IMI-Standpunkt 2005/003
Warum ich den EU-Verfassungsvertrag ablehne
Schriftliche Erklärung zum Abstimmungsverhalten - 12. Jan. 2005 - Tobias Pflüger
Tobias Pflüger (12.01.2005)
„Die meisten Fortschritte gewährt die Verfassung im spezifischen Bereich der Gemeinsamen Sicherheitspolitik“, so heißt es im Bericht: Richard Corbett, Íñigo Méndez de Vigo (A6-0070/2004) – Verfassung für Europa, mit dem der Verfassungsvertrag gebilligt wird und zudem „rückhaltlos seine Ratifizierung“ befürwortet wird.
Dies ist für mich auch der wichtigste Punkt, um den EU-Verfassungsvertrag abzulehnen.
Die Militarisierung der Europäischen Union wird festgeschrieben:
1. „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ (I-41, 3). Dies bedeutet nichts weiter als eine Aufrüstungsverpflichtung für die Mitgliedstaaten der EU. Aufrüstung wird Verfassungsgebot.
2. In Punkto Außen- und Militärpolitik ist es das offensichtliche Ziel des Verfassungsvertrags, die Europäische Union für die globale Kriegsführungsfähigkeit fit zu machen. Der Vertrag soll die „auf militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen“ (Art I-41 Abs. 1) sichern.
3. Und: Eine „Rüstungsagentur soll dies überwachen und „zweckdienliche Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors“ durchsetzen (III-311).
4. EU-Parlament und der Europäische Gerichtshof sind explizit aus der Kontrolle der Außen- und Militärpolitik ausgeschlossen. Die Interventionsoptionen der EU werden massiv ausgeweitet:
5. In Artikel III-309 werden die Militäroptionen der EU beschrieben. Die so genannten Petersbergaufgaben („humanitäre Einsätze“ bis hin zu Kampfeinsätzen) werden massiv ausgeweitet und u. A. ergänzt durch so genannte „Entwaffnungsmissionen“.
6. Von besonderer Brisanz ist die in Artikel III-312 festgeschriebene „ständige strukturierte (militärische) Zusammenarbeit“, die mit einem Zusatzprotokoll jetzt genau definiert wird. Hier findet die Institutionalisierung eines militärischen Kerneuropas.
7. Gescheitert sind alle Bemühungen, dass eine europäische Verfassung von der zivilen Mitverantwortung der EU für den Erhalt des Friedens in der Welt auszugehen habe.
8. Statt sich per Verfassungsgebot dafür einzusetzen, die Rolle der Vereinten Nationen in zwischenstaatlichen Konflikten zu stärken und sich in ihrem Handeln der Charta der Vereinten Nationen und insbesondere dem Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen zu unterwerfen, findet sich eine Verpflichtung lediglich auf die „Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“, die die Möglichkeit für nicht UN-mandatierte Militärinterventionen durch die EU offen lässt.
9. Auch explizite Formulierungen, dass von den Territorien der EU-Staaten niemals wieder Krieg ausgehen darf, fehlen. Die Ächtung von Angriffskriegen sucht man ebenfalls – vergebens. Auch ein ausdrückliches Verbot weltweiter militärischer Interventionspolitik wird nicht gefordert.
10. Sinnvolle Institutionen, die auf Ebene der EU mithelfen könnten, ein friedliches Europa zu schaffen, sind Fehlanzeige: Weder eine europäische Agentur für Abrüstung und Konversion noch ein Amt für Rüstungsexportverbotskontrolle wurden eingerichtet.
11. Sternenweit entfernt ist dieser Verfassungsvertrag von einer Europäischen Union, die Krieg und militärische Gewaltanwendung zur Lösung von Konflikten ablehnt, die Massenvernichtungswaffen beseitigen will und ihre Rüstungsindustrie auf zivile Produktion umstellt sowie Rüstungsexporte beendet.
12. Eine friedensfördernde Reduzierung der militärischen Kapazitäten auf strukturelle Nichtangriffsfähigkeit der EU dagegen wird im Verfassungsvertrag in ihr Gegenteil verkehrt. Alles wird der Schaffung der strukturellen und konkreten Angriffsfähigkeit untergeordnet. Nur so ist nach eigenem Selbstverständnis offensichtlich die globale Machtprojektion leistbar.
Deshalb sage ich NEIN zu diesem EU-Verfassungsvertrag und unterstützte die Kampagne gegen den EU-Verfassungsvertrag.