IMI-Standpunkt 2005/038
Die Grenze ist überall.
Schilly und Struck planen eine Gesetzesänderung, die den Einsatz der Bundespolizei im Ausland erleichtern soll.
Christoph Marischka (14.06.2005)
Mit dem Schengener Abkommen, also der Öffnung der EU-Binnengrenzen und der Verlagerung der Migrationsabwehr an die Außengrenzen der EU, wurde der Bundesgrenzschutz eigentlich obsolet. Da repressive Organe jedoch von Seiten des Staats selten einfach so aufgelöst werden und es für die „Innere Sicherheit“ immer etwas zu tun gibt, wurde der BGS kürzlich in Bundespolizei umbenannt und mit neuen Aufgaben betraut: Fahndung nach illegal Beschäftigten, Hubschraubereinsätze gegen Graffiti-Sprayer und Unterstützung der Länderpolizeien bei Demonstrationen auch jenseits der Castor-Strecken. Die neuen dunkelblauen Uniformen, die im Auge des Betrachters eher schwarz erscheinen, die militärisch anmutenden Fahrzeuge und Panzer und das martialische Auftreten der BGS-Beamten hat schon bei mancher Antifaschistischen Demonstration den Eindruck erweckt, dass das Militär längst im Inneren eingesetzt wird.
Dass die Trennung zwischen Polizei und Militär und zwischen Außen- und Innenpolitik zunehmend aufgehoben wird zeigt auch der zunehmende Einsatz deutscher Polizisten im Ausland. So gehen deutsche Polizisten in den Maghreb-Staaten mit Grenzbeamten patrullieren, mehrere hundert deutsche Beamte wirken im Rahmen der EUPM in Bosnien und Herzegovina und der UNMIK im Kosovo am Aufbau regionaler Polizeitruppen mit und trotz aller Lippenbekentnisse des Bundeskanzlers beteiligt sich Deutschland an der vermeintlichen Stabilisierung des Nachkriegs-Iraks ebenso wie in Afghanistan mit der Ausbildung von Polizisten. Solche Einsätze sollen nun erleichtert werden und der ehemalige Bundesgrenzschutz soll zukünftig die Speerspitze deutscher Post-Konflikt Bearbeitung sein. Die Forderung, zivil-militärische Einsatzkräfte aufzustellen und eine EU-weite „Guardia Civil“ aufzustellen um effektiver weltweit die eigenen Interessen durchsetzen zu können, taucht auf EU-Ebene in letzter Zeit verstärkt auf, zuletzt forderte die Studiengruppe zu den Europäischen Sicherheitskapazitäten in einer von Javier Solana in Auftrag gegebenen Studie die Aufstellung einer 15.000 Personen umfassenden „Human Security Response Force“, bestehend aus 10 000 Soldaten und 5 000 ZivilistInnen.
„Man kann einen Bundespolizisten, einen BGS-Beamten, nicht gegen seinen Willen nach Afghanistan zum Beispiel schicken“ bemängelte am Sonntag Verteidigungsminister Struck in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Denn um die deutsche Sicherheit auch am Hindukusch oder sonstwo zu verteidigen, das haben nun auch die deutschen Strategen aufgrund der Lage in Irak und Afghanistan gelernt, sind Einheiten notwendig, die zwar nicht unmittelbar als Besatzungsarmee wahrgenommen werden, aber dennoch Gewalt anwenden können. Auch Innenminister Schily sei der Meinung, „dass es hier eine größere Verantwortung der Bundespolizei geben muss und er strebt an, dafür auch Sondereinheiten in der Bundespolizei zu installieren“. Beide planen deshalb eine Änderung der Gesetze und der Ausbildung: „jemand, der jetzt neu zum BGS oder zur Bundespolizei kommt, muss auch wissen, dass sein Dienstherr ihn in einen solchen Auftrag schicken kann.“
Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie nennt diese Entwicklung, die Polizei zu militarisieren, „ungeheuerlich“ und fügt mit Blick auf den Bundesgrenzschutz hinzu: „Das hatte immerhin gute Gründe, die einzige zentrale Polizeibehörde in ihren Kompetenzen zu beschränken, aber in den letzten Jahren kamen da schleichend immer neue Aufgaben hinzu“.
Das eine militarisierte Außenpolitik und weltweite Interessenwahrnehmung in Zeiten entgrenzter Konflikte auch zur Aufhebung der Grenzen zwischen Zivilem und Militärischem und zu einer Militarisierung der „Inneren Sicherheit“ führt, entbehrt nicht einer gewissen Logik. Nämlich der, dass die Grenze deutscher Begehrlichkeiten mittlerweile überall verläuft und, so oder so, verteidigt werden muss.