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Der „deutsche Weg“ – ein deutscher Kriegspfad

Kanzler Gerhard Schröder hat seine Absage an der Kriegsteilnahme gegen den Irak mit der nationalistischen Begründung versehen, diese entspreche dem "deutschen Weg".

Ulrich Sander (03.09.2002)

Kanzler Gerhard Schröder hat seine Absage an der Kriegsteilnahme gegen den Irak mit der nationalistischen Begründung versehen, diese entspreche dem „deutschen Weg“. Davon hatte bisher kaum jemand etwas gehört. Wer aber die Schriften der führenden Militärs im Lande gelesen hat, der kann sich vorstellen, wer Schröder dies eingegeben hat.

Die „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ von Kabinett und Militär forderten bereits 1992 „Einflußnahme auf die internationalen Institutionen und Prozesse im Sinne unserer Interessen und gegründet auf unserer Wirtschaftskraft“, und sie definierten die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“ als vitale Sicherheitsinteressen Deutschlands.

In den „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ wie in den Schriften zur politischen Bildung der Soldaten und Offiziere wird die „nationale Interessenlage“ Deutschlands anstelle der Un-terordnung unter NATO und USA ins Zentrum der Sicherheitspolitik des neuen großen Deutschlands gerückt. Es wird „gleichberechtigte Partnerschaft“ mit den USA eingefordert. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien, die vom Bundeskabinett „zur Kenntnis genommen“ und kritiklos von der neuen „rot-grünen“ Koalition beibehalten – aber nie vom Bundestag be-schlossen – wurden, sie stellen das politische Programm des heimlichen wie unheimlichen deutschen Generalstabs dar. Kein Politiker kann daran vorbei gehen.

„Deutsche Interessen“ in „nationaler Verantwortung“ wahrnehmen
Auch der „Reader Sicherheitspolitik“ als Beilage zur Februar-1999-Ausgabe von „Information für die Truppe“ befürwortete kurz vor dem 24. März 1999 und vor dem Hintergrund eines „möglichen Militärschlags der Allianz gegen Serbien“, daß „deutsche Interessen in der inter-nationalen Politik“ zu definieren seien. Denn: „Die Formulierung von jeweiligen nationalen Interessen im Kontext des internationalen Systems kann zu einer Vertiefung von Integration und Kooperation der Nationen beitragen, wenn Interessen definiert, also eine konkrete kalku-lierbare Größe werden.“ Deutschland solle also seine Ansprüche definieren, damit unsere Partner wie Gegner wüßten, woran sie mit uns seien. Dabei wird mit der Mär aufgeräumt, die Bundeswehr müsse aus Bündnistreue heraus sich mit den USA und anderen „solidarisch“ ver-halten: „Durch Errichten neuer Führungskommandos … ist die nationale Verantwortung und Führung von deutschen Truppen im Einsatz sichergestellt, auch wenn sie – wie in Bosnien – Teil internationaler Streitkräftestrukturen sind.“ Zugleich sei die Bundeswehr „Schrittmacher der militärischen Integration“ in Europa.

In der „Vorläufigen Leitlinie für die operative Führung von Kräften des Heeres“ vom 8. 2. 1994, quasi die Verteidigungspolitischen Richtlinien für die größte Teilstreitkraft, heißt es: „Die Bereitschaft und die Notwendigkeit, einer Krise mit wirksamen Mitteln entgegenzutre-ten, sind in der Regel abhängig von dem Maß der Betroffenheit der eigenen politischen Inte-ressen. Der Grad der öffentlichen Wahrnehmung und des in der Bevölkerung dazu vorhande-nen Bewusstseins bestimmen dabei wesentlich die Entscheidung zu Maßnahmen zur Kon-fliktverhütung, Krisenbewältigung und Krisenreaktion sowie deren gesellschaftliche politi-sche Akzeptanz. Daher können selbst lang andauernde Krisen, die zunächst keine direkten Auswirkungen auf die eigene Interessenlage hatten, bei veränderter Perzeption (Wahrneh-mung – d. Verf.) in Politik und Öffentlichkeit dennoch im weiteren Verlauf zu einer Neubeur-teilung mit entsprechenden Reaktionen führen.“

Das bedeutet, die Krise ist erst dann eine Krise, die das kriegerische Eingreifen verlangt, wenn deutsche Interessen Krieg für geboten halten und die Bevölkerung zum Krieg reif ge-macht worden ist.

Deutsche Interessen geboten danach die Kriegsteilnahme gegen Jugoslawien und in Afghanis-tan. Sie gebieten offenbar nicht die Teilnahme gegen den Irak.

Warum Deutschland in den Krieg zog
Gegen Jugoslawien erschien der Krieg der Deutschen erforderlich, um sich endlich wieder als kriegsverwendungsfähige Nation zu zeigen und zudem die Landkarte des Balkan zulasten der Ergebnisse des Ersten (!) Weltkrieges zu verändern, wie es Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz einmal formulierte. Zudem wurde die Interessenlage schon lange vor dem März 1999 von Volker Rühe lt. „Allgäuer Zeitung“ vom 15. 5. 98 so beschrieben: „Wenn wir,“ so der CDU-Minister vor Soldaten in Marktoberdorf, „im Kosovo nicht richtig reagieren, haben wir noch mehr Flüchtlinge im Land.“

Spätestens den Beschluß des Bundestages vom 16. Oktober 1998 zum Militärschlag der NA-TO gegen Jugoslawien unter Beteiligung der Bundeswehr hätte man als das nehmen müssen, was er war: Vorbereitung eines Angriffskrieges.

Vorbereitung des Angriffskrieges waren auch diese Schritte, die in Bundeswehrpublikationen geschildert wurden:

› In der Januar-Ausgabe 1998 der „Information für die Truppe“ hieß es, die Zerstückelung Jugoslawiens und die internationale Anerkennung ihrer Ergebnisse sei „maßgeblich von Deutschland initiiert“ worden. Angesichts einer „langfristigen Krise“ sei eine anhaltende Be-setzung Bosniens mittels SFOR-Mandat und die Lösung des Kosovo-Konflikts gegen die „chauvinistischen Ziele“ Milosevics erforderlich.

› Nach Beginn des Aufstandes der UCK konstatiert die Zeitschrift „Information für die Trup-pe“ Nr. 5/98 die „seit 1913“ ungelöste „albanische Frage“. Mit Sanktionen der „internationa-len Gemeinschaft“ sollte Serbien zum Einlenken gebracht werden. „Anhaltende serbische Repression“ riefen nach „äußerer Einmischung“. Der Beitrag ist mit „Ruhe vor dem Sturm“ überschrieben – und eine Zwischenüberschrift lautet „Sympathie für albanische Untergrund-kämpfer“.

› Der „Reader Sicherheitspolitik“ als Beilage zur Februar-1999-Ausgabe von „IfdT“ spricht sich dann für „einen möglichen Militärschlag der Allianz gegen Serbien“ aus. Vor diesem Hintergrund wird gefordert, „deutsche Interessen in der internationalen Politik“ zu definieren.

Warum die Bundeswehr gen Afghanistan zog: Auf der Ölspur
Auch weitergehende Ziele werden langfristig anvisiert: Für den Krieg gegen Afghanistan be-nannte Rühes Nachfolger Rudolf Scharping die Interessen und damit die deutschen Kriegszie-le: „Wir wissen doch alle, daß zum Beispiel die weltwirtschaftliche Stabilität und die welt-wirtschaftliche Sicherheit von dieser Region [Zentralasien] sehr stark beeinflusst werden kön-nen, von jener Region, in der 70% der Erdölreserven des Globus und 40% der Erdgasreserven des Globus liegen.“ (Zitate aus Bundestagsdebatte 16.11.01) Rot-Grün legte in Klartextfas-sung ein klassisches imperialistisches Kriegsprogramm auf.

Und die wurde von der Vorgängerregierung übernommen:
Der September-Ausgabe 1998 der „IfdT“ lag ein „Reader Sicherheitspolitik“ bei, der mit „Ri-sikofaktoren und Risikofelder – Politik/Ökonomie/Ökologie/ Militär ‘Erdölpoker am Kauka-sus’“ überschrieben war. Eine Karte zeigte die „unerschöpflichen“ Ölreserven und Gaslager auf, die im Kaspischen Becken vermutet werden; zugleich werden potentiellen Konfliktgebie-te in den Kaukasusländern, in Afghanistan, am Schwarzen Meer und in der Türkei ausgewie-sen. Zusammenfassend heißt es über das „ölreichste Gebiet der Erde“: „Damit die Anrainer-staaten ihre Ressourcen anbieten können, sind jedoch sichere Besitzrechte, Transportwege zu den Weltmärkten und hinreichende politische Stabilität erforderlich“. Es wird die Westfüh-rung der Pipeline bis zum Balkan und zum Mittelmeer gefordert, während China und Ka-sachstan „eine Pipeline zu Chinas Westgrenze“ favorisierten. Die Strategie der Bundeswehr und der NATO wird so verdeutlicht: „In der kaspischen Region treffen die wirtschaftlichen und politischen Interessen der USA, der Russischen Föderation, der Türkei und des Iran auf-einander. Hinzu kommen die jeweiligen Strategien der kleinen Anrainerstaaten wie der Tran-sitländer. Im allgemeinen ist dabei eine Tendenz zur Emanzipation von russischem Einfluß (!) und Hinwendung zum Westen festzustellen.“

Wer sind die Feinde?

In „Information für die Truppe“ wurde der „Wandel der NATO von einer Verteidigungsalli-anz aus Zeiten des Kalten Krieges hin zur Ordnungs- und Stabilitätsinstitution in und für das Europa des 21. Jahrhunderts, ein Europa mit absehbaren Instabilitäten an seiner Peripherie“ (IfdT, März 1999) immer wieder propagiert. Das Feindbild der Bundeswehr wird so beschrie-ben: „Proliferation (Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen – d.Verf.), politischer Fundamentalismus und Terrorismus stellen eine Bedrohung für alle dar. Darüber hinaus wir-ken sich Verknappung von Ressourcen und Migrations- und Flüchtlingsbewegungen auch auf die europäischer Sicherheitslage aus.“ In der Sonderausgabe 1999 zu „50 Jahre NATO“ wirbt IfdT unverholen für die Selbstmandatierung der NATO unter dem Vorwand, „humanitäre Katastrophen“ zu bekämpfen. OSZE und UNO werden beiseite geschoben, da ihre Beschlüsse eine „unzulässige Einschränkung des Handlungsrahmens der Atlantischen Allianz“ erbringen könnten. Unter der Überschrift „Eine globale Rolle für die NATO?“ wird dem „Krisenmana-gement jenseits der Bündnisgrenzen“, also dem Krieg in aller Welt, das Wort geredet.

Nicht erst die Entwicklung der letzten Jahre auf dem Balkan hat zu einem gefährlichen „Um-denken“ Deutschlands in der Sicherheitspolitik geführt, sondern schon seit Anfang der neun-ziger Jahre wird in der Bundeswehr gelehrt: „Nach Ende der Ost-West-Konfrontation ist Eu-ropa in eine Phase eingetreten, in der sich der Frieden in geringerem Maße als früher durch Kriegsverhütung gewähren läßt.“ Denn: „Der Krieg behauptet sich nach wie vor als Instru-ment im Arsenal der Politik.“ So oder ähnlich konnte man es immer wieder im Blatt für die Innere Führung der Bundeswehrsoldaten „Information für die Truppe“ lesen.

Und auch dies: Die Souveränität anderer Länder und das Nichteinmischungsprinzip müßten „in Frage gestellt“ werden; grundlegende Prinzipien des Völkerrechtes und der UN-Satzung „wie das Souveränitätsprinzip, Nichteinmischungsgebot und das Selbstbestimmungsrecht be-dürfen einer Fortentwicklung.“ (Information für die Truppe 11/91). „Im Zeitalter weltweiter Wanderbewegungen und internationalen Terrorismus“ verwischten zunehmend die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit. Das schrieb Fraktionsvorsitzender Wolfgang Schäuble (CDU) schon 1994 – und übrigens in diesen Tagen erneut; so steht es im CDU/CSU-Wahlprogramm – und es wird gefordert, daß die Bundeswehr auch bei größeren Sicherheits-bedrohungen im Inneren, darunter Probleme mit Flüchtlingsströmen, „notfalls zur Verfügung stehen sollte.“ (Spiegel, 3. 1. 94) Prof. Scholz (CDU) wiederum nannte laut Agenturmeldun-gen vom Januar 1994 gar Flüchtlingsströme gen Deutschland „Aggressionen“.

Das Aggressionsverbot der UNO

Mit dem Krieg gegen Jugoslawien sollte die NATO-Programmatik an die Stelle der UNO-Charta treten. Diese Charta war und ist jedoch eine wichtige Errungenschaft des antifaschisti-schen Kampfes der Völker und der Antihitlerkoalition. Sie wurde geschaffen, um vor allem Deutschland an neuen Kriegen und neuem Völkermord zu hindern. Deutschland hat sich im-mer wieder zur Einhaltung der UN-Charta verpflichtet und sie dann mit dem Krieg gegen Jugoslawien und in Afghanistan mit Füßen getreten.

Die Bundeswehr verstieß auch gegen die Bestimmungen aus dem politischen Raum. „Darüber hinaus hat die Bundesregierung das Verbot der Führung eines Angriffskrieges … bekräftigt.“ (Aus dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990. Zitiert nach „Weißbuch 1994“ der Bundeswehr.) Im Artikel 26 des Grundgesetzes ist das Verbot des Angriffskrieges veran-kert. Schon Vorbereitungshandlungen werden mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit belegt. Absatz 1 des Artikels 26 lautet: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, … die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungs-widrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“ Zu Weigerungen, sich an rechtswidrige Befehlen zu halten, sind die Soldaten nach dem Soldatengesetz verpflichtet, wenn sie die Rechtswidrigkeit eines Befehls erkennen können.

Artikel 2,4 der Charta der Vereinten Nationen beschreibt, was Aggressionen sind und be-stimmt: „Alle UN-Mitglieder unterlassen jede gegen die territoriale Unversehrtheit eines Staa-tes gerichtete Androhung oder Anwendung von Gewalt“. Von allen illegal gegen Jugoslawien Krieg führenden Staaten war Deutschland am allerwenigsten dazu berechtigt. Auf Deutsch-land zielt noch immer die Feindstaatenklausel in Artikel 53 und 107 der Charta der Vereinten Nationen vom 26. 6. 1945. Sie gestattet den Mitgliedern der UN, gegen jeden Staat, der wäh-rend des Zweiten Weltkrieges Feind (wie Deutschland) eines Unterzeichnerstaates der UN-Charta (wie Jugoslawien) war, auch ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates Zwangs-maßnahmen zur Verhinderung neuer Aggressionen zu ergreifen. Jugoslawien hätte 1999 jedes Recht gehabt, um Hilfe gegen den Aggressor Deutschland zu bitten.

Krieg als „Vater aller Dinge“ – auch der atomaren

Neben den Militärs verfechten heute auch die äußersten Rechten, die Neonazis, ein Militär-konzept für ein Großdeutschland, das an die Zeit anknüpft, da Kriege „erlaubt“ waren, sie keine „Rechtfertigung“ brauchten und es „ehrenhaft“ war, „für das Vaterland zu sterben“, wie es der Neofaschist und Anwalt Jürgen Rieger („Nordische Zukunft“) formulierte. Kriegerische Mittel sind somit normal – wir kehren zur Normalität zurück, heißt es denn auch ständig unter den Militärs. Dem Staat soll nun wieder „das Recht, seine Angehörigen zu opfern,“ einge-räumt werden. Das Idol von Ex-Kanzler Kohl ist auch das Idol von Rieger: Ernst Jünger. Ihn zitiert er: „Was ist das für ein Krieger, der keine Rasse besitzt?“ Und er ruft den Generalstabs-chef von Wilhelm II, Moltke, als Zeugen an: „Der Krieg ist ein Mittel in Gottes Weltordnung. Der ewige Friede ist ein Traum, und nicht einmal ein schöner. Ohne Krieg würden die Men-schen im Materialismus versumpfen.“

Ernst Jünger wird als „rechter Intellektueller“, der im „inneren Widerstand zum Nationalso-zialismus stand“, ausführlich in der Bundeswehrzeitschrift „Information für die Truppe“ ge-würdigt und zitiert: „Der Krieg, aller Dinge Vater, ist auch der unsere; er hat uns gehämmert, gemeißelt und gehärtet zu dem, was wir sind“ (in IfdT 4/98).

In Deutschland lagern immer noch mindestens 70 Atomwaffen. Die US-Basis Ramstein be-herbergt die größte Anzahl dieser Massenvernichtungswaffen; auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in der Eifel lagern bis zu elf Sprengköpfe im Rahmen der nuklearen Teil-habe der Bundesrepublik. Deutsche Soldaten üben dort den Atomtod. Und Ex-Minister Scharping (SPD) fiel sogar Minister Fischer (Grüne) ins Wort, als der einmal vor dem Krieg von 1999 zaghaft in den USA wegen des Verzichts auf den atomaren Ersteinsatz anfragte. Fischer hat diese Frage nie wiederholt. Aber die Friedensbewegung hat Anlaß, ihre Warnun-gen zu wiederholen: Atombomben ziehen Atombomben an, Raketen sind Magneten. Unser Land ist wieder und noch immer vom Atomtod bedroht. Und zwar mehr denn je, da die USA die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen immer mehr senken.

Wir haben im Sommer 2002 die Erklärung des Kanzlers vernommen, Deutschland werde sich nicht am Krieg der USA gegen den Irak beteiligen und auch kein Geld dafür ausgeben. Der Kanzler sprach sich für „Solidarität“, aber gegen „Beteiligung an Abenteuern“ aus. Ihm geht es offenbar nur darum, die deutsche Kriegsbeteiligung zu vermeiden, weil der „deutsche Weg“ anderes vorsieht. Wenn aber die Regierung den Krieg ein Abenteuer nennt, dann muß sie helfen, dieses Abenteuer zu verhindern. Davon ist nichts zu spüren.

Noch vor der Bundestagwahl müsste daher der Bundestag einen Parlamentsbeschluss herbei-führen, um die Haltung Deutschlands auf der NATO-Tagung am Tag nach der Wahl, am 23. September, zu bestimmen. Statt einen neuen Bündnisfall zu beschließen, gilt es klarzustellen: Wir machen nicht mit, auch wenn es ein Nato- und ein sogenanntes UNO-Mandat gibt.

Wenn die Erklärung der Bundesregierung ernst genommen werden soll, dann gilt es deutlich zu machen, daß die USA von Deutschland keinerlei militärische, finanzielle und politische Unterstützung – auch keine indirekte – erwarten können. Es müssen sofort alle deutschen Truppen aus der Krisenregion zurückgezogen werden, insbesondere die ABC-Spürpanzer aus Kuwait und die Marineverbände aus der Golfregion und vor dem Horn von Afrika.

Die Nutzung der militärischen Infrastruktur in Deutschland einschließlich der US-Basen wie Spangdahlem, Ramstein und Frankfurt Airport durch die USA ist zu verweigern. Die Atom-basen der USA aus unserem Land sind zu entfernen, denn in den USA werden sogar Pläne für einen Atomschlag gegen Irak geschmiedet. Deutschland und Europa frei von Atomwaffen – diese Losung wird wieder aktuell.

Wer der irakischen Bevölkerung aus der Geiselhaft des Saddam-Regimes helfen möchte, muß zivile Mittel zur Befriedung der Region anwenden. Doch nicht nur dort.

Krieg unter deutscher – nicht unter US-Führung?

Andererseits stellen wir fest: In Europa will Deutschland seine wirtschaftliche und politische Stärke auch in militärische Überlegenheit ummünzen, und es strebt eine Führungsrolle an. Deshalb war und ist Deutschland sehr aktiv bei der Militarisierung der EU, und es stellt für die EU-Eingreiftruppe das größte nationale Kontingent.

Das Material- und Ausrüstungskonzept für die Bundeswehr ist nicht auf Frieden gerichtet, Es sieht bis zum Jahr 2015 213 neue Rüstungsprojekte vor. Gesamtkosten: Minimum 110 Mrd €. Der Rüstungshaushalt soll auf weit über 25 Mrd € auf Rekordhöhe steigen, während die öf-fentlichen Ausgaben im Sozialbereich sinken und die Kommunen vor der Pleite stehen.

Davon macht Schröder keine Abstriche. Dem Beispiel Österreichs mag er nicht folgen und er mag nicht an der Rüstung sparen, um den Opfern der Flutkatastrophe zu helfen.

Dennoch will er – zunächst ? – nicht am Krieg gegen Irak teilnehmen. Weil die Mehrheit der Deutschen nicht dahinter steht, – doch das ließe sich ändern. Vor allem aber, weil die führen-den europäischen Mächte Frankreich und Deutschland andere Interessen in jener Gegend ha-ben. Anders als die USA können die deutschen und französischen NATO-Partner in Irak und Iran politische und ökonomische Interessen besser ohne Waffengewalt durchsetzen. Man spricht von den Unwägbarkeiten einer möglichen neuen Führung im Irak, die von den USA installiert würde. Offenbar ist eine Pro-USA-Führung im Irak gar nicht nach dem Geschmack der deutschen Führung. Die kann noch mehr Macht der USA über die Ölreserven der Welt überhaupt nicht gebrauchen.

Die Absage an den Irak-Krieg der USA kann zu einer wirklichen deutschen Absage an den Krieg nur dann werden, wenn die Verteidigungspolitischen Richtlinien aufgekündigt werden. Der „deutsche Weg“ kann erst dann ein Weg zum Frieden sein.

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Ulrich Sander ist Bundessprecher der VVN-BdA und IMI-Beirat; er ist Journalist, beobachtet seit langem das „Innere“ der Bundeswehr und publiziert darüber. Er lebt in Dortmund. ulrich@sander.lachen.net

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