Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Dokumentation: Gewalt überwinden

(06.11.2001)

Ein aktuelles Wort des Theologischen Arbeitskreises im Ökumenischen Netz Württemberg

Gewalt überwinden durch Welt verändernde Bibelauslegung

Ein aktuelles Wort des Theologischen Arbeitskreises im Ökumenischen Netz Württemberg

Wenige Monate nach der Eröffnung der Ökumenischen „Dekade zur Überwindung von Gewalt“ – zeitgleich mit der UN-Dekade für eine „Kultur des Friedens“ – erleben wir eine neue, welt-erschütternde Gewalt-Explosion durch den Schrecken des Terrors in den USA und den Schrecken des darauf folgenden Vergeltungskrieges in Afghanistan.

Wir schließen uns mit Leidenschaft den zahlreichen Stimmen an, die sich gegen diesen Krieg wenden, der immer mehr das Gesicht eines Krieges des reichen Nordens gegen die Armen dieser Welt annimmt.

Wir weisen hin auf die besondere Erfahrung unseres Kreises mit der Kraft eines neuen Umgangs mit der Bibel, der zu einer aktiven Hoffnung für diese Erde befähigt. Ein solcher Umgang wird uns von vielen Seiten nahegelegt: Von der ökumenischen Bewegung für Frieden durch Gerechtigkeit, von der Befreiungstheologie, dem Religiösen Sozialismus, den Kairos-Dokumenten, aber auch von der feministischen und der sozialgeschichtlichen Bibelforschung.

Seit mehreren Jahren versuchen wir, im kleinen Kreis und im intensiven Austausch diesen Umgang mit der Bibel in kontinuierlicher Weise einzuüben, nämlich – wie unser Arbeitsprogramm es sagt: Mit dem „Schrei der Unterdrückten“ im Ohr auf das Wort zu hören ganz im Licht des Zeitgeschehens, und dieses zu deuten ganz im Licht der „frohen Botschaft für die Armen“. Und damit Abschied zu nehmen von einem Bibelgebrauch, der über die Ungerechtigkeiten hinwegtröstet und sich den Herrschenden anpaßt. Besonders eindrücklich war uns dabei ein neues Verständnis der Erzählung von „Isaaks Opferung“ (nach Franz Hinkelammert), deren Mißdeutung viel zur fatalen Opfer-Ideologie des Abendlandes beitrug. Eindrücklich war uns auch der Blick auf die Solidarität Jesu mit den Randgruppen seiner Zeit, und eine neue Wahrnehmung der Geschöpflichkeit des Menschen in seiner Vernetzung mit allen anderen Geschöpfen in „unserem gemeinsamen Haus, der Erde“ (nach Leonardo Boff).

In Stichworten teilen wir einige Erfahrungen und Einsichten aus unserer Arbeit mit, die für unseren Widerstand gegen die neue Eskalation von Gewalt bedeutsam sein können:

· Wir müssen wir uns verabschieden vom Bild eines Gewalt übenden Gottes, der den einen Armut, Krieg und Terror, den anderen Frieden, Sicherheit und Reichtum beschert. Und wir dürfen uns öffnen für das Bild eines aus freier Entscheidung gewaltlosen Gottes, der „Leben für alle“ will und der die ganze Verantwortung dafür immer von Neuem in unsere Hände legt.

· Für die Praxis des Glaubens geht es allein darum, daß wir uns ganz auf die Seite der Gewalt-Opfer stellen, und die Botschaft mit ihren Augen lesen. Der Opfer: Der Armen dieser Welt, die nicht von neuem unter die Räder von Ungerechtigkeit und Krieg kommen dürfen.

· Den Kern der frohen Botschaft, die „Rechtfertigungslehre“ dürfen wir verstehen nicht als innerkirchliches Diskussionsthema, sondern als „Ansage des Lebens für alle“ – an der Stelle eines mit Gewalt durchzusetzenden Anspruchs von Macht, Geld und Sicherheit für Wenige.

· Wenn die Christen „Salz und Licht“ für die Welt sein sollen, darf diese Botschaft nicht ein kirchliches Sonderthema für besondere Anlässe bleiben, sondern muß in das Zentrum aller Frömmigkeit und Kirchlichkeit gerückt werden. Nur so werden wir befreit aus der Enge einer kirchlichen Selbstbezogenheit und eines christlichen Heilsegoismus. Zukunft der Kirche gibt es nur zusammen mit der Zukunft der Erde und den Lebenschancen ihrer schwächsten Glieder. Die tiefe Krise unserer Zeit könnte eine Chance bedeuten, im neuen Hören auf das biblische Wort den Mut und die Gelassenheit zu gewinnen, die wir für das Übernehmen des so lange versäumten Friedensauftrags nötig haben. Die tödliche Gewalt, die entstand auf dem Boden ihrer Rechtfertigung durch eine Bibelauslegung im Interesse der Herrschenden, kann nur überwunden werden durch eine neue Bibelauslegung in der Solidarität mit den Machtlosen.

20.10. 2001. Für den Theologischen Arbeitskreis: Margit Sandig, Ruth Grauer, Siegfried Böhringer (verantwortlich. Anschrift: Rötenbachweg 50/1 72202 Nagold; Telefon: 07452/4918; E-mail: Siegfried.Boehringer@gmx.de)

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