Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

in: taz köln 14.02.2002

Tiefschlag für Friedenskultur

Ausgerechnet das grüne Landesumweltministerium drehte dem Siegener Zentrum

Dirk Eckert (14.02.2002)

Das Siegener Zentrum für Friedenskultur (ZFK) ist in Existenznöten. Der Grund: Nach einer kritischen Rede des Lehrers Bernhard Nolz zu den Terroranschlägen des 11. September hat das grüne NRW-Umweltministerium die Auszahlung von Geldern für das Projekt „Friedliche Konfliktbearbeitung in Siegen“ (FRIEKON) gestoppt. Nolz ist Geschäftsführer des Zentrums. Nach der Rede wurde er suspendiert, jetzt droht die dauerhafte Versetzung. Das ZFK hatte das Projekt in Erwartung der staatlichen Zuschüsse vorfinanziert. Nachdem Düsseldorf rund 50.000 Euro bewilligt hatte, wurden Mitarbeiter eingestellt und Räume angemietet. Ende 2001 lief das Projekt planmäßig aus. Doch bis jetzt hat das Ministerium erst 40 Prozent der Gelder überwiesen und verweigert weitere Zahlungen mit Verweis auf Nolz. In dieser Woche will das ZFK seinen Projektbericht vorlegen. Dann will die Behörde entscheiden, ob die restlichen Gelder ausbezahlt werden.

Geht es nach dem CDU-Landtagsabgeordneten Volkmar Klein, sollte die Landesregierung sogar die bereits überwiesenen Zuschüsse zurückfordern. In einer kleinen Anfrage im Landtag erkundigte er sich, was diesbezüglich rechtlich möglich sei. Lehrer Nolz habe „einen Trauermarsch von rund 3.000 Schülerinnen und Schülern zum Gedenken der Terroropfer in New York und Washington skandalös missbraucht, für alte, antiamerikanische Stereotypen“, wettert Klein. Bisher hat die Landesregierung noch nicht geantwortet, sich vielmehr eine Fristverlängerung erbeten. Erst wenn der ZFK-Bericht vorliege, so Ministerin Höhn im Landtag, könne Kleins „berechtigte Frage“ beantwortet werden.

Das Friedenszentrum ist den Konservativen des Siegerlandes schon lange ein Dorn im Auge. Offenbar wittern sie jetzt die Chance, ihm ein für alle Mal den Garaus zu machen. Heftig polemisiert der Abgeordnete Klein gegen die Friedensfreunde. Er halte es für „kaum verantwortbar, Finanzmittel für `Konfliktbewältigung` ausgerechnet einer Organisation zu überlassen, die offensichtlich selbst ein erhebliches Konfliktpotenzial darstellt“. Paul Breuer, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Siegen, sieht den Lehrer Nolz als „fünftes Rad am Wagen des internationalen Terrorismus“. ZFK-Leiter Wolfgang Popp spricht inzwischen von einer „Rufmord-Kampagne der CDU“. Das Zentrum sei „in seiner Weiterexistenz stark bedroht“.

Diese „Behördenwillkür“ bringe das ZFK, das Ausgaben für das FRIEKON-Projekt „im guten Glauben mit Bankkrediten vorfinanziert“ habe, „in bedrängende Zahlungsschwierigkeiten“. Bernhard Nolz hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das Umweltministerium doch noch die Gesamtfinanzierung des Projektes wie zugesagt übernimmt. Er verstehe nicht, warum wegen ihm Gelder vorenthalten werden: „Ich bin schließlich nicht das ZFK.“

Lehrer Nolz hatte anlässlich der Terroranschläge von New York und Washington vor Schülern zur Kriegsdienstverweigerung aufgerufen und die Außenpolitik der USA kritisiert. Nach der Rede gingen sowohl die Schülervertretung als auch der Schulrektor auf Distanz zu Nolz. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, konnte aber nicht feststellen, dass Nolz „die Straftaten in den Vereinigten Staaten“ gebilligt hätte. Trotzdem wurde Nolz vom Schuldienst suspendiert, später ins 50 km entfernte Kierspe versetzt. Heute spricht der 57-Jährige von einer „Schikane“. Schließlich hätte er auch an eine andere Siegener Schule geschickt werden können. Nun sei er „zwangsweise abgeordnet mit dem Ziel der Versetzung“- gegen den Willen des Bezirkspersonalrates. Jetzt müssen Wissenschaftsministerium und der Hauptpersonalrat entscheiden. Wann das passiert, ist ungewiss. Bis es soweit ist, pendelt Nolz jeden Tag 40 Minuten hin und zurück zu seinem neuen Arbeitsplatz. Die Zeit fehle ihm natürlich für seine ehrenamtliche Arbeit im ZFK, sagt er. An seiner neuen Schule sei er aber freundlich aufgenommen worden. Der dortige Rektor habe ihn gleich mit der Organisation eines „Projekttages Frieden“ beauftragt.

Original unter: http://www.taz-koeln.de/scripts/taz/ausgabe.htmi?idx=614&km_tabelle=art_thema&ausgabe=&memo=

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