Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Analyse 2006/012 - in: AUSDRUCK (Juni 2006)

„Weltweit führen und handeln“

Deutsche Marine, Flottenkommando und EU-Militärpolitik

Johannes Plotzki (12.06.2006)

https://www.imi-online.de/download/JP-Flottenkommando.pdf

Die Deutsche Marine stellt eine Hauptstütze für die bundesdeutschen Militäreinsätze im Ausland dar und ist mit führenden Funktionen sowohl in die „Operation Enduring Freedom“ (OEF), als auch in die Schnellen Eingreiftruppen der NATO (Rapid Reaction Forces, RRF) und die „NATO Response Force“ (NRF) eingebunden. An der OEF, dem so genannten „Krieg gegen den Terror“, beteiligt sich die Marine maßgeblich mit dem Kommando über die Marinelogistikbasis im Einsatzgebiet am Horn von Afrika. Im März diesen Jahres übernahm Deutschland die Führung des „Ständigen Minenabwehrverbandes Nord der NATO“ (SNMCM Group 1) im Rahmen der NRF-6. Auch zukünftig wird sich die deutsche Marine an allen vier Ständigen Marineverbänden der NATO beteiligen.

Anfang April beendete die Marine das Manöver „Brilliant Mariner 2006“, eine große NATO-Übung, die für die Seestreitkräfte der NRF gleichzeitig eine Einsatz- und Zertifizierungsübung darstellte. Damit erhielten die beteiligten Verbände das Zertifikat für die NRF-7. Die Übung fand im Bereich der Deutschen Bucht, Nordsee, Skagerrak, Kattegat und in den angrenzenden Territorialgewässern Dänemarks, Deutschlands, der Niederlande, Norwegens und Schwedens statt. Sie stellte die letzte Phase der Vorbereitung dar, bevor sich die drei Teilstreitkräfte der NRF in diesem Juni zusammen an der NRF-Übung „Steadfast Jaguar“ auf den Kapverdischen Inseln vor der Westküste Afrikas beteiligen. Die NRF-7 wird dann ab dem zweiten Halbjahr 2006 Stand-by für weltweite Militäreinsätze abrufbereit zur Verfügung stehen. Mit dabei auch die deutsche Marine. Dies bedeutet dann konkret, wenn ein Einsatz der NRF z.B. im Sudan im zweiten Halbjahr 2006 mit Seestreitkräften kommen sollte, so werden sich auch Teile der deutschen Marine daran beteiligen.

Für die bisherigen Auslandseinsätze der Bundeswehr ist das Flottenkommando der Marine im schleswig-holsteinischen Glücksburg wesentlich. In Zukunft wird es aber zusätzlich vor allem eine Schlüsselrolle in der EU-Militärpolitik spielen. So soll beispielsweise auch der bevorstehende EU-Militäreinsatz im Kongo unter wesentlicher Beteiligung der deutschen Marine durchgeführt werden. Für die militärische Komponente der Europäischen Union ist das Flottenkommando als eines der so genannten „European Maritime Component Commands“ (EMCC), also als EU-Marine-Hauptquartier vorgesehen. Die Zertifizierung dazu erfolgte im Rahmen eines multinationalen Manövers („European Challenge 2005“), das im April 2005 stattfand. Über ein Computernetzwerk koordinierte das Flottenkommando den gemeinsamen Einsatz von europäischen Krisenreaktionskräften der Marine zur See. „Heutzutage wird ja alles zertifiziert, vom Joghurt bis zum Marinehauptquartier“, wie es der stellvertretende Befehlshaber der Flotte und Chef des Stabes, Konteradmiral Hoch ausdrückte.[1] Damit weist das deutsche Marinehauptquartier nun die Fähigkeit nach, weltweit einen multinationalen Marine-Verband im Rahmen von EU-Militäreinsätzen führen zu können. Die EU unterhält vergleichbare Hauptquartiere in Tarent (Italien), Rota (Spanien) und Portsmouth (Großbritannien). Diese Neuausrichtung eines deutschen Marinestützpunktes auf EU-Aufgaben, die letztlich, wie hier ausgeführt wird, auf die Durchsetzung deutscher Interessen abzielt, ist eingebunden in eine breit angelegte Umstrukturierung der Deutschen Marine hin zu einem veränderten Einsatzspektrum.

Die Deutsche Marine – „In der ganzen Welt zu Hause!“

1956 wurden erstmalig freiwillige Bürger in die Ebkeriege Kaserne in Wilhelmshaven einberufen. Seitdem hat die Deutschen Marine einen tief greifenden Wandel hin zu einer weltweit einsetzbaren Teilstreitkraft erfahren. Ganz offen wird in den Reihen der Marinekommandierenden nun wieder von Kriegseinsätzen gesprochen. Dies war schon einmal der Fall, wie die Homepage der Marine anlässlich ihres 50-Jährigen Bestehens ausführt: „Nach der Einführung einer neuen Fahne (…) im Jahr 1933 und der Veränderung des Eides auf Adolf Hitler nach dem Tod Hindenburgs im August 1934, erhielt die Reichsmarine 1935 ihren zweckbestimmten Namen: Sie hieß fortan Kriegsmarine.“

Die Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) vom 21. August 2003, sowie die Konzeption der Bundeswehr (KdB) vom 9. Mai 2004 als untergeordnetes Planungsdokument, definieren die Neuausrichtung der Bundeswehr. Dies gilt für alle drei Teilstreitkräfte und somit auch für die Marine: „Für die Deutsche Marine ist es daher notwendig, die von den VPR festgelegten Fähigkeiten bereitzustellen. (…) Grundsätzlich gilt es, maritime Fähigkeiten aufzubauen, die es den Streitkräften der Bundesrepublik Deutschland gestatten, die See als stets verfügbares, weltweites Aufmarsch- und Operationsgebiet für die Erfüllung der wahrscheinlichen Aufgaben zu nutzen.“[2]

Die „Entregionalisierung bei der künftigen Einsatzplanung der Flotte“[3] als das konzeptionelle Ziel der Deutschen Marine, beschrieb der dafür zuständige Referatsleiter im Führungsstab der Marine, Jürgen Mannhardt, wie folgt: „Die Marine muss befähigt sein, lang andauernd sowohl auf offener See als auch in fremden Küstengewässern durchsetzungsfähig operieren zu können. […] Darüber hinaus wird der Feuerunterstützung von See an Land eine zunehmende Bedeutung zukommen. Durch sie kann der Zugang zum Operationsgebiet von See aus erkämpft werden. […] Die Marine muss deshalb zur präzisen Bekämpfung von Landzielen auch auf größere Distanz von der Küste befähigt sein.“[4] Neue Fregatten, Korvetten und U-Boote setzen dieses offensive Konzept bereits um. Ihre Anschaffung erfolgte sukzessive in den vergangenen vier Jahren unter rot-grüner Bundesregierung und ist noch nicht gänzlich abgeschlossen.

Aktuell umfasst die Flotte der deutschen Marine noch 81 Einheiten, vom kleinen Schlepper bis hin zur Fregatte. Dies bedeutet zwar einerseits eine Verringerung der Anzahl der schwimmenden Einheiten von vormals 110, aber andererseits eine umfassende Steigerung der Wirksamkeit der neu angeschafften Boote und Fregatten im Kontext eines veränderten Einsatzspektrums. Das heißt also konkret, insgesamt weniger Einheiten, diese dafür aber mit modernster Technik ausgestattet und auf weltweite Kampfeinsätze ausgerichtet. Eine Tendenz, die sich im Übrigen auch in den zwei weiteren Teilstreitkräften (Heer und Luftwaffe) wieder findet. Ab Sommer diesen Jahres wird die Umstrukturierung der Marine soweit abgeschlossen sein, dass alle Einheiten in den dann neu geschaffenen zwei Einsatzflottillen integriert sind. Dabei wird als Aufgabenspektrum der Einsatzflottille 1 (siehe Grafik) nicht nur die Sicherstellung der Führungsfähigkeit und Langzeitpräsenz, sondern auch die „Über- und Unterwasserkriegsführung“[5] aufgeführt. Auffällig offen werden bei der Marine deren Ziele benannt. Insgesamt umfasst der Personalbestand 20.000 Marineangehörige, von denen 34 ständig im „EU-Force Head Quarters“ (FHQ) in Ulm stationiert sind und weitere im „EU-Operation Head Quarters“ (OHQ) in Potsdam-Geltow

NUCAT und GEMCO – Wenn Marinebefehlshaber Kriegspolitik machen

Dass nicht nur Entscheidungen auf politischer Ebene die Neuausrichtung der Marine vorantreiben, sondern es auch die Militärs selbst sind, die diese befördern und entwerfen, soll im Folgenden dargelegt werden. Im Mai 2001 erörterten die Befehlshaber der europäischen Marinen, die „Chiefs of the European Navies“ (CHENS), in Irland, worin der maritime Beitrag zu streitkräftegemeinsamen Einsätzen der EU in der Folge des „Helsinki Headline Goal“[6] liegen könnte. Zu diesem Zweck wurde eine Arbeitsgruppe mit der Bezeichnung „European Maritime Initiative“ (EMI) gegründet. Diese Arbeitsgruppe erstellte ein Dokument mit der Bezeichnung „Maritime Dimension of European Joint Operations“ (MDEJO). Darin wird dargestellt, wie ein Befehlshaber einer von der EU geführten militärischen Operation die speziellen Eigenschaften von See- und Seeluftstreitkräften nutzen kann. Es gibt einen Überblick über das breite Spektrum an operativen Handlungsoptionen, die ein maritimer Einsatzverband – einschließlich der Seeluftstreitkräfte und der amphibischen Kräfte – für die Durchführung einer streitkräftegemeinsamen Operation bietet.

Zur Veranschaulichung wurde das von der EU entwickelte Krisenszenario „Separation of Parties by Force“ ausgewählt, welches den Petersberg-Aufgaben zuzurechnen ist. Auf der Basis der gemäß Helsinki-Headline Goal gemeldeten Kräfte wurden folgende zwei Initiativen gestartet. Beide basieren auf den in der Europäischen Sicherheitsstrategie (ESS) definierten vier Hauptbedrohungen für die Sicherheit der EU: dem so genannten internationalen Terrorismus, Massenvernichtungswaffen, so genannten gescheiterten Staaten und Regionalkonflikten.

Das erste daraus resultierende Dokument ist ein Anforderungskatalog an die Marine zur Bekämpfung asymmetrischer Bedrohungen, ein Papier mit dem Titel „Naval Utility Countering Asymmetric Threats“ (NUCAT). Bei diesem von den Marine-Chefs entwickelten Katalog wird als Ziel die Identifizierung und Benennung der Anforderungen an die Seestreitkräfte benannt, um im Zuge einer integrierten und gemeinsamen Strategie asymmetrische Bedrohungen, v.a. durch Terrorismus, bekämpfen zu können, denn die Meere stellten ein mögliches Einfallstor für terroristische Attacken bis in das Herz Europas dar, so das Dokument.

Das zweite und wesentlich spannendere Dokument ist das so genannte „Generische, europäische Konzept maritimer Operationen“ (Generic European Maritime Concept of Operations, GEMCO). Am 17. Februar 2004 fand im Flottenkommando in Glücksburg die Präsentation dieses generischen europäischen Konzepts zukünftiger maritimer Operationen im Rahmen der Europäischen Union vor einer Gruppe ausgewählter Journalisten und Vertretern der Politik statt.

Dabei handelt es sich um ein von Marine-Befehlshabern entwickeltes Kriegsszenario, in dessen Vorfeld umfangreiche Konsultationen zwischen der NATO und der Europäischen Union stattfanden. Hierbei wurde vereinbart, dass die EU eine militärische Operation gemäß UN-Resolution unter Anwendung der so genannten Berlin-plus-Vereinbarungen, also dem Rückgriff auf vorhandene Planungskapazitäten des atlantischen Bündnisses, führen kann. Der Befehlshaber der Operation (OPCDR) wird auf der Basis vereinbarter Führungsoptionen von der NATO gestellt. Teilweise werden der NATO zur Verfügung stehende Mittel und Fähigkeiten eingesetzt.

Zu der Frage, was neu an GEMCO sei, sagte der ehemalige Befehlshaber der Flotte, und jetzige Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Nolting, es ermögliche auf europäischer Ebene einen Einsatz, wenn dieser von der NATO abgelehnt werden sollte. Das gezeigte Konzept bilde dann die Grundlage für den maritimen Anteil eines europäischen kräfteübergreifenden Einsatzes. Auch Polen und Russland könnten, so gewünscht, in Zukunft in solche Operationen eingebunden werden, wie es beispielsweise bei dem jährlichen Manöver „Open Spirit“ zur Minenabwehr bereits der Fall gewesen sei. GEMCO verschaffe die Möglichkeit, jederzeit einen Einsatzverband einzurichten und ihn innerhalb von zwei Monaten in das jeweilige Einsatzgebiet zu schicken. Die 60 Tage Vorlaufzeit dürften dabei lediglich zur Feinausplanung und Verlegung genutzt werden. „Wir wollen keine grünen Bananen losschicken, um gelbe ankommen zu lassen“, so Nolting bezeichnenderweise.[7]

Irgendwo außerhalb Europas – Das Szenario zukünftiger EU-Marineeinsätze

In dem mittlerweile aus dem Netz genommenen GEMCO-Papier[8] wird neben der Abbildung eines Westafrika ähnelnden Küstenabschnittes das zugrunde liegende Szenario wie folgt beschrieben: „Seit einiger Zeit sind Kampfhandlungen zwischen den beiden ethnischen Bevölkerungsgruppen Klins und Therc in Poruee im Gange. Alle Versuche, den Konflikt mit friedlichen Mitteln zu lösen, sind gescheitert. Die Nachbarstaaten Troid und Chague, die über beträchtliche militärische Fähigkeiten verfügen, unterstützen jeweils die angrenzende ethnische Bevölkerungsgruppe Klins bzw. Therc. In den vergangenen beiden Wochen sind die Kampfhandlungen abgeflaut. Es bestehen gute Aussichten auf erfolgreiche Friedensverhandlungen. Voraussetzung ist aber, dass die Nachbarstaaten Troid und Chague sich zukünftig neutral verhalten.

Ein Einsatz von Streitkräften unter EU-Führung wird nicht von allen Konfliktparteien akzeptiert; andererseits hat keine Partei einem Einsatz ausdrücklich widersprochen. Die Therc unterstützen offen eine EU-Operation und sind auch bereit, EU-Streitkräfte aufzunehmen. Erste Verhandlungen haben ergeben, dass die EU-Streitkräfte möglicherweise ohne Widerstand in das Einsatzgebiet gelangen können. Gefahr droht durch kriminelle Elemente in Poruee, die robust Widerstand gegen die eigene Regierung leisten und den Einsatz der EU-Streitkräfte ablehnen. Aber auch mit terroristischen Anschlägen muss gerechnet werden.“

Daraufhin wird die Vorbereitung und Aufstellung eines streitkräfteübergreifenden Einsatzverbandes beschrieben. Dieser „muss innerhalb von 60 Tagen vor Ort einsatzbereit sein. Der Einsatz ist auf ein Jahr mandatiert.“ Beim Einsatzgebiet handelt es sich laut Szenario um „ein bergiges und bewaldetes Gebiet mittlerer Größe mit einer 1000 km langen Küstenlinie“ und „zusätzlich auch das vorgelagerte Seegebiet mit einer Ausdehnung von 200 nautischen Meilen.“ Als besonders günstig für die Truppenaufstellung erweist sich in der Vorstellung der Militärs, dass zur gleichen Zeit beim multinationalen Seemanöver „Exercise Northern Light“ die Phase der Verbandsintegration gerade abgeschlossen wurde, so das Szenario. „An der Übung ist eine Einsatzgruppe beteiligt, die sich aus Fregatten, Zerstörern und einem Tanker zusammensetzt.“ Da die an der Übung teilnehmenden europäischen Staaten beschlossen haben, sich an der EU-Operation in Poruee zu beteiligen, unterstellen sie ebenfalls ihre Schiffe dem Befehlshaber der Operation. Auch wenn auf der einen Seite die Marinechefs über die lange Abwesenheit vom Heimathafen klagen, so kann ihr ganzjährig belegter Übungsplan durchaus auch nützlich sein, wenn es darum geht, gerade in einer Übung befindliche Einheiten für einen bevorstehenden echten Kriegseinsatz abzuziehen. So kann alles besonders schnell gehen und „die Gruppe ist bereits kurz nach dem Beschluss des EU-Rats voll einsatzbereit und verlässt die europäischen Gewässer.“

Das GEMCO wäre nicht von Marinekommandieren erstellt, wenn nicht auch der Marine eine bedeutende Führungsrolle bei diesem skizzierten streitkräfteübergreifenden Einsatz zukommen würde. Denn es wird festgestellt, dass „ein seegestütztes streitkräftegemeinsames Hauptquartier (JFHQ) erforderlich wird. Jetzt, mit beginnendem Einsatz, entscheidet der Verbandsführer, dass der für ihn am besten geeignete Platz an der Spitze seiner Streitkräfte ist – also im Bereich der Marinekräfte. So richtet er sein Hauptquartier in dieser ersten Phase der Operation an Bord eines Schiffes ein.“ Und, so ein Zufall, „am Ausgang des Mittelmeeres kommt eine weitere Gruppe von Schiffen hinzu, die soeben ihre Ausbildung im Rahmen des Einsatzverbandes der EUROMARFOR10 – gebildet aus Einheiten der Staaten Frankreich, Italien, Portugal und Spanien beendet hat.“ Und da Deutschland auch nicht fehlen darf: „Eine deutsche Fregatte auf dem Rückmarsch von nationalen Aufgaben im Roten Meer wird in die Nähe von Poruee umgeleitet.“

Außerdem dabei eine Einheit von Spezialkräften, die mit Fallschirmen über dem Meer abgesetzt und durch ein vor der Küste operierendes U-Boot verdeckt an Land gebracht wird. Die Begründung dafür klingt fast schon wie aus einem Werbeslogan der Herstellerfirma. „Dieses mittels Brennstoffzellen angetriebene U-Boot ist aufgrund seiner Wendigkeit und geringen Signatur für die flachen Gewässer von Poruee ideal geeignet.“ Eine äußerst deutliche Referenz für die Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW), dem Produzenten von U-Booten mit Brennstoffzellen. Zusätzlich entsenden Frankreich und das Vereinigte Königreich jeweils atomgetriebene U-Boote in das Seegebiet.

Das Ende des Szenarios: „Zwei Monate sind nach dem Entschluss des EU-Rats vergangen. Es sind mehr als 50.000 Soldaten an Land stationiert. Der Verbandsführer führt die Operation von seinem Hauptquartier an Land aus; die Verlegephase gilt damit als abgeschlossen. Es beginnt nun die Einsatzphase zur Trennung der Krieg führenden Parteien im Landesinneren.“ Der (noch) fiktive EU-Krieg kann beginnen. Dass es sich beim Einsatzgebiet um Westafrika zu handeln scheint, wird kein Zufall sein. Denn bei der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung heißt es zur Aufgabenstellung der EU-Battle-Groups (EU-Schlachttruppen): „der Schwerpunkt auf Krisen in zerfallenden Staaten in Afrika ist nachvollziehbar.“[9]

Nicht zuletzt dürfte es bei diesen geplanten Einsätzen darum gehen, die reibungslose Ausbeutung der enormen Ölvorkommen Westafrikas weiter zu gewährleisten, wie Verteidigungsminister Franz Josef Jung anlässlich Kommandoübergabe über die deutsche Marine von Vizeadmiral Feldt an Vizeadmiral Nolting Ende April 2006 überdeutlich werden ließ: „Deutschland mit seiner enorm im- und exportabhängigen Wirtschaft ist auf einen freien Warenverkehr über See angewiesen. Einschränkungen des Seeverkehrs und damit der Rohstoff- und Warenströme werden unsere Bürgerinnen und Bürger sofort an den Preisen für Waren aller Art ablesen können. Der freie Handel über See ist daher der größte Schatz des Meeres!“[10] Admiral Feldt Feldt gab folgendes Motto für die Marine aus: „Wandel im Handeln setzt Wandel in den Köpfen voraus.“[11] Angesichts der rapiden Umstrukturierung der deutschen Marine, die zu Kriegseinsätzen zur Absicherung deutscher (Ressourcen-)Interessen befähigen soll, zeigt sich, dass dieser Leitspruch sich traurigerweise bewahrheitet.

Anmerkungen

[1] Konteradmiral Hoch im direkten Gespräch. Flottenkommando der Marine, 18.04.2006.
[2] Flottenkommando der Marine (Hrsg.): Das Flottenkommando (www.marine.de).
[3] Henken, Lühr: Die Aufrüstung der Bundeswehr zur weltweiten Angriffsfähigkeit. IMI-Analyse 2003/001.
[4] Soldat und Technik, Juni 2004, S. 50.
[5] Fregattenkapitän Schmidt-Skipiol im direkten Gespräch, Flottenkommando der Marine, 18.04.2006.
[6] Zur Erinnerung: Mit dem Helsinki Headline Goal setzte sich die EU zum Ziel, in der Lage zu sein, die so genannten Petersberg-Aufgaben (Krisenverhütung, Friedenserzwingung, humanitäre Hilfeleistung) zu erfüllen und hierfür innerhalb von 60 Tagen eine Truppe von 60.000 Mann mit einer Durchhaltefähigkeit von einem Jahr zum Einsatz bringen zu können.
[7] Presse und Informationszentrum Marine, 18.02.2004 (www.marine.de).
[8] Die folgenden Zitate stammen aus: Bundesministerium der Verteidigung, Führungsstab der Marine (Hrsg.): Ein europäisches Konzept maritimer Operationen – Die maritime Dimension streitkräftegemeinsamer Operationen im europäischen Rahmen. Mai 2003.
[9] Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.) Europäische „Battle Groups“- ein neuer Schub für die ESVP?, Analysen und Argumente aus der Konrad-Adenauer-Stiftung, 15.12.2004 (www.kas.de).
[10] Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, Flensburg, 25.04.2006 (www.bmvg.de).
[11] Zit. nach ebd.

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