischen Departments Misiones, das in der Grenzregion liegt, forderte Ende Juli die USA auf, die Souveränität Argentiniens zu respektieren und lehnte den Versuch der Militarisierung der Tri-Border Area ab.[6] Die Regierung in Buenos Aires hat sich bisher nicht zu dem Thema geäußert. Der mexikanischen Zeitung La Jornada und der argentinischen Zeitung Clarin zufolge hat der US-Kongress am 14. Juli 2006 beschlossen, die Bildung einer Antiterrortruppe bei der OAS zu beantragen.[7] Dies wird jedoch von US-amerikanischer Seite bisher nicht bestätigt. Die Reaktionen der Regierungen in Lateinamerika zeigen jedoch, dass es mehr als ein Gerücht ist.

Die „wahre“ Motivation der USA

Abgesehen davon, dass selbst wenn sich in der Region Ausbildungs- und Rekrutierungslager von Terroristen befänden, die Stationierung von US-Soldaten mit Verweis auf die Souveränität der betroffenen Länder nicht zu rechtfertigen wäre, wird von verschiedenen Organisationen vermutet, die Motivation der US-Armee sei eine vollkommen andere. So wird etwa darauf hingewiesen, dass sich in der Region eines der größten Süßwasserreservoirs der Welt befindet.[8] Zudem wird den US-Truppen in Paraguay vorgeworfen, sie würden sich aktiv an der Repression gegenüber sozialen Bewegungen und vor allem der Landlosenbewegung in Paraguay beteiligen. Die Nachrichtenagentur des Mercosurs meldet, dass den US-Truppe vorgeworfen wird, für den Tod und das Verschwinden verschiedener Mitglieder der Landlosenbewegung im Norden des Landes verantwortlich zu sein.[9] Das Interesse der paraguayischen Regierung dürfte vor allem darin liegen, die Landlosenbewegung durch massive Drohungen auch durch die US-Armee einzuschüchtern. Die Landfrage ist wohl eines der zentralen innenpolitischen Probleme Paraguays. Das Land im Norden ist im Besitz weniger Großgrundbesitzer, die dies größtenteils während der Diktatur von Alfredo Stroessner (1954-1989) als Dankeschön für ihre Verdienste im Militär zugeteilt bekamen. Die Ex-Militärs haben weiterhin starken Einfluss auf die Politik des Landes. Im September 2004 drohte der Präsident Duarte Frutos den Landlosen mit massiver Gewalt, sollten sie die Besetzung von Land nicht beenden: „Es wird jemand kommen und eure Frauen und Töchter vergewaltigen und ihr werdet den Mund halten müssen (…) Sie werden euch eure eigene Medizin – die Gewalt – zu trinken geben“.[10] Angesichts dessen ist die Immunitätsgarantie für die US-Soldaten nicht verwunderlich.

Hinzu kommt, dass die Präsenz der in den 80er Jahren von der US-Armee errichteten Militärbasis Mariscal Estrigarribia und die Meldung verschiedener lateinamerikanischer Tageszeitungen im Juli 2005, über 400 US-Soldaten unter dem Kommando der Southcom (Kommando der US-Armee für Lateinamerika) wären auf der Militärbasis eingetroffen, vor allem die bolivianische Regierung beunruhigt. Die wichtigsten Gas- und Ölvorkommen Bolviens liegen im Department Tarija, an der Grenze zu Paraguay. Zudem wird vermutet, dass die US-Regierung an einer Präsenz im Süden Boliviens interessiert ist, um die Entwicklungen beobachten zu können und oppositionelle Gruppen, die vor allem im Süd-Westen Boliviens zu finden sind, zu unterstützen, sollten sie sich gegen die Regierung Morales wenden wollen.

Anmerkungen

[1] Janice L. Kephart (Juni 2006): Hearing before the House Committee on the Judiciary Subcommittee on Immigration, Border Security, and Claims Oversight Hearing on „The Need to Implement WHTI to Protect U.S. Homeland Security.“, http://judiciary.house.gov/media/pdfs/kephart060806.pdf
[2] Rex Hudson (Juli 2003): Terrorist and organized crime groups in the tri-border-area (TBA) of South America http://www.loc.gov/rr/frd/pdf-files/TerrOrgCrime_TBA.pdf
[3] „Paraguay concedió inmunidad a las tropas de Estados Unidos“, in: Clarin 13.06.05
[4] „Moção sobre Tríplice Fronteira provoca mal-estar nos EUA“, in: Folha 27.07.06
[5] „Chávez rechaza creación de fuerza antiterrorista en triple frontera“, in: Agencia Bolivivariana de Noticias 21.07.06
[6] „Rechazo de tropas extranjeras en las 3 Fronteras“ (28.07.06) http://www.diputadosmisiones.gov.ar/noticias/leer.php?id=4478
[7] „Rechazan la presencia de tropas de la OEA en la Triple Frontera“, in: La Jornada 30.07.06
Und „Triple Frontera: piden en EE.UU. crear una fuerza antiterrorista“, in: Clarin 18.07.06
[8] Ceceña, Ana Esther, Motto, Carlos (2005): Paraguay: Ausgangspunkt für die Beherrschung des Südkegels, in: Welttrends Nr.49, Winter 2005/2006; S. 37-46.
[9] „Acusan a marines estadounidenses por muerte de campesinos“, in: Agencia Periodistica del Mercosur 12.07.06
[10] Cronología del conflicto: Paraguay, in: Revista del Observatorio Social de América Latina, No. 15 2004, S. 145.

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