Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Pressebericht / in: junge Welt vom 10.02.2003

Desertieren statt Angriffskrieg

München: Zehntausende demonstrierten gegen drohenden Krieg und NATO-Konferenz

Nick Brauns / junge welt / Pressebericht / Dokumentation (12.02.2003)

Mehrere zehntausend Menschen haben am Wochenende in der Bundesrepublik gegen den drohenden Irak-Krieg demonstriert. Allein in München zogen 30000 Demonstranten durch die Straßen, in Frankfurt am Main versammelten sich 5000, in Bremen 10000 Kriegsgegner zu Kundgebungen.

Den Auftakt der Proteste in München bildete am Freitag abend eine Kundgebung von rund 5000 Menschen auf dem Marienplatz, während sich die Teilnehmer des alljährlichen Stelldicheins internationaler Polit- und Militärstrategen zum Sektempfang im Rathaus versammelten. Tobias Pflüger, Mitglied der Informationsstelle Militarisierung und des wissenschaftlichen Beirats von ATTAC, rief dabei unter tosendem Applaus die in Kuwait stationierten deutschen Soldaten zum Desertieren auf. Sie beteiligten sich sonst an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Wegen seines Appells wurde Pflüger von der Polizei für mehrere Stunden in Gewahrsam genommen.

Bei eisiger Kälte und Schneetreiben gingen am Samstag rund 30000 Menschen gegen einen drohenden Irak-Krieg auf die Straße. 10000 von ihnen waren einem Aufruf von DGB, SPD, Kirchen und SPD-Oberbürgermeister Christian Ude gefolgt, um für den Frieden, nicht aber gegen die NATO-Sicherheitskonferenz zu demonstrieren. Zahlreiche Mitglieder der Gewerkschaft ver.di und der Jungsozialisten zogen anschließend mit ihren Fahnen zum Marienplatz, wo die internationale Großkundgebung gegen die NATO-Sicherheitskonferenz mit rund 20000 Teilnehmern ihren Ausgang nahm.

Der Sprecher des Bündnisses gegen die NATO-Sicherheitskonferenz forderte die mit einem massiven Aufgebot präsente Polizei auf, bei ihrer Suche nach Gewalttätern die »Kriegsverbrecher im Hotel Bayerischer Hof« zu verhaften. Die Forderungen auf den Transparenten reichten von einem »Nein zum Krieg« der Bundesregierung im UN-Sicherheitsrat bis zur Aufforderung, mit Streiks und Sabotage Widerstand gegen den imperialistischen Krieg zu leisten.

Die Massenmanifestation gegen Krieg und Militarismus lief über mehrere Stunden friedlich und ohne größere Zwischenfälle ab. Selbst die Polizeikräfte hielten sich weitgehend im Hintergrund. Dennoch wurden am Wochenende rund 40 Kriegsgegner inhaftiert. Eine neue »Achse des Bösen« bilden in den Augen der Münchner Polizei offensichtlich die Städte Frankfurt/Main, Göttingen, Passau und Berlin. Bei ihrer Ankunft in München wurden Reisebusse von der bayerischen Spezialeinheit USK umstellt, ihre Insassen mußten sich einzeln abfilmen lassen – einige wurden gar genötigt, sich zwecks Leibesvisitation bei eisiger Kälte zu entkleiden.

Heftige Kritik übte das globalisierungskritische Netzwerk und Mitveranstalter ATTAC an einem Polizeieinsatz am Freitag abend. Dabei habe die Polizei mit einer brutalen Razzia im Münchner »Convergence Center«, versucht, durch Warnungen und Kontrollen von Demonstrationsteilnehmern den berechtigten Widerstand gegen den Krieg zu kriminalisieren, heißt es in einer Pressemitteilung. Zur Begründung der richterlich nicht abgesegneten Razzia verwies ein Polizeisprecher auf die Gefahr »verabredeter Straftaten«. Bei dem Einsatz wurden rund 200 Menschen stundenlang festgehalten, 22 in Vorbeugehaft genommen. Da nichts gegen sie vorlag, mußten sie am Samstag nachmittag aus der Haft entlassen werden. »Es hat sich erneut gezeigt, daß Gewalt nicht von den Demonstranten ausgeht, sondern von den Plänen der Militärs und Politiker bei der Sicherheitskonferenz«, kommentierte Sarah Seeßlen von ATTAC.

Auch andernorts wandten sich am Wochenende Tausende Menschen gegen einen drohenden Krieg am Persischen Golf. Samstag mittag versammelten sich 5000 Menschen auf dem Römerberg in Frankfurt am Main zum Friedensgebet, während die Glocken sämtlicher Kirchen der Innenstadt um exakt fünf Minuten vor 12 Uhr zu schlagen begannen.

Zur bislang größten antiamerikanischen Demonstration in einem muslimischen Land versammelten sich am Sonntag rund 100000 Menschen in Indonesiens Hauptstadt Djakarta. Die Menge zog friedlich zu US-Botschaft und forderte in Sprechchören: »Stoppt den Krieg, rettet Irak!«

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