Bundeswehr im Krankenhaus?!
Veranstaltung zu den Rahmenvereinbarungen zwischen Bundeswehr und Krankenhäusern
(31.01.2000)
Seit 04.02.2000 ist diese Seite im Netz
Auch das Uni-Klinikum Tübingen hat eine Rahmenvereinbarung mit der Bundeswehr unterschrieben
Do, 10.02.2000, 20 Uhr, Sudhaus
– Johann Graf, Personalratsvorsitzender des Universitätsklinikums Tübingen (UKT)
– Willi Vollmar, ÖTV-Vorsitzender Karlsruhe und Betriebsratsvorsitzender Städtisches Klinikum Karlsruhe
– Lothar Galow-Bergemann, Friedensinitiative Stuttgart / „Entdecker“ dieser zivil-militärischen Zusammenarbeit
– Arno Neuber, Beirat der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V., Karlsruhe-Ettlingen
– Moderation: Tobias Pflüger
– eingeladen, aber leider keine Zusage: Prof. Dr. Michael Bamberg, Ärztlicher Direktor und Rüdiger Strehl, Kaufmännischer Direktor des Universitätsklinikums Tübingen
Das „Bundesministerium der Verteidigung“ (BMVg) hat am 22.04.1999 mit der „Deutschen Krankenhausgesellschaft“ (DKG) eine Rahmenvereinbarung zur zivil-militärischen Zusammenarbeit abgeschlossen. Diese Rahmenvereinbarung sieht u.a. den Austausch von Personal von militärischen Einrichtungen und zivilen Krankenhäusern vor. Den zivilen Krankenhäusern wird die Zustimmung zu dieser zivil-militärischen Vermischung durch die umfangreiche Überlassung von medizinischen Gerätschaften schmackhaft gemacht. DKG und BMVg haben dazu einen Mustervertrag erarbeitet, aus dem im folgenden zitiert wird:
„Eine enge Zusammenarbeit schon zu Friedenszeiten in Fragen der Aus- Fort- und Weiterbildung sowie die gemeinsame Nutzung von Material und Gerät bilden die Grundlage für eine derartige Kooperation. Das Zusammenwirken zivilen und militärischen Personals, welches sich in seinen individuellen Fähigkeiten kennt und mit vertrautem Gerät arbeitet, schafft zudem die Basis für die Kooperation im Falle der Landes- und Bündnisverteidigung. … Unbeschadet der generellen Verpflichtung zur gegenseitigen Unterstützung hat dieser Rahmenvertrag die gemeinsame klinische Versorgung von zivilem und militärischen Patienten in einem Verbund zwischen zivilen Krankenhaus und militärischer Reservelazarettgruppe (ResLazGrp) im Falle der Landes- und Bündnisverteidigung zum Ziel.“
Übersetzt bedeutet dieser einleitende Abschnitt des Mustervertrages: Eine enge Zusammenarbeit in Friedenszeiten schafft die Grundlage für die Zusammenarbeit in Kriegszeiten. Landesverteidigung ist – da sind sich alle einig – die eher unrealistische Variante aufgrund der weltpolitischen Lage. Mit Bündnisverteidigung sind auch solche Kampf – und Kriegseinsätze der Bundeswehr (im Rahmen des Bündnisses NATO) gemeint, wie das Bombardement von Jugoslawien. Die Folgen der NATO-Bomben sind bekanntlich schrecklich.
Bei künftigen Kampf- und Kriegseinsätzen der Bundeswehr, insbesondere wenn es zum Einsatz von Bodentruppen kommen wird, ist anders als im Krieg gegen Jugoslawien, auch mit (Schwer)-Verletzten bei den deutschen Soldaten zu rechnen. Doch es geht um mehr als um die Versorgung verletzter Kampfsoldaten, es geht um den umfangreichen Austausch zivilen und militärischen Personals.
Die Rahmenvereinbarung zwischen dem „Bundesministerium der Verteidigung“ und der Deutschen Krankenhausgesellschaft wurde während des Krieges gegen Jugoslawien abgeschlossen: Eine „Vorbereitungsmaßnahme“ für zukünftige Kriege mit Beteiligung der Bundeswehr.
Die zivilen Krankenhäuser und ihre zivilen Bediensteten (!) werden Teil einer Kriegsmaschinerie.
Abordnungen zivilen Personals an militärische Einrichtungen und umgekehrt sind vorgesehen.
Auch das Uni-Klinikum Tübingen hat einen Vertrag mit der Bundeswehr abgeschlossen!!
Der Gesamtklinikumsvorstand des Universitätsklinikums Tübingen (UKT) hat ebenfalls einen solchen Mustervertrag mit der Bundeswehr unterschrieben. Das bestätigte der kaufmännische Direktor des Klinikums Rüdiger Strehl telefonisch gegenüber Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. Wie diese Vereinbarung – über den Mustervertrag hinaus – genau aussieht, scheint außer dem Klinikumsvorstand niemand wissen (zu dürfen). Der Personalrat des Uni-Klinikums stellte Anfragen beim Gesamtvorstand des Klinikums und wurde nur dürftig darüber informiert, daß es einen solchen Vertrag gebe. Konkret sei der aber noch nicht umgesetzt worden.
Bekannt sind uns derzeit folgende Kliniken, die auch Verträge mit der Bundeswehr abgeschlossen haben: Karlsruhe, Tübingen, und Sindelfingen. Es ist die Rede davon, daß mit 26 Kliniken Verträge bestehen?!
Wir von der Informationsstelle Militarisierung e.V. haben an den geschlossen Verträgen Kritik in drei Bereichen:
1. Keine Informationen nach innen und außen:
– Die Personalräte der betroffenen Kliniken scheinen über die Vertragsabschlüsse mit der Bundeswehr nicht oder unzureichend informiert worden zu sein. Sie wurden – obwohl hier wesentliche Einwirkungen auf das Klinikpersonal zukommen – offensichtlich im Vertragsverfahren nicht angehört. Die Einwirkungen erfolgen zumindest in zwei Bereichen: a. Das Klinikum hat sich verpflichtet für die abgeordneten Soldaten Ausbilder/innen zur Verfügung zu stellen. b. Ziviles Personal soll zur Bundeswehr abgeordnet werden. Wie ist eine solche Vereinbarung möglich und noch dazu ohne Zustimmung des Personalrats?
– Eine Information der Öffentlichkeit über den Sinn oder Unsinn dieser zivil-militärischen Zusammenarbeit findet kaum statt.
2. Militarisierung der Kliniken
An Kliniken sind viele Menschen beschäftigt, die sich bewußt für einen zivilen und nicht militärischen Beruf entschieden haben (unter ihnen z.B. explizit auch die Zivildienstleistenden). Durch die Vermischung von zivilen und militärischen Institutionen findet eine Militarisierung der Kliniken statt.
3. Einplanung zum nächsten Krieg
Die Vereinbarung zwischen dem „Bundesministerium der Verteidigung“ und der „Deutschen Krankenhausgesellschaft“ kommt nicht zufällig jetzt. Der „Kosovo-Krieg“ war erst der erste richtige Kampf- und Kriegseinsatz, weitere werden folgen. Dazu meint die Bundesregierung sie bräuchte alle verfügbaren und „militärisch brauchbaren“ Kliniken, um ungehindert und zuhause abgesichert durch medizinische Versorgung Kriege führen zu können. Für uns als Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. darf Krieg nicht Mittel der Politik sein, zivil-militärische Zu sam- menarbeit ist Teil von Kriegsvorbereitung. Das lehnen wir ab.
Wenn Sie sich über die Rahmenvereinbarungen zwischen Bundeswehr und Krankenhäusern informieren wollen oder aus einem dieser drei oder anderen Gründen die zivil-militärische Zusammenarbeit ablehnen, sind Sie richtig bei unserer Veranstaltung.
Bei der Veranstaltung vom 10.02.2000 werden eine Unterschriftensammlung gegen die Militarisierung des Gesundheitswesens und ein ausführliches Informationsblatt zum Thema vorliegen.