IMI-Standpunkt 2006/038
Skandal! Immunität von IMI-Vorstandsmitglied Tobias Pflüger aufgehoben.
Jürgen Wagner, Claudia Haydt (16.05.2006)
Online Solidaritätserklärung unter http://www.thomas-mitsch.de/ (links unter „Petition Tobias Pflüger“)
Am heutigen Dienstag beschloss eine breite Koalition aus Konservativen, Liberalen, Sozialdemokraten, Grünen und Rechtsextremen die Aufhebung der Immunität des Europaabgeordneten und Vorstandsmitglieds der Informationsstelle Militarisierung (IMI), Tobias Pflüger. Einzig die Linksfraktion GUE/NGL lehnte diesen Antrag geschlossen ab.
Die Informationsstelle Militarisierung wendet sich scharf gegen diesen eindeutig politisch motivierten Angriff auf unser Vorstandsmitglied.
Zum Hintergrund: Die Staatsanwaltschaft München wirft Tobias Pflüger vor, während einer Demonstration Straftaten begangen zu haben, als er Polizeibeamte um Auskunft über die brutale Festnahme eines Demonstrationsteilnehmers bat. Dabei wies er sich ihnen gegenüber als Europaabgeordneter aus und wurde von zwei Polizeibeamten – ein halbes Jahr nach der angeblichen Tat – angezeigt.
Die Version der Staatsanwaltschaft ist derart hanebüchen, dass sich hieraus nur ein Schluss ergibt. Über Repression soll die politische Arbeit unseres Vorstandsmitglieds behindert, wenn nicht gar verunmöglicht werden. Dass dies nun gerade im Kontext der sehr erfolgreichen Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz geschieht, ist wohl ebenfalls kein Zufall und hat eine lange Vorgeschichte.
Insgesamt ist dies inzwischen das vierte polizeiliche bzw. justizielle Vorgehen (1999, 2003, 2004, 2005) einer bestimmten Staatsanwaltschaft in Bayern („Staatsanwaltschaft München I“) gegen Tobias Pflüger anlässlich seiner Beteiligung an Protesten gegen die Münchener Sicherheitskonferenz.
Nachdem Tobias Pflüger 1999 Bundeswehrsoldaten dazu aufforderte, den „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien zu verweigern und/oder zu desertieren“, ermittelte u.a. die Münchner Staatsanwaltschaft gegen ihn. Tobias Pflüger wurde jedoch von einem Tübinger Gericht im Jahr 2000 vom Vorwurf der Aufforderung zu einer Straftat freigesprochen. Damit wurde richterlich eingeräumt, dass dieser Krieg gegen die Verfassung verstieß (näheres unter https://www.imi-online.de/liste.php3?mail=89). Dieses Verfahren bildete den Auftakt zu einer langen Reihe von Repressionsmaßnahmen, die nun in der Aufhebung der Immunität gipfelten. Das Verfahren 2003 wurde eingestellt und für seine brutale Festnahme im Jahr 2004 entschuldige sich die Polizei sogar später bei ihm.
München während der Sicherheitskonferenz soll offensichtlich zum rechtsfreien Raum gemacht werden. Während im bayrischen Hof grundgesetzwidrige Angriffskriege vorbereitet werden (1999 Angriffskrieg auf Jugoslawien, 2002 der so genannte „Anti-Terror-Krieg“, 2003 Irakkrieg und 2006 wahrscheinlich der kommende Krieg gegen den Iran), hebeln Polizei und Justiz gleichzeitig grundlegende demokratische Rechte aus.
Mit der heutigen Entscheidung der Mehrheit des Europäischen Parlaments wurde für die politische Verfolgung der Proteste gegen die NATO-Kriegstreiber grünes Licht gegeben. Die Aushöhlung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Deutschland und in der EU geht immer weiter, da ist dieser Fall nur einer unter vielen, wirft aber ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der politischen Kultur innerhalb der Europäischen Union.
Erinnert sei hier nur an die Repressionsmaßnahmen gegen Claus Schreer, einen der Organisatoren der Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz, und gegen zahlreiche andere TeilnehmerInnen an den Protesten.
Wir werden natürlich genau beobachten und darüber informieren, wie in dem nun anstehenden Gerichtsverfahren versucht werden wird, aus dem Einsatz für einen brutal festgenommenen Demonstranten, eine Straftat zu konstruieren.
Die neuerlichen Repressionen gegen Tobias Pflüger zeigen deutlich wie erfolgreich die Proteste in München die hässliche Fratze der herrschenden Kriegspolitik zu Tage bringen. Wir werden uns von diesen Repressionsmaßnahmen nicht entmutigen lassen, sondern im Gegenteil unseren Einsatz gegen die NATO-Kriegspolitik 2007 noch weiter intensivieren.
Online Solidaritätserklärung unter http://www.thomas-mitsch.de/ (links unter „Petition Tobias Pflüger“)