Pressebericht / in: Neues Deutschland 21.03.2003
Pervers
Bomben auf Bagdad
Karlen Vesper / Neues Deutschland / Pressebericht / Dokumentation (22.03.2003)
Der größte Erfolg eines Kriegsherrn ist die Vermeidung des Krieges.« Mit dieser Weisheit eines chinesischen Generals namens Sun Tzu, der zur Zeit Homers oder Sokrates gelebt hat, macht das neue Buch des Kai Homilius Verlages auf. Und in eben diesem Sinne sind dessen Beiträge eindringliche Beschwörungen gegen Militärabenteuer.
Washington geht es im Fall Irak weder um Demokratie noch um Befreiung, konstatiert Herausgeber Rüdiger Göbel und verweist auf einen treffenden Vergleich des libanesischen Dichters Abbas Beydoun. Diesen erinnerte der Irak-Konflikt an eine Fabel von Fontaine: Der Wolf beschuldigt das Lamm, sein Bachwasser zu trüben und frisst es auf. Egal was Irak »sagt oder tut, er trübt das Wasser der USA«. Irrwitz: 200 Milliarden US-Dollar wird der Irak-Krieg kosten, 100 Milliarden Dollar würden ausreichen, um vier Jahre lang die Gesundheitsversorgung für die Ärmsten der Armen auf der Welt zu decken, wie IPPNW errechnete. Emotional berührend die Anklage der Ärztin Eva-Maria Hobiger: »Feindbilder setzen alle Gesetze der Humanität außer Kraft. Feinden gegenüber ist jedes Mittel recht. Selbst krebskranken Kindern, die zu den wehrlosesten Geschöpfen der Erde zählen, werden lebensrettende Maßnahmen verweigert, weil sie Kinder des Feindes sind, geboren in einem ›Schurkenstaat‹.« Und Ramsey Clark, Ex-US-Justizminister, gesteht: »Wir haben anderthalb Millionen Menschen mit völkermörderischen Sanktionen getötet.« Doch seine Landsfrau Albright – der eine halbe Million verhungerter Kinder den »Preis wert« waren – darf in einem UNHCR-TV-Spot tanzen. Perversion pur! Hans von Sponeck, ebenfalls in diesem Band vertreten, ist konsequenterweise aus Protest gegen verbrecherischen Boykott von seinem Posten als Koordinator des humanitären UN-Hilfsprogramm für Irak zurückgetreten. Dass die viel zitierte UN-Resolution 1441 keinesfalls einen Militärschlag sanktioniert, belegt der erfahrene Völkerrechtler Bernhard Graefrath in einer Textanalyse. Sein jüngerer Kollege Norman Paech seziert den »neuen Imperialismus« der USA als totale Abkehr vom Konzept der kollektiven Sicherheit, das auf die berühmten 14 Punkte von Woodrow Wilson 1917 zurückgeht. So gehen die USA mit eigenem Erbe um! Edelbert Richter wiederum schaut in die Zukunft, fragt sich und uns: »Soll die Macht oder das Recht in den Beziehungen zwischen den Staaten den Sieg davontragen, soll weiter bzw. wieder der ›Naturzustand‹ in den internationalen Beziehungen herrschen oder wieder bzw. endlich ein Rechtszustand einkehren? Sollen die Dinge auf einen globalen Herrschaftsvertrag, den Leviathan, im Sinne von Thomas Hobbes hinauslaufen oder auf einen globalen Gesellschaftsvertrag?«
Das Paradoxon, dass eine rigorose Hegemonialpolitik den imperialen Niedergang beschleunigt, begründet überzeugend Jürgen Wagner. Der ehemalige Dozent an der Militärakademie in Dresden Ernst Woit definiert Terrorismus als »planmäßige und systematische Anwendung bewaffneter Gewalt gegen Zivilbevölkerung durch politische Organisationen, Bewegungen und Staaten… mit dem Ziel der Aufrechterhaltung oder der Veränderung bestehender ökonomischer und politischer Macht«, womit die US-Außenpolitik präzise charakterisiert wäre. Eckart Spoo berichtet über die publizistische Kriegsvorbereitung und warnt: »Es wird gelogen, gelogen, gelogen.«
Dieses Buch jedenfalls, in dem sich weiter interessante Aufsätze u.a. von Tobias Pflüger, Karin Leukefeld, Rainer Rupp und Uri Avnery finden, ist ein fakten- und argumentativ pralles Kompendium wider die Lügen, ein anregender Quell für Diskussion und Widerstand.
Rüdiger Göbel: (Hg.) Bomben auf Bagdad – nicht in unserem Namen. Kai Homilius Verlag, Berlin 2003. 416S., geb., 19 Euro