IMI-Analyse 2021/8 - in: AUSDRUCK (März 2021)

Die Rohstoffe der Elektromobilität

Menschenrechtsverletzungen beim Abbau von Lithium und Bauxit

von: Gertrud Falk, FIAN Deutschland | Veröffentlicht am: 8. März 2021

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Grundlage dieses Artikels war ein Vortrag, der beim IMI-Kongress „Politik der Katastrophe“ im November 2020 gehalten wurde. Die Beiträge des Kongresses finden sich gesammelt in der März-Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK.

Die deutsche Bundesregierung reagiert in der Verkehrspolitik bisher sehr technisch auf die Klimakrise. Kanzlerin Merkel hat das Ziel formuliert: Bis 2030 sollen in Deutschland sieben bis zehn Millionen Elektroautos angemeldet sein und an einer Million Ladestationen Strom tanken können.[1] Die dafür nötigen metallischen Rohstoffe muss Deutschland allerdings importieren, da sie hier nicht oder nur in sehr geringen Mengen vorkommen. Zwei dieser Metalle sind Lithium und Bauxit. Lithium, weil es für die Herstellung von Akkus für den Antrieb der Elektrofahrzeuge benötigt wird. Bauxit, weil es der Grundstoff für das Leichtmetall Aluminium ist, das in den Fahrzeugen verbaut wird, um deren Gewicht möglichst gering zu halten.

Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung

Um das rohstoffarme Deutschland als Industriestandort zu sichern, hat die Bundesregierung 2010 eine Rohstoffstrategie beschlossen und sie 2019 überarbeitet.[2] Der Rohstoffhandel soll demnach im Wesentlichen den Märkten überlassen werden. Die Regierung will aber im Fall von Marktversagen und Handelsstreitigkeiten eingreifen, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. Darüber hinaus will sie aktiv Zielkonflikte angehen, die sich aus ihren Verpflichtungen zum Klimaschutz und zur nachhaltigen Entwicklung ergeben. Sozial- und Umweltstandards sowie Menschenrechte in Lieferketten sollen beachtet werden. Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) waren 2018 wertmäßig 16 Prozent aller deutschen Importe Rohstoffe. 

Zur Umsetzung der Strategie hat die Regierung Institutionen und Finanzinstrumente geschaffen. Die 2010 gegründete Deutsche Rohstoffagentur (DERA) soll Informationen für die Industrie aufbereiten und diese beraten. Über Garantien für Ungebundene Finanzkredite (UFK-Garantien) sollen Investitionen in Minen außerhalb Deutschlands erleichtert werden. Die Bedingung dafür ist, dass zumindest ein Teil der abgebauten Rohstoffe nach Deutschland exportiert wird.

Lithium – das „weiße Gold“

Aufgrund ihrer Leistung haben sich Lithium-Ionen-Akkus als wiederaufladbare Batterien für elektronische Geräte und Fahrzeuge durchgesetzt. Der Lithium-Anteil in Akkus von Elektroautos beträgt etwa 72 Gramm je Kilogramm Akkuzelle.[3] Solche Autobatterien wiegen mehrere hundert Kilogramm und enthalten durchschnittlich etwa 3 kg Lithium. Lithium ist zwar schon vor dem Anschub der Elektromobilität in Akkus verbaut worden. Sein Verbrauch hat sich aber durch die Förderung von Elektrofahrzeugen sprunghaft erhöht. Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) prognostiziert bis 2050 einen globalen Bedarf von 14 bis 20 Mio. Tonnen. Die Preise für Lithium sind entsprechend auf ein Vielfaches angestiegen. Investoren nennen den weißen Rohstoff daher das „weiße Gold“.

Lithium wird vor allem im Dreiländereck Argentinien – Bolivien – Chile gewonnen. In Chile liegen 40 Prozent in den unterirdischen Salzseen der Atacama-Wüste, bis zu 450 Meter tief im Boden. Die Wüste ist eine der trockensten Regionen der Erde. Zum Abbau werden das lithiumhaltige Salzwasser und Grundwasser an die Oberfläche gepumpt und gemischt. Durch die extreme Hitze verdunstet das Wasser. Übrig bleiben Salze, die rund 6% Lithium enthalten. Den Abbau teilen sich das chilenische Unternehmen SQM und der US-amerikanische Konzern Albemarle auf. Manche dieser Anlagen verbrauchen jährlich zehn Milliarden Liter Wasser, so viel wie die gesamte Stadt Köln in 45 Tagen. In der Region werden weitere Anlagen gebaut. Sie erstrecken sich zusammengenommen auf eine Fläche, die so groß wie Hessen ist. Laut der Bergbau-Kommission der chilenischen Regierung wurde der Atacama-Wüste von 2002 bis 2015 viermal mehr Wasser entzogen, als die Natur wieder auffüllt.

Diese Wasserausbeutung zerstört den Lebensraum der indigenen Kolla. Sie haben ihre Lebensweise über Jahrhunderte an diese Wüste angepasst. Doch seit dort Lithium abgebaut wird, versiegen ihre Grundwasserressourcen. Ihnen wird die Lebensgrundlage im wahrsten Sinn des Wortes abgepumpt. Denn ganz ohne Wasser können auch sie in der Wüste nicht überleben. Doch sie haben wenig gegen die Bergbauunternehmen in der Hand. Denn in Chile ist Wasser zu 100 Prozent privatisiert. Der Staat reguliert den Wasserverbrauch der Konzerne nicht und verletzt damit seine Pflicht, das Menschenrecht auf Wasser der Kolla zu schützen.

Bauxit – Leichtmetall mit schwerwiegenden Folgen

Das Aluminiumerz Bauxit ist nicht nur für die Herstellung von Verpackungen gefragt, sondern auch in der Mobilitätsbranche. Denn Aluminium ist ein Leichtmetall und je leichter die Fahrzeuge, desto weiter kommen sie mit einer Stromladung. Die Autohersteller sind auf Importe des roten Minerals angewiesen. 2018 bezog Deutschland 90% des Bauxits aus dem westafrikanischen Guinea, wo mehrere internationale Bergbaukonzerne Tagebau betreiben. Menschenrechtlich ist das eine fragwürdige Politik. Denn im Forschungsbericht „Die Achtung von Menschenrechten entlang globaler Wertschöpfungsketten“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist Guinea als Land mit „höchsten menschenrechtlichen Herausforderungen“ eingruppiert.

Ausdruck dieser menschenrechtlichen Bedenken ist auch die Sangaredi-Mine in der Region Boké, die seit 1973 vom Unternehmen Compagnie des bauxites de Guinée (CBG) betrieben wird. CBG gehört zu 49 Prozent dem guineischen Staat, zu 51 Prozent dem Unternehmenskonsortium Halco Mining, das wiederum zu 10 Prozent dem Bergbaukonzern Dadco gehört, der die einzige Aluminiumschmelze Deutschlands in Stade betreibt. Die Mine erstreckt sich über 579 km2 und ist fast anderthalbmal so groß wie die Fläche Kölns (405 km2). 13 Dörfer liegen in der Nähe der Mine. Sie gräbt ihnen das Wasser ab. Während Bewohner*innen berichten, dass sie früher ausreichenden Zugang zu sauberem Wasser aus Flüssen und Quellen hatten, seien diese inzwischen durch die Mine versiegt oder verschmutzt. Sie wurden dafür nicht entschädigt. Der guineische Staat greift nicht ein. Importländer wie Deutschland verschließen nicht nur die Augen vor dieser anhaltenden Verletzung des Menschenrechts auf Wasser, sondern fördern sie auch noch mit Krediten und Kreditgarantien.

Vertreibung mit deutscher Unterstützung

2014 hat CBG die Erweiterung der Sangaredi-Mine beschlossen und dafür bei Entwicklungs- und privaten Banken Kredite eingeworben. Die Mine soll ihre Produktion von 15 Mio. Tonnen im Jahr 2015 auf 28 Mio. jährlich knapp verdoppeln.[4] Dazu muss nicht nur weiteres Land abgegraben, sondern auch die begleitende Infrastruktur wie Straßen, Schienen und der Exporthafen ausgebaut werden. Das Unternehmen hat die Kosten dafür auf 752 Mio. US-Dollar kalkuliert und sogar 834 Mio. dafür eingeworben. Ein Bankenkonsortium hat das Geld zur Verfügung gestellt. Darunter die Weltbank-Tochter International Financial Corporation (IFC) 200 Mio. und die US-amerikanische Entwicklungsbank OPIC 150 Mio. US-Dollar. Auch die deutsche ING Diba hat 293 Mio. US-Dollar (ca. 250 Mio. Euro) beigesteuert. Weil es unsicher ist, ob CBG die Summe tatsächlich zurückzahlen kann, hat das deutsche Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) diesen Kredit mit einer Ungebundenen Finanzkredit-Garantie (UFK-Garantie) versichert. Und das, obwohl die bedenkliche Menschenrechtslage in Guinea und im Umfeld der Mine kein Geheiminis war. Denn vor der Entscheidung über die Kreditvergabe hat die IFC ein Gutachten über Nutzen und Risiken der Erweiterung erstellen lassen. Ergebnis: Das Projekt werde das Ökosystem und die Wasserressourcen schädigen und negative Folgen für die örtlichen Gemeinden haben, die irreversibel sein können.[5] Vor Beginn der Erweiterung war klar, dass Dörfer dafür umgesiedelt werden müssen. Die IFC hat CBG zwar soziale und Umweltschutzauflagen für die Erweiterung gemacht, aber die wurden nicht eingehalten.

2019 haben schließlich 540 Vertreter*innen der betroffenen 13 Gemeinden mit Unterstützung einer US-amerikanischen und zwei guineischer Nichtregierungsorganisationen eine Beschwerde bei der Weltbank eingereicht. Das Mediationsverfahren sollte eigentlich im März 2020 beginnen, wurde jedoch wegen Corona verschoben. CBG ließ sich dagegen von Corona nicht aufhalten. Sie siedelte das über 200 Jahre alte Dorf Hamdallaye zwangsweise auf eine Abraumhalde um. Dort hat sie zwar Häuser gebaut, aber ohne Wasseranschluss und ohne Bepflanzung. Zuvor hatten die Familien schon 40% ihres Ackerlands an die Mine abtreten müssen. Der Boden unter ihren neuen Häusern ist nicht urbar, sie sind nun ungeschützt der westafrikanischen Hitze ausgeliefert. Erst nachdem öffentlicher Druck auf das Unternehmen ausgeübt wurde, hat es Wasserleitungen ins Dorf gelegt. Während die Dorfbewohner*innen dies einerseits begrüßen, beklagen sie andererseits, dass sie durch diese Art der Wasserversorgung abhängig vom Unternehmen bleiben. Denn die Leitungen werden allein von CBG kontrolliert. Darüber hinaus beschweren sie sich über fehlende soziale und kulturelle Einrichtungen. Im neuen Dorf fehlen eine Moschee für Frauen und eine Gesundheitsstation. Es gibt keine Lehrer*in für die Schule und für die Zwangsumgesiedelten keine bezahlten Arbeitsmöglichkeiten. Die Menschen können sich nicht mehr ausreichend selbst versorgen und hängen am Tropf des Unternehmens.

Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen

Die Verletzungen der Menschenrechte der Betroffenen sind schwerwiegend. Ihnen wurde von CBG die Lebensgrundlage entzogen, ohne dass der guineische Staat sie davor geschützt hat. Felder und Wasserressourcen wurden ihnen genommen. Auch ihre kulturellen Stätten, wie Friedhöfe, wurden zerstört. Ihre Gesundheit ist durch die hohe Staubbelastung durch die Mine gefährdet. Bisher sind sie für diese gravierenden Verluste nicht entschädigt worden. Auch menschrechtliche Verfahren, die die Würde der Betroffenen sicherstellen sollen, wurden bei der Erweiterung der Sangaredi-Mine bisher missachtet. Es gab keine umfassende und verständliche Aufklärung über das Erweiterungsvorhaben und seine Folgen, keine Einbeziehung in Entscheidungen zur Erweiterung der Mine und keine Informationen über die Möglichkeit, ihre Rechte gerichtlich abzuklären, bevor das Unternehmen Fakten schafft.

Bundesregierung sieht nur Positives

Wie verhält sich die deutsche Regierung angesichts dieser katastrophalen Folgen ihrer Unterstützung? In ihrem Jahresbericht zur Auslandsgeschäftsabsicherung 2016 beschreibt die Bundesregierung nur Vorteile der Minenerweiterung: „Die Erweiterung des Minenbetriebs trägt zur Beschäftigungssicherung in der Region Boké in Guinea bei und wird den Beitrag von CBG zur guineischen Wirtschaftsentwicklung weiter steigern. Darüber hinaus wird der langfristige Abnahmevertrag die Rohstoffversorgung für AOS (Aluminium Oxid Stade GmbH) sichern und damit auch zur Beschäftigungssicherung am deutschen Standort beitragen. Die Umsetzung des Erweiterungsvorhabens erfolgt unter der Berücksichtigung der internationalen Umwelt- und Sozialstandards und hat bereits erfolgreich zu nachhaltigen Verbesserungen im Zusammenhang mit dem Minenbetrieb geführt“.[6] Selbst im Juli 2020 verweist sie in Antworten auf Fragen von Bundestagsabgeordneten auf die Umwelt- und Sozialstandards, an deren Einhaltung die IFC ihren Kredit gebunden hat. Außerdem seien ein neues Umsiedlungsmanagement und Beteiligungsverfahren eingeführt worden.[7]

Diese Darstellung geht an der Realität der betroffenen Gemeinden völlig vorbei und muss wie Hohn in ihren Ohren klingen. Die Nichtregierungsorganisationen PowerShift und FIAN haben deswegen eine Petition an Wirtschaftsminister Altmaier gestartet: #StopptUnfaireKredite , die auf der Webseite von FIAN unterzeichnet werden kann: https://www.fian.de/mitmachen/aktionen/petition-stopptunfairekredite/

Anmerkungen


[1]              Bundesregierung: “Neue Perspektiven im Klimaschutz – Verkehr”, o.D., bundesregierung.de.

[2]              Bundesregierung: Rohstoffstrategie, Dezember 2019, bmwi.de.

[3]              Fraunhofer ISI: Batterien für Elektroautos – Faktencheck und Handlungsbedarf, Januar 2020, isi.fraunhofer.de.

[4]              Compagnie des bauxites de Guinée: „Projet d’extension“, o.D., cbg-guinee.com.

[5]              International Finance Corporation: Environmental & Social Review Summary – Project 34203, 24.11.2015, disclosures.ifc.org.

[6]              Euler Hermes Aktiengesellschaft (im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie): Exportkreditgarantien der Bundesrepublik Deutschland – Hermesdeckungen – Jahresbericht 2016, agaportal.de.

[7]              Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 19/182, 07.10.2020, dipbt.bundestag.de.