Pressebericht - in: Neues Deutschland, 06.01.04
Nach dem »Chaoten« nun Feindbild »Berufsdemonstrant«
Kriegsgegner und Polizei rüsten zur Münchner Sicherheitskonferenz
Nikolaus Brauns / Neues Deutschland / Dokumentation (06.01.2004)
Von Nikolaus Brauns, München
Zum 40. Mal wollen sich vom 6. bis 8.Februar Kriegsstrategen der NATO-Länder zur so genannten Münchner Sicherheitskonferenz treffen. Doch erneut rüsten auch die Kriegsgegner zu alternativen Veranstaltungen.
Unter den rund 200 Teilnehmern der regierungsamtlichen Konferenz befinden sich die Außen- und Verteidigungsminister der NATO-Staaten, hochrangige Militärs und Rüstungslobbyisten. Gegen dieses Treffen der »Kriegselite« im Nobelhotel Bayerischer Hof ruft ein Aktionsbündnis zu einer Großdemonstration auf. »Bei der so genannten Münchner Sicherheitskonferenz geht es nicht um internationale Sicherheit. Es geht um Absprachen und Koordination weltweiter Strategien zur militärischen Absicherung ökonomischer Herrschaftsansprüche«, heißt es im Aufruf des Aktionsbündnisses, dem unter anderem das globalisierungskritische Netzwerk Attac, die Gewerkschaft GEW, die Münchner PDS und die trotzkistische IV.Internationale angehören.
Sperrgürtel und Polizeikontrollen
Ein Verbot der Gegendemonstration am 7.Februar sei nicht geplant, kündigte Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle an. Wie bereits in den vergangen Jahren sollen allerdings neben einer massiven Polizeipräsenz in der Innenstadt und einem Sperrgürtel rund um das Tagungshotel Polizeikontrollposten an allen Zufahrtsstraßen eingerichtet werden.
Im vergangenen Jahr hatten über 30000 Menschen gegen die Sicherheitskonferenz und den Irak-Krieg demonstriert. Nachdem die Lüge von 3000 anreisenden »Chaoten«, die anlässlich der Sicherheitskonferenz 2002 zum totalen Demonstrationsverbot im Münchner Stadtgebiet und zur Festnahme von rund 800 Kriegsgegnern führte, nicht mehr aufrecht zu erhalten war, hat Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer ein neues Feindbild gefunden: den »Berufsdemonstranten«. »Offensichtlich meint er damit Menschen, die häufiger von ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen, als ihnen das die Polizei zugestehen würde.
Die Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit soll also damit begründet werden, dass man „zu“ häufig an Versammlungen teilnimmt«, kommentiert die Pressesprecherin der Münchner Roten Hilfe, Paula Schreiber, die Ankündigung der Polizei, »einschlägig bekannte Berufsdemonstranten« bereits im Vorfeld herauszufiltern und heimzuschicken.
Wer als »Berufsdemonstrant« gilt, bestimmt der Verfassungsschutz. So reicht schon das politische Engagement in der PDS oder die Teilnahme an globalisierungskritischen Demonstrationen aus, um in den Dateien des Geheimdienstes zu landen. Gegenüber der »Süddeutschen Zeitung« äußerte Polizeipräsident Schmidbauer sein ausdrückliches Bedauern über die kürzlich vor Gericht erfolgten Freisprüche von Gegnern der Sicherheitskonferenz.
Der Sprecher des Bündnisses München gegen Krieg, Claus Schreer, sowie ein Friedensaktivist aus Göttingen hatten erfolgreich gegen ihre mehrtägige Gewahrsamnahme während der Sicherheitskonferenz 2002 geklagt. Die Polizei sah in einer von Schreer organisierten öffentlichen Pressekonferenz auf dem Marienplatz eine verbotene Kundgebung. Dieser Logik wollte das Münchner Landgericht nicht folgen.
Debattenpodium für Kriegsgegner
Bereits am kommenden Wochenende veranstalten die Gewerkschaft ver.di, die Tübinger Informationsstelle Militarisierung, der Bayerische Flüchtlingsrat und weitere Gruppen einen Antikriegskongress im Münchner Gewerkschaftshaus. Dieser zweite Münchner Antikriegs-Kongress will kurz vor den Protesten gegen das World Economic Forum in Davos (WEF) vom 17. bis 25.Januar 2004 und die Münchner Sicherheitskonferenz im Februar der globalisierungskritischen und Friedensbewegung ein bundesweites Forum für Diskussion und Information bieten.
Podiumsdiskussionen und Arbeitsgruppen werden sich unter anderem mit der »Militärmacht EU und der Militarisierung der deutschen Politik«, »Krieg und Medienbilder« sowie dem Zusammenhang von Globalisierung, Migration und Patriarchat beschäftigen.