IMI-Standpunkt 2021/063 - in: AUSDRUCK (Dezember 2021)

Afghanistan: Fortsetzung des Krieges

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von: 9. Dezember 2021

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Die NATO-Truppen sind aus Afghanistan abgezogen, der „Krieg gegen den Terror“ läuft indes weiter. Auch wenn Biden den Begriff „Global War on Terror“ nicht verwendet, so sind die Worte in seiner aufschlussreichen Rede zum Ende des Kriegs in Afghanistan klar: „Wir sind mit der Bedrohung durch Al-Shabaab in Somalia konfrontiert, mit Al-Qaida-Ablegern in Syrien und auf der arabischen Halbinsel und mit ISIS, der versucht, in Syrien und im Irak ein Kalifat zu errichten und in ganz Afrika und Asien Ableger zu gründen. […] Wir werden den Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan und anderen Ländern fortsetzen.“[1]

Angesichts dieser Drohung kommen hier ein paar Hinweise auf aktuelle Texte für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema.

1. Was im Krieg in Afghanistan geschah, zeigt Emran Feroz in seinem sehr lesenswerten Buch „Der längste Krieg. 20 Jahre War On Terror“.[2] Dort zeichnet er u.a. sechs Vergehen des Kriegs gegen den Terror in Afghanistan auf: Mehr Terror durch Folter; Kreuzzügler-Kultur; Warlordismus, Korruption und die Lüge der Demokratie; Terror durch Todesengel und CIA-Schergen; die Generierung von Fluchtwellen und die Mär von der Frauenbefreiung. Diese Vergehen werden mit dem fortwährenden Krieg gegen den Terror weiterhin begangen – die große Frage, wie der Krieg gegen den Terror beendet werden kann, bleibt offen. Die Dringlichkeit, dies zu tun, steigt mit jedem Tag und jedem Menschen, der sein Leben in diesem Krieg verliert.

2. Denken wir an das erste von Emran Feroz benannte Vergehen – mehr Terror durch Folter – so empfiehlt sich ein im Januar 2021 verfasster offener Brief, in dem sich ehemalige Inhaftierte aus Guantánamo an Präsident Biden richten, um erneut die Schließung des Gefangenenlagers zu fordern: „Guantánamo Bay besteht seit über neunzehn Jahren und wurde ausschließlich für die Unterbringung muslimischer Männer gebaut. […] Viele von uns wurden vor den Augen ihrer Familien aus ihren Häusern verschleppt und von Staaten, die sich wenig um Rechtsstaatlichkeit scherten, gegen Kopfgeld an die USA verkauft.“[3]

3. Dem antimuslimischen Rassismus, der im Krieg gegen den Terror eine bedeutsame Rolle spielt, geht Deepa Kumar in der neuen Auflage ihres Buches „Islamophobia and the Politics of Empire Twenty Years after 9/11“[4] auf den Grund. Den Ursprung davon verortet sie im 16. Jahrhundert und erklärt, wie die „Matrix des antimuslimischen Rassismus“ heute funktioniert.

4. Bezüglich der Mär von der Frauenbefreiung ist auch der von Anand Gopal geschriebene und Anfang September 2021 im The New Yorker erschienene Artikel „The other Afghan Women“[5] zu empfehlen. In diesem Artikel greift er die Stimmen von afghanischen Frauen aus dem ländlichen Raum auf, die selten Gehör finden.

5. Umfassender betrachtet Rafia Zakaria weißen Feminismus und Militarismus in ihrem Buch „Against White Feminism. Notes on Disruption“.[6] Das vierte Kapitel des Buches widmet sie den weißen Feminist*innen und feministischen Kriegen. Dabei zeigt sie auf, wie feministische Wissenschaftler*innen und Organisationen, u.a. die National Organization for Women, den „Krieg gegen den Terrorismus“ als feministisch erachteten und sich für ihn einsetzten.

Anmerkungen


[1] Remarks by President Biden on the End of the War in Afghanistan, whitehouse.gov, 31.8.2021

[2] Emran Feroz: Der längste Krieg. 20 Jahre War on Terror. Westend Verlag, 2021

[3] Mansoor Adayfi, Moazzam Begg, Lakhdar Boumediane, Sami Al Hajj, Ahmed Errachidi, et al.: An Open Letter to President Biden About Guantánamo, nybooks.com, 29.1.2021

[4] Deepa Kumar: Islamophobia and the Politics of Empire. 20 Years Since 9/11. Verso, 2021

[5] Anand Gopal: The Other Afghan Women. In the countryside, the endless killing of civilians turned women against the occupiers who claimed to be helping them, newyorker.com, 6.9.2021

[6] Rafia Zakaria: „Against White Feminism. Notes on Disruption“. W. W. Norton & Company, 2021. Eine Übersetzung auf Deutsch ist für März 2022 angekündigt: „Wie weißer Feminismus Gleichberechtigung verhindert“. hanserblau Verlag.