Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Aktuell 2021/522

Fake News über Tucholsky

(04.10.2021)

Unter dem Titel „Raus aus Mali – Wie sinnvoll sind Auslandseinsätze?“ sendete der SWR2 in seiner Sendung „Forum“ am 30.9.2021 eine Diskussion mit der Afrikakorrespondentin Bettina Rühl, Dr. Christian Mölling als „Militärexperte[n] der DGAP“ und Prof. Dr. Johannes Varwick, Politikwissenschaftler der Universität Halle. Dabei wurde auch die Frage angesprochen, ob deutsche Soldaten „missbraucht“ worden seien, was Varwick verneinte. „Es wurden Versuche gemacht, ferne Länder – sage ich mal so – zu stabilisieren und zwar aus eigenem Interesse“.

Anschließend führte er aus: „Der alte Satz von Tucholsky ‚Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin‘ geht ja so weiter, dass es weiter heißt: ‚dann kommt der Krieg zu Dir‘. Und das ist auch ein Stück weit richtig. Wir können uns nicht aus den Wirrungen der Weltpolitik heraushalten. Wir müssen nicht überall Soldaten hinschicken – das ist auch klar. Aber es gibt Fälle, wo das verantwortbar ist und das war in Afghanistan der Fall und das war auch in Mali der Fall. Es gab also gute Gründe für Interventionen“.

Das Zitat wird im deutschen Sprachraum oft fälschlich Berthold Brecht zugeordnet – so gut wie nie allerdings Kurt Tucholsky. Die Erweiterung des Zitates um die Zeile „dann kommt der Krieg zu Dir“ hatte 2016 bereits die damalige „Verteidigungsministerein“ von der Leyen in einer Talkrunde bei Maybrit Illner wiedergegeben – und war dafür prompt von der FAZ korrigiert worden:

„Ministerin von der Leyen sucht Zuflucht bei Berthold Brecht, allerdings mit einer Zeile, die nachweislich nicht von ihm stammt. Da hat ihr Lyrik-Referent nicht aufgepasst. ‚Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin‘. Das stammt von dem amerikanischen Autor Carl Sandburg. Die folgende Zeile ‚dann kommt der Krieg zu uns‘ hat ein anonymer Autor dran geklebt.“ Trotz der umgehenden Kritik hatte auch der Politikwissenschaftler Herfried Münkler 2018 das falsche Zitat noch einmal in der Lampertheimer Zeitung vorgetragen. Im März 2021 bestätigte die Deutsche Welle unter dem Titel „Falschen Zitaten auf der Spur“ noch einmal die falsche Zuordnung zu Brecht – auch ohne die falsche zweite Zeile.

Auf de.wikipedia.org findet sich das Zitat aktuell in der „Liste geflügelter Worte“. Auch hier heißt es:

„In den 1970er und 1980er Jahren wurde von der Friedensbewegung oft der Satz „Stell dir vor, es gibt Krieg, und keiner geht hin“ zitiert. Dieser scheint auf den amerikanischen Schriftsteller Carl Sandburg zurückzugehen, in dessen Gedichtsammlung es 1936 hieß: ‚Sometime they’ll give a war and nobody will come.‘ (‚Einmal werden sie einen Krieg geben, und keiner wird kommen.‘) Öfters wird der Satz fälschlich Bertolt Brecht zugeschrieben und dessen Koloman-Wallisch-Kantate von etwa 1936 zugeordnet, die wie folgt beginnt: ‚Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt / Und läßt andere kämpfen für seine Sache/…’“

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Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de