Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Dokumentation: Warum ich mit „Nein“ gestimmt habe. (Dr. Uwe Jens, SPD)

(20.09.2001)

Dokumentation: Warum ich mit „Nein“ gestimmt habe. (Dr. Uwe Jens, SPD)

Eine sehr eindrückliche Begründung seiner Nein-Stimme für die Kriegsermächtigung: Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Uwe Jens (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag zu der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu den Terroranschlägen in den USA und den Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie der NATO (Drucksache 14/6920)

Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Uwe Jens (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag zu der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu den Terroranschlägen in den USA und den Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie der NATO (Drucksache 14/6920)

Warum ich mit „Nein“ gestimmt habe.

Auf einem Transparent vor der amerikanischen Botschaft der USA in Berlin steht die Aufforderung: „Democratic civilized revenge“. Dass auf die menschenverachtenden Anschläge der Terroristen in New York und Washington eine unmissverständliche gezielte Antwort gegeben werden muss, steht für mich außer Frage.

Auch ich unterstreiche die Erklärung der NATO sowie die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. September 2001. Es ist gut, dass die Bundesrepublik Deutschland bei ihrer besonderen Vergangenheit in diese Vertragswerke eingebunden ist. Nur so hat sie die Möglichkeit der Einflussnahme, die genutzt werden muss.

Leider ist die Sprache, die von führenden Politikern in diesen hektischen Tagen benutzt wird, verwirrend oder verräterisch. Die Sichtweise des stellvertretenden Verteidigungsministers der USA auf „ending states“ macht besorgt. Das Wort „Krieg“ im Zusammenhang mit den terroristischen Verbrechen liefert „Wasser auf die Mühlen“ der Terroristen. Diese Terroristen sind Verbrecher, müssen zur Verantwortung gezogen und dürfen nicht zu Kriegsgegnern hochstilisiert werden. Es besteht die Gefahr einer „selffulfilling prophecy“.

In der vorliegenden Entschließung (Punkt 7) wird nun auf die „uneingeschränkte Solidarität“ verwiesen und die „Bereitstellung militärischer Fähigkeiten“ in Aussicht gestellt. Diese Begriffe beinhalten zum Beispiel die Möglichkeit der Bereitstellung von Bundeswehrsoldaten zum direkten Einsatz in Afghanistan oder dem Irak und anderes mehr. Hiermit würde für mich der „Rubikon“ zur Terrorismusbekämpfung überschritten werden. Die Gefahr, dass wir – wie 1914 – in einen Weltkrieg „hineinschliddern“, ist im Bereich des Möglichen. Davor will ich warnen. Auch wenn ein möglicher Militäreinsatz der Bundeswehr im Parlament noch einmal zusätzlich zur Abstimmung gestellt werden muss, könnten diese
Begriffe später als Hinweise auf diese Option ausgelegt werden.

Für mich ist diese Problematik – wie auch der Mazedonieneinsatz der Bundeswehr – eine Gewissensfrage. Bekanntlich soll man den Anfängen wehren und bei wichtigen Entscheidungen stets das Ende bedenken. Ich bin sicher, dass eine denkbare weitere Abstimmung im Parlament zu konkreten Bundeswehreinsätzen dann für andere ebenfalls auch zur Gewissensfrage wird. Aufgrund meiner Erfahrung und Erkenntnis liegt diese Reizschwelle niedriger.

Wichtig zur Bekämpfung des Terrorismus in der Welt sind aus meiner Sicht ebenfalls enge Kooperation zwischen USA, Russland, China und allen friedliebenden Staaten; die Einhaltung internationaler Verträge und Ab sprachen; das stärkere Engagement der großen In dustrienationen zur Verhinderung von grauenhaften krie ge rischen Konflikten sowie wirklich politische und wirtschaftliche Hilfe für die ärmsten und sich entwi ckelnden Länder in der Welt.

------------

Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de