Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Dokumentation / in: Welt vom 09.01.2003

Italiens Polizei fälschte Beweise in Genua

Beamte schoben während des G-8-Gipfels 2001 Demonstranten vor Festnahme auch Molotow-Cocktails unter

Paul Badde / Dokumentation (10.01.2003)

Rom – Bei den Krawallen um den G-8-Gipfel in Genua im Juli 2001 sind „Beweise“ für die Gewaltbereitschaft der Demonstranten vorsätzlich von der Polizei selbst gefälscht worden. Was bisher nur als Verdacht in den italienischen Medien diskutiert wurde, hat die Polizei in Genua jetzt offiziell bestätigt.

Rund 200 000 Globalisierungsgegner hatten sich im Sommer 2001 in Genua eingefunden, um am Rand des Gipfels der Weltenlenker gegen die uneingeschränkte Vorherrschaft neoliberaler Wirtschaftspolitik zu demonstrieren. Gewalttätige Anarchisten hatten sich unter friedliche Demonstranten gemischt. Eine ähnliche Differenzierung lässt sich dem großen Polizeiaufgebot nun nicht mehr nachsagen, das damals zur Abschreckung in Genua zusammengezogen worden war.

Nach dem Gipfel blieben 200 Verletzte und ein Toter in der ligurischen Hafenstadt zurück. Der 25-jährige Carlo Giuliani war von einem 20-jährigen Polizisten erschossen worden. Als Brennpunkt der Ausschreitungen und Proteste galt die Diaz-Schule, in der viele der Globalisierungsgegner ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten. Kurz nach Mitternacht des 22. Juli 2001 ließ die Polizei die Schule stürmen. Die Aktion endete mit 93 Festgenommenen, darunter 72 zum Teil schwer Verletzten. Das Gebäude selbst war nach der Aktion auf den Fluren, an den Wänden und Fenstern mit Blut besudelt. Alle Verhafteten mussten später wieder auf freien Fuß gesetzt werden, da sich keine Straftatbestände gegen sie ermitteln ließen. Der Presse teilten sie aber schon damals mit, dass die Polizisten willkürlich von ihren Schlagstöcken Gebrauch gemacht und Fenster und Computer zertrümmert hatten.

Verhörprotokolle verschiedener Polizisten, die in der Tageszeitung „La Repubblica“ und dem Genueser Blatt „Il Secolo XIX“ veröffentlicht wurden, belegen jetzt, dass der Darstellung der Ereignisse durch die Polizei tatsächlich in fast allen Details misstraut werden muss. Pietro Troiani, ein höherer Polizeioffizier, hat in Verhören gestanden, dass zwei in der Schule aufgefundene Molotowcocktails, die den Einsatz vor der Öffentlichkeit legitimieren sollten, von der Polizei dort abgelegt worden waren. Das ist inzwischen von Michele Burgio, dem Fahrer Troianis, bestätigt worden, der mit dieser Aufgabe persönlich beauftragt worden war. Pietro Troiani selbst hat den Vernehmungsbeamten gestanden, dass er die Aktion mittlerweile „für eine große Dummheit“ hält. Es war freilich nicht die einzige. Auch eine angebliche Messerattacke auf Massimo Nucera, einen anderen Polizeioffizier, ist von den Untersuchungsbeamten als vollständige Fälschung entlarvt worden, ebenso wie alle anderen Waffen, die die Polizei damals im Besitz der Demonstranten entdeckt haben wollte. Das hat Franco Gratteri, der damalige Einsatzleiter, inzwischen eingeräumt.

Die Motive für den selbst inszenierten und fabrizierten Terror sind jedoch immer noch nicht ganz einsichtig, auch unter dem Aspekt einer „großen Dummheit“ nicht. Wem sollte es nutzen, die Demonstranten auf diese Weise zu diskreditieren? Wollte die neue Regierung damals wirklich nur all jenen „die Instrumente“ zeigen, die es wagen sollten, ihr noch auf der Straße entgegenzutreten?

Gleichzeitig mit den jüngsten Enthüllungen berichtete die regierungskritische „La Repubblica“, Antonino Giuffre, ein abtrünniger Mafioso, habe gestanden, dass Berlusconi in den achtziger Jahren Verbindungen zu Stafano Bontade gepflegt habe, einem einflussreichen Mafiaboss. Schon im Dezember hatte Giuffre ausgesagt, dass die Mafia bei Wahlen

die Kandidaten des BerlusconiBündnisses unterstützt habe. In diesem Verfahren ist auch der Premier selbst befragt worden, der jedoch von seinem Recht auf Verweigerung der Aussage Gebrauch machte.

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