IMI-Studie 2013/09

Neoliberales Expansionsprojekt

Die Europäische Nachbarschaftspolitik im südlichen Mittelmeerraum – das Beispiel Ägypten

von: Leonard Springmann | Veröffentlicht am: 2. August 2013

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Mit dem Ende des Kalten Krieges und damit auch der bipolaren Teilung der Welt in Ost und West boten sich Europa neue außenpolitische Handlungsspielräume. Die Europäische Union ergriff diese Chance und schwang sich zu einem regionalen Hegemon auf.
Obwohl die Europäische Union in den letzten Jahren einen beachtlichen Militärapparat aufgebaut hat, gilt sie sowohl in ihrer Selbstdarstellung als auch häufig in der äußeren Wahrnehmung nicht als militärische, sondern als zivile und wirtschaftliche Macht, die ihre Interessen primär durch Verhandlungen und ökonomische Druckmittel durchsetzt. Die Verteidigung und Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten nimmt dabei in offiziellen Verlautbarungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) stets einen hohen Stellenwert ein. Militärische Gewalt spielt auch in der eigenen Darstellung allenfalls eine untergeordnete Rolle. Vielmehr betont man die grundsätzlich altruistische Zielsetzung der eigenen Politik. Nicht zuletzt die Verleihung des Friedensnobelpreises für die Europäische Union im Jahr 2012 belegt und verstärkt diese Wahrnehmung der europäischen Politik.
Ein Instrument zur Durchsetzung europäischer Interessen auf einem solchen nicht-militärischem Wege ist die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP). Die ENP hat zwar in der offiziellen Rhetorik der EU-Dokumente durchaus auch das Ziel, im beiderseitigen Interesse Wohlstand, Menschenrechte und Demokratie zu fördern. Betrachtet man aber die praktische Umsetzung der Nachbarschaftspolitik, wird deutlich, dass Menschenrechte und Demokratie bisher hinter den Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen Europas zurückstehen mussten. Sofern es den Interessen der EU entspricht, kooperiert man auch mit autoritären Staaten und korrupten Regimen. Die neoliberalen Wirtschaftsreformen, die die ENP vorschreibt, führen indes nicht zu gesamtgesellschaftlichem Wohlstand in den Partnerländern. Stattdessen profitierten davon bislang vor allem die europäische Wirtschaft, international tätige Konzerne und die autoritären Regime und deren Klientel:
„Was nicht gesagt wird ist, dass das Hauptmotiv der wirtschaftlichen Integration darin besteht, die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken, Ökonomien in die expandierende Wirtschaft des Imperiums (der EU) einzugliedern und Zugang zu natürlichen Ressourcen in der energiereichen Nachbarschaft zu erhalten. Die riesige Ansammlung von Wohlstand und wirtschaftlicher Macht der EU hat ihr einen Hebel gegeben, um marktfreundliche Reformen einschließlich Privatisierung, Handelsliberalisierung und der Übernahme der EU-Regulationsmechanismen aufzuerlegen und gleichzeitig die weiterführenden Debatten in den peripheren Gesellschaften zu umgehen. Damit riskiert sie allerdings, eher zur Schaffung politischer Destabilisierung denn zu Stabilität beizutragen und die wirtschaftlichen Ungleichheiten in der Nachbarschaft zu vertiefen, wie die jüngsten Revolten in arabischen Ländern unter Beweis gestellt haben.“
Auf den folgenden Seiten wird zunächst die Entwicklung der Politik im südlichen Mittelmeerraum von der Erweiterungspolitik über die Euro-Mediterrane-Partnerschaft (EUROMED) bis zur Europäischen Nachbarschaftspolitik beschrieben. Im Folgenden werden dann die Einführung der ENP und die Motivation hinter dieser Politik untersucht. Anschließend sollen anhand der Nachbarschaftspolitik im süd-östlichen Mittelmeerraum die Umsetzung und die Folgen der ENP dargestellt werden. Zur Veranschaulichung der Nachbarschaftspolitik vor und nach dem Beginn des „Arabischen Frühlings“ dient abschließend Ägypten als empirisches Beispiel.
Wie sich dabei zeigen wird, handelt es sich auch bei der Überarbeitung der ENP nach dem arabischen Frühling nur um kosmetische Reformen mit angepasster Rhetorik. Die elementaren Probleme der ENP wurden dagegen nicht angegangen. Im Gegenteil, die gleiche Politik, die einen nicht unwesentlichen Beitrag zu der Krisensituation in den Partnerstaaten des südlichen Mittelmeerraums leistete, soll auch unter den veränderten Gegebenheiten und mit den neuen politischen Eliten als Partner in der Region fortgesetzt werden.

Die vollständige Studie findet sich hier