Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2004/045 - in: junge Welt vom 14.08.2004

Fit für Kriege der Neuzeit

Weitgehend unbeachtet wollte die Bundeswehr ihre Telekommunikation aufrüsten. Erst das Scheitern des Vorhabens warf ein Schlaglicht auf das Projekt Herkules

Tobias Pflüger / Harald Neuber (14.08.2004)

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Tobias Pflüger / Harald Neuber

Schon die Ankündigung ließt nichts Gutes erwarten: Ziel des Projektes Herkules sei es, so Verteidigungsminister Peter Struck (SPD), die Effizienz der Streitkräfte immens zu steigern. Tatsächlich handelt es sich bei dem seit Jahren geplanten Projekt um das größte Privatisierungsvorhaben in der Geschichte der Bundeswehr: Die gesamten Daten- und Kommunikationsnetzwerke der bundesdeutschen Armee sollen einander angeglichen werden. Mit dem informationstechnologischen Modernisierungsprogramm werde die Bundeswehr endlich an den NATO-Erfordernissen ausgerichtet, schwärmt auch der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes, Bernhard Gertz.

Vorerst aber ist das Projekt auf Eis gelegt, nachdem die Verhandlungen zwischen dem Verteidigungsministerium und dem privaten Konsortium ISIC21 nach fast zwei Jahren Vorbereitung Anfang Juli gescheitert waren. Die Gruppe aus dem Rüstungskonzern European Aeronautic Defence and Space Company (EADS), dem Telekommunikationsunternehmen Mobilcom und der Beraterfirma CSC Ploenzke bestand neben dem ausgeschriebenen Milliardenbetrag auf einen Zuschlag von 500 Millionen Euro – zuviel für die Bundesregierung. Als Grund führte EADS vergaberechtliche Restriktionen des Verteidigungsministeriums an. Nun soll es das bei der Auftragsvergabe im Jahr 2002 unterlegene TIS-Konsortium aus Telekom (T-Systems), IBM und dem Siemens Business-Service richten.

Immerhin 6,65 Milliarden Euro will sich die Bundesregierung die nachrichtentechnische Modernisierung der Armee weiterhin kosten lassen. Wie das Onlinemagazin Telepolis berichtete, sollen im Laufe von zehn Jahren 300 000 Telefone und 140 000 Computerarbeitsplätze auf einer gemeinsamen Systembasis eingerichtet werden. Immerhin arbeiten die gut 450 000 Bundeswehrmitarbeiter an über 600 Standorten bislang mit mehreren hundert Insel- und Extralösungen im Soft- und Hardwarebereich. Nach bisherigen Plänen soll nach einer mehrmonatigen Bestandsaufnahme – im Fall des ISIC21-Konsortiums hatte die fast ein Jahr gedauert – eine teilprivate IT-Gesellschaft gegründet werden, an der die Privatunternehmen 50,1 Prozent und der Bund 49,9 Prozent halten.

Politisch betrachtet ist das größte Modernisierungs- und Privatisierungsprojekt im Kontext des NATO-Ausbaus einzuordnen. Die unterschiedlichen Systeme hätten im transatlantischen Bündnis, so wird zur Erklärung des Projektes gesagt, bislang immer wieder zu Komplikationen geführt. Im »Rahmen der Ausrichtung auf die neuen Aufgaben der NATO-Armeen« sei daher eine Angleichung nötig. Daß die nun an Geldfragen gescheitert ist, könnte unvorhergesehene Folgen haben. Wohin der Finanzstreit um die Bundeswehr führen kann, ließ sich schon in einer Bundestagsdebatte am 11. März erkennen. In der Diskussion hatten Unionspolitiker eben aus Finanzgründen den Einsatz der Truppe im Inneren gefordert. »Angesichts der sehr engen öffentlichen Haushalte und daß wir alle ja der Ansicht sind, daß zwischen innerer und äußerer Sicherheit keine klare Trennschärfe mehr besteht, halte ich es für geradezu absurd, für den Bereich der inneren Sicherheit parallele Strukturen aufzubauen, nur weil man an dem alten Dogma festhalten will, daß sich die Bundeswehr unter Berücksichtigung unserer Verfassungsordnung nicht auf die neuen Herausforderungen im Innern einstellen darf«, sagte der CDU-Abgeordneter Eckart von Klaeden.

Welche militärische Bedeutung das Projekt Herkules hat, deutete Verteidigungsminister Peter Struck in einem Interview vom 29. Februar im Berliner Tagesspiegel an. Unter der Überschrift »Was geht uns Afrika an?« beanspruchte Struck eine besondere Verantwortung Deutschlands für Afrika und kündigte zukünftige Militäreinsätze auf dem schwarzen Kontinent an. Auf die Frage, wann »Europa einen Kampfeinsatz wie im Kosovo ohne die USA ausführen« könne, ging Struck in die verbale Offensive: »Von der Ausbildung und Ausrüstung der Soldaten her könnten wir das jetzt schon – allerdings mit logistischer Unterstützung der NATO«, sagte der SPD-Mann. Zur Zeit habe die Bundeswehr unter anderem jedoch »Defizite in modernen Kommunikationstechniken«. Aus diesem Grund sei das Herkules-Projekt auf den Weg gebracht worden.

Über die Ziele äußerte sich Oberstleutnant Thomas Lenschen, Referent für IT-Strategie/Konzeption für die Bundeswehr. In einem Artikel der Militärzeitschrift „Europäische Sicherheit“ prognostiziert Lenschen: »Die mobilen Kommunikationssysteme in Verbindung mit den stationären und Liegenschaftsnetzen des Projekts Herkules bilden zukünftig das horizontal und vertikal vernetzte Kommunikationssystem der Bundeswehr, das in Verbindung mit den Netzen der Alliierten die interoperable Kommunikation vor allen im Einsatzgebiet deutscher Streitkräfte ermöglicht.« Daß solch offensives Denken mit der Grundlinie der gesamten Bundeswehrführung übereinstimmt, macht Vizeadmiral Lutz Feld als Inspekteur der Deutschen Marine in der Zeitschrift „Soldat und Technik“ deutlich: »Wir müssen sowohl in nationalem als auch in multinationalem Rahmen zur vernetzten Operationsführung in der Lage sein.«

Am besten aber brachte die Journalistin Sonja Banze die Ausrichtung der Bundeswehr auf Krieg in der militärnahen Springerzeitung „Die Welt“ im Jahr 2002 zum Ausdruck. Die Ansprüche an die Bewerber für das Herkules-Projekt seien hoch, so Banze, denn das Projekt berühre einen neuralgischen Punkt des neuen Sicherheitsbedürfnis des Staates. Die Nachricht »Hiermit erklären wir Ihnen den Krieg« würde der deutsche Verteidigungsminister fortan über private Rechner und Leitungen schicken. Das Herkules-Projekt berühre aber auch die Satelliten-Bodenstationen, »im schlimmsten Fall die einzige Verbindung der Generäle zu ihren Truppen im Ausland und ihren NATO-Partnern«. Die Ausrichtung der gesamten Informationstechnik der Bundeswehr auf Kriegsführung wird inzwischen also bereits offen zugegeben.

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Original-URL: http://www.jungewelt.de/2004/08-14/010.php

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