Kurs auf Interventionsarmee bringt der DASA Milliardenaufträge

Scharping kauft nur bei DaimlerChrysler

von: Arno Neuber | Veröffentlicht am: 31. Juli 2000

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Am 18. August berichtete der Online-Dienst der ARD über eine gerade zu Ende gegangene „mehrtägige Rüstungskonferenz“, bei der unter Leitung von Scharpings neuem Generalinspekteur Kujat 60 Generäle und Rüstungsbürokraten über eine Prioritätenliste für die Neubewaffnung und -ausrüstung der Bundeswehr berieten.

Dabei ging es „um mehr als zehn milliardenschwere Großbeschaffungen“, wie die Nachrichtenagentur dpa verlauten ließ. Darunter das künftige Kampfflugzeug „Eurofighter“. Im Falle dieses Superprofitjägers der Luftfahrtindustrie hatte jüngst der Bundesrechnungshof Alarm geschlagen, weil der Hersteller DaimlerChrysler Aerospace (DASA) wieder einmal mehr Geld als vereinbart will. 23 Milliarden DM waren für die Beschaffung von 180 „Eurofighter“ veranschlagt, sechs Milliarden mehr sollen es nun werden. Alles ganz normal heißt es bei der DASA. Schließlich entspreche der ursprüngliche Preis den Gegebenheiten von 1996 und deshalb habe man im Beschaffungsvertrag ausdrücklich eine Preisvorbehaltsklausel eingebaut. Der Stückpreis liegt jetzt also bei 161 Millionen DM. Keine schlechte Preissteigerung. Hatte Scharpings Vorgänger Rühe doch noch von 90 Millionen gesprochen (1992) und die DASA-Bosse von 103 Milionen (1993). In einer Studie für das Internationale Konversionszentrums Bonn hatte es bereits vor vier Jahren geheißen, der Preis werden am Ende zwischen 155 und 175 Millionen liegen. Noch nicht berücksichtigt die 20 Millionen, die pro Vogel für die Bewaffnung mit Lenkflugkörpern zu zahlen sind.

Auf Scharpings Bestellliste stehen weiterhin 80 Kampfhubschrauber „Tiger“ für mindestens sechs Milliarden DM und der NATO-Mehrzweck-Hubschrauber „NH-90“. Im Juni wurde für den „NH-90“ der Serienfertigungsvertrag unterzeichnet. Die Bundeswehrführung hat in einem ersten Los zunächst 80 Transporthubschrauber für die Eingreiftruppen geordert, 54 weitere sollen später folgen. Preis laut Fachblatt „FlugRevue“ (8/2000) 7,2 Milliarden DM. Bereits vor Vertragsabschluss hatte der Bundesrechnungshof „Bedenken zur Preisgestaltung angemeldet“ (Flieger-Revue, August 2000).

Probleme mit eingebauten Kostenschrauben („Preisgleitklauseln“) gibt es offenbar bei „mehreren Rüstungsprojekten“. „Der Bundesrechnungshof habe die zu erwartenden Mehrkosten auf 15 Milliarden DM geschätzt“, berichtete die Frankfurter Rundschau (3.8.00).

Ein weiterer Milliardenfresser steht auf Scharpings Bestellzettel ganz oben. Vor der Sommerpause hatte der Kriegsminister sich für die Anschaffung von 75 Militärtransportflugzeugen vom Typ „Airbus A400M“ entschieden. Kaufpreis rund 20 Milliarden DM (Flieger-Revue 8/2000). Das stieß auf Kritik der Militärs, die die russisch-ukrainische „Antonow An-70“ favorisierten. Sie sei „unter Berücksichtigung aller wesentlichen Kriterien die bessere Alternative“, so der von Scharping gefeuerte Ex-Generalinspekteur Hans-Peter von Kirchbach (Junge Welt 11.8.00). Scharping aber bestellte ein Flugzeug, das im Gegensatz zur Antonow bisher nur als Computermodell existiert und dessen Beschaffung nach einem „Monitor“-Bericht 3,3 Milliarden DM mehr kosten soll als die „An-70“. So viel Spendierfreudigkeit hat einen Grund. Der Militär-Airbus gilt als strategisch bedeutsames Projekt für die DASA und den europäischen Rüstungssuperkonzern EADS (European Aeronautic, Defense and Space Company). Und da will man sich nicht lumpen lassen. Die Unterstützung der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie war schließlich schon im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen als wesentliches Regierungsziel festgeschrieben worden.

„Verteidigungs“minister Scharping hatte allerdings schon im vergangenen Jahr signalisiert, dass er für strategische Rüstungsprojekte auch zusätzliches Geld braucht. „Aus dem jetzigen Budget könnte ich das Transportflugzeug nicht finanzieren.“ (Süddeutsche Zeitung 9./10.99) Konsequenterweise wurde in den Rüstungsetat des Jahres 2000 gleich ein entsprechender Vorbehalt eingebaut. Bei der „Finanzierung internationaler Kooperationsvorhaben wie des neuen Großraumflugzeuges oder der raumgestützten Aufklärung , die ohne entsprechende zusätzliche Mittel nicht aus dem Einzelplan 14 finanziert werden können“, solle „von Fall zu Fall auch über eine Lösung außerhalb des Verteidigungshaushalts entschieden werden.“ (Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurf des Verteidigungshaushalts 2000, Verteidigungsministerium, 9.9.99) Scharpings neuer Generalinspekteur Kujat kam bei seinem ersten Interview mit dem „Spiegel“ prompt auf dieses Thema zurück. „Ich vertraue darauf, dass das Flugzeug außerhalb des Einzelplans 14, also des Etats der Bundeswehr, finanziert wird … Der Minister hat mit dem Finanzminister schon bemerkenswerte Absprachen getroffen.“ (Spiegel, 17.7.2000)

Scharpings „Eckpfeiler“

Am 14. Juni billigte das Bundeskabinett Scharpings sogenanntes „Reform“-Papier unter dem Titel „Die Bundeswehr sicher ins 21. Jahrhundert. Eckpfeiler für eine Erneuerung von Grund auf.“

Mit dem Umbau der Bundeswehr zur Interventionstruppe soll danach sowohl die „eigenständige europäische Handlungsfähigkeit im politischen und militärischen Krisenmanagement“ gestärkt, als auch deutsche „Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der internationalen Sicherheitsordnung“ erweitert werden (1).

Künftig sollen in den „Einsatzkräften“ 150.000 Männer und Frauen bereit stehen, um „eine große Operation mit bis zu 50.000 Soldaten aller Teilstreitkräfte über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr oder zwei mittlere Operationen mit jeweils bis zu 10.000 Soldaten über mehrere Jahre sowie jeweils parallel dazu mehrere kleine Operationen durchzuführen.“ Scharping plant insgesamt mit 77.000 Wehrpflichtigen und 200.000 Berufs- und Zeitsoldaten.

Deutsche Militärinterventionen sollen „vornehmlich auf Europa und seine Peripherie“ begrenzt sein. Eine ziemlich vage Claimabsteckungen, die für militärische Abenteuer jeglicher Art Tür und Tor öffnet.

Auffällig am gesamten Papier ist die Betonung nationaler Interessen, die offenbar immer weniger hinter europäischen Optionen verborgen werden. So wird die Größe und Stärke der Bundeswehr unter dem Aspekt „eigener Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der internationalen Sicherheitsordnung“ gesehen.

„Deutsche Streitkräfte … müssen qualitativ und quantitativ dem politischen Gestaltungsanspruch und Gewicht Deutschlands im Bündnis sowie in den regionalen und überregionalen Organisationen entsprechen.“

Die Erfüllung von Aufgaben im NATO-Bündnis wird an die gleichzeitige „Sicherstellung nationaler Souveränitätsrechte“ gekoppelt. Die Bundeswehr soll nicht nur Einsätze im Rahmen der NATO oder der EU erfolgreich durchführen können, sondern auch im nationalen Alleingang und „im Rahmen von ad-hoc-Koalitionen“.

Eine angepasste Ausrüstungs- und Aufrüstungsliste liefert Scharping gleich mit. „Zur Verbesserung der nationalen politischen und militärischen Lagebeurteilung und in Ergänzung der Fähigkeiten des Bündnisses erhält die Bundeswehr eine eigene raumgestützte Aufklärungsfähigkeit.“ „Erste Priorität“ bei der Neuausrüstung der Bundeswehr hat „die Verbesserung der strategischen Verlegefähigkeit“. Die soll der neue Militär-Airbus herstellen. „Zweite Priorität haben leistungsfähige, untereinander kompatible Kommunikations- und Führungsmittel“.

DASA-Stern auch im Weltraum

Ende des Jahres 1999 hat die Bundeswehr der DASA den Auftrag über die Entwicklung und den Aufbau eines militärischen Satellitenkommunikationssystems erteilt. Die DASA hat sich auf ein deftiges militärisches und ziviles Satellitengeschäft eingestellt und entsprechend ihren Geschäftsbereich „Verteidigung und zivile Syteme (GBV)“ neu organisiert. Der Bereich mit Sitz bei der DASA-Tochter Dornier in Friedrichshafen am Bodensee hat u.a. ein Joint Venture mit der kanadischen Nortel Networks gegründet, das unter dem Namen Nortel DASA firmiert.

Um kurzfristig die Kommunikation mit den Einsatzkräften der Bundeswehr sicherzustellen, fährt die Truppe mehrgleisig. Entsprechende Nutzungsverträge wurden mit der NATO, mit dem US-Hauptquartier in Europa (EUCOM) und mit Frankreich geschlossen. Mit Italien gibt es Verhandlungen.

Mittelfristig geht es aber um nationale Lösungen. In Scharpings Rüstungshaushalt 2000 ist die Satellitenkommunikation daher eines der wesentlichen Projekte im Bereich „Wehrtechnische Entwicklung und Erprobung“. So konnte bei der Bilanzpressekonferenz der DASA im März 2000 in München deren Vorstandsvorsitzender Manfred Bischoff auch zufrieden auf die Auftragslage im Satellitengeschäft verweisen.

Bischoff erwartet von der Bundesregierung im Übrigen, dass „rasch die politischen Erwartungen, insbesondere hinsichtlich der militärischen Nutzbarkeit“ im Bereich Navigationssatelliten geklärt werden (Rede bei der DASA-Bilanzpressekonferenz, 8.3.2000, unter dem Titel „Die DASA ist dort, wo sie hingehört – in der Weltspitze“). Dabei geht es um das System „Galileo“, ein Netz von Navigationssatelliten, das unter Federführung der deutschen, französischen, britischen und italienischen Raumfahrtindustrie aufgebaut werden soll und das Unabhängigkeit vom amerikanischen „GPS“ bringen soll. Das „Global Positioning System“, bei Autofahrern bestens bekannt, ist in erster Linie für militärische Nutzungen ausgelegt. Die europäische Konkurrenz „Galileo“ wird ein Riesengeschäft für die DASA werden. „In der vollen Ausbaustufe sollen 32 Satelliten im mittleren Orbit (ca. 19.000.000 Kilometer) und neun im geostationären Orbit Europa Autonomie und Souveränität im Verkehrs- und Transportwesen sowie in der Sicherheitspolitik verschaffen. Der erste Einsatz ist für 2005 zu erwarten, und im Jahr 2008 soll das Sytem voll arbeiten. Die DASA wird daran maßgeblich mitwirken.“ (DASA Magazin AeroSpace, 2/99)

Während des Krieges gegen Jugoslawien wurden wiederholt französische aber auch deutsche Klagen über mangelnde Informationsbereitschaft der USA laut. Scharping sah oft wie der schlecht informierte Presseoffizier der US-Army aus. Zudem machte auch der Chef der DaimlerChrysler Aerospace Druck wegen angeblich mangelnder Weltraumaktivitäten der Bundesregierung. „Wenn Italien jetzt Deutschland als die europäische Nummer zwei in der Raumfahrt ablöst, dann wird es zunehmend schwierig werden, die hervorragende Position der deutschen Industrie – etwa im Bereich der Wissenschafts- und vor allem der Erderkundungssatelliten – zu behaupten.“ (Manfred Bischoff auf der DASA-Bilanzpressekonferenz, 8.3.2000, in München)

Anfang Juni gab das Scharping-Ministerium auf seiner Internet-Seite dann plötzlich bekannt, bis 2004 solle ein eigenständiges deutsches Satellitenspionagesystem in Dienst gestellt werden. Dazu sei ein Projektteam eingerichtet worden, das die Planungszeiten drastisch senken soll. Finanzmittel in Höhe von 700-800 Millionen DM seien bereits in den aktuellen Haushalt eingestellt worden. Das System sei für weitere NATO-Länder offen. Notfalls würde Deutschland es aber auch alleine betreiben.

Cruise missiles

Dass im Krieg gegen Jugoslawien nur die USA (und in geringer Stückzahl Großbritannien) über Marschflugkörper verfügten, hat deutsche Militärs und ihren Minister ganz besonders geschabt. Abhilfe soll künftig ein Mordwerkzeug schaffen, das unter dem nur eingeweihten verständlichen Namen „Modulare Abstandswaffe Taurus“ firmiert. Die MAW Taurus, die selbstredend unter dem DaimlerChrysler-Stern entwickelt wird, ist speziell für „Luftangriffskräfte“gedacht und soll ab 2001 zunächst unter die Tragflächen des Tornado und später des Eurofighters montiert werden. Sie soll „die Fähigkeit zur Zerstörung oder Lähmung von Schlüsselelementen des gegnerischen Kräftedispositivs besitzen. Wichtige Zielgruppen sind die strategischen Kraftquellen, verbunkerte ober- und unterirdische Gefechtsstände und Fernmeldezentren, taktisch wesentliche Einsatz- und Versorgungsstellungen gegnerischer Streitkräfte sowie deren gesamtes Luftkriegspotential. In der Regel handelt es sich dabei um stark verteidigte Ziele in der Tiefe des Raumes.“ (2)(MAW Taurus, Report-Verlag 8/98. Auch die weiteren Zitate stammen aus dieser Broschüre) Das Einsatzkonzept für den Marschflugkörper sieht als Ziele, die bekämpft werden sollen auch Brücken und Versorgungseinrichtungen vor.

Marschflugkörper sind die Waffe, die deutsche Generale so richtig heiß macht. Sie verschaffen der Luftwaffe „Präzisions- und Abstandsfähigkeit … durch die eine hohe Wirksamkeit des Waffeneinsatzes bei geringer Gefährdung der eigenen Kräfte“ sichergestellt werden kann. „Hierbei gilt, dass moderne Luftstreitkräfte einen Wettbewerbsvorteil für westliche Industrien gegenüber technologisch weniger entwickelten Ländern bieten. Der Erhalt und der Ausbau moderner Luftstreitkräfte erhöht somit den Handlungsspielraum der westlichen Welt.“ Und schließlich: „Offensive Luftstreitkräfte bringen im Rahmen eines Konfliktmanagements zerstörerische Gewalt gezielt zum Tragen. Sie ermöglichen und unterstreichen politische Handlungsfähigkeit und geben der Politik eine Option, ihren Absichten Nachdruck zu verleihen und sie durchzusetzen, ohne zwangsläufig und frühzeitig in möglicherweise riskante Bodenoperationen verwickelt zu werden.“

Im Bundeswehrplan 97 waren für Forschung und Entwicklung dieser Waffe rund 310 Millionen DM und für die Beschaffung rund 3,9 Milliarden vorgesehen. Auch unter den neuen Herren Schröder, Scharping und Fischer wird die Entwicklung massiv vorangetrieben. Der nächste Kriegseinsatz kann also kommen. DaimlerChrysler ist für alle Fälle gerüstet.

(1) Das „Eckpfeiler“-Papier kann auf der Homepage der Bundeswehr – www.bundeswehr.de – nachgelesen und heruntergeladen werden. Alle Zitate entstammen dieser Quelle.

(2) „MAW Taurus“, Report-Verlag 8/98. Auch die weiteren Zitate stammen aus dieser Broschüre.