IMI-Analyse 2021/36 - in: AUSDRUCK (September 2021)

Volle Kraft voraus auf fremde Küsten

Marinerüstung in Deutschland

von: Lühr Henken | Veröffentlicht am: 8. September 2021

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Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer charakterisierte vor Marineoffizieren im März 2020[1] die „strategische Lage“ indem sie Russland unterstellte, es gefährde die strategische Stabilität Europas und China befeuere durch zunehmenden Dominanzanspruch die „systemische Konkurrenz“ großer Mächte. Deshalb müsse die Bundeswehr, die Marine eingeschlossen, die „Landes- und Bündnisverteidigung“ zur „höchsten Priorität“ – vor dem „internationalen Krisenmanagement“ – erheben. Fakten, die ihre Behauptungen belegen könnten, nannte AKK nicht. Aber geografische Regionen verstärkten deutschen maritimen Einsatzes konnte sie benennen: Die Ostsee (als „wichtige Nachschubroute ins Baltikum“) und im Nordatlantik die GIUK-Lücke, „die gedachte Linie zwischen Grönland, Island und Großbritannien.“ Hier gehe es um zweierlei, die „Verbindung zwischen Nordamerika und Europa zum einen als Versorgungslinie und zum anderen wegen des Schutzes des Tiefseekabels.“ Hier werde „mehr Präsenz und Wirkmöglichkeit“ gebraucht. Im Schwarzen Meer, „wo Russland Druck ausübt“, müssten die NATO-und EU-Partner gestärkt werden. Darüber hinaus seien die „Freiheit der Seewege für Deutschland und unseren Wohlstand von großer strategischer Bedeutung.“ Erhebliche Aufgaben des „internationalen Krisenmanagements“ sieht AKK in zwei Bereichen: bei „vielgenutzten Engpässen, wie die Straßen von Hormus und Malakka“, die von Regionalkonflikten bedroht seien, und dem Anstieg des Meeresspiegels, der  zu Migrationsbewegungen und Folgekonflikten führe.

Wir erkennen hier die klare Konzentration auf einen militärischen Großkonflikt mit Russland, aber auch den weltweiten Wirkhorizont für die kleinste der Teilstreitkräfte, die allerdings von 2014 an um 2.500 auf 15.000 Soldat*innen angewachsen ist. 

Der neue Marineinspekteur Schönbach hebt konkret China, das „stetig“ aufrüste, hervor, das angeblich ein weltweites Netzwerk von Militärstützpunkten aufbaue und damit „Machtprojektion“ betreibe, ohne dass er dafür auch nur einen Beleg anführt. Er formuliert aus diesen Schwerpunktsetzungen heraus konkrete Handlungsanweisungen.[2] Es gehe für die deutsche Marine um die „Refokussierung zum Kampf“, dieser Fähigkeit müsse sich alles andere unterordnen. Die Marine müsse das „hochintensive Gefecht beherrschen“. Deshalb müssten die deutschen Kampfschiffe aus den NATO-Verbänden der Seeraumüberwachung herausgenommen werden und die Integration dieser Kampfschiffe in Flugzeugträgerkampfgruppen müsse künftig Priorität haben. „Wir brauchen in Zukunft auch herausfordernde Aufträge mit hohem Operationstempo, in denen die Fähigkeit zur multidimensionalen Seekriegsführung wieder in den Vordergrund gerückt wird,“ sagte er. Geht es noch martialischer?

Die deutsche Marineflotte

Die Flotte der deutschen Marine ist organisatorisch zweigeteilt: Vom Marinekommando in Rostock aus werden die Einsatzflottille 1 in Kiel, und die Einsatzflottille 2 in Wilhelmshaven geführt. Die Einsatzflottille 1 gilt als „Ostseeflottille“ und hat für ihre Verbände und Einheiten drei Häfen: in Warnemünde das 1. Korvettengeschwader, in Eckernförde das 1. U-Bootgeschwader, das Seebataillon und das Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM) sowie die Flottendienstboote und in Kiel das 3. Minensuchgeschwader und das Unterstützungsgeschwader. Zur Einsatzflottille 2 in Wilhelmshaven gehören die großen Überwasserkampfschiffe des 2. und 4. Fregattengeschwaders sowie das Trossgeschwader.

Die Kriegsschiffe der Einsatzflottille 1 und ihre Spezifika

Das Korvettengeschwader wird von fünf baugleichen hochseegängigen Korvetten gebildet, die von 2008 bis 2013 ihren Dienst aufgenommen haben. Ihre Tarnkappenbauweise soll leichtes Erkennen mittels Radar in der hochmilitarisierten Ostsee verhindern. Die nach dem Typschiff benannte Braunschweig-Klasse (K 130) ist knapp 90 Meter lang, verdrängt nur 1.800 t Wasser, benötigt voll beladen nur einen Tiefgang von 3,40 m und ist damit speziell für flache Küstengewässer wie die Ostsee gebaut worden. Ihre Hauptwaffen sind vier nahezu störungssichere Marschflugkörper RBS 15 Mk3, mit denen Schiffe, aber auch Landziele, auch im Salvenschuss, auf eine Entfernung von 250 km Entfernung im Tiefflug auf ein bis zwei Meter genau getroffen werden können. Die Gefechtsladung beträgt 200 kg.

Die sechs U-Boote des Typs 212 sind die kampfstärksten konventionell angetriebenen U-Boote der Welt, die zwischen 2005 und 2016 den Dienst aufgenommen haben.  Von Außenluft unabhängige Brennstoffzellen sorgen für den Antrieb, wodurch mindestens zwei Wochen lange, ununterbrochene Tauchfahrten möglich sind. Die U-Boote sind leiser als US-amerikanische Atom-U-Boote und von Marinen außerhalb der NATO bisher nicht zu orten. Mit ihren 50 bis 140 km weit reichenden Schwergewichtstorpedos „Seehecht“ sind sie ein hoch wirksames Waffensystem. Das U-Boot ist auch im Flachwasser manövrierfähig und kann einen Küstenstreifen von 800 km Länge kontrollieren. Es kann nicht nur Überwasserschiffe versenken, sondern auch U-Boote.

Die drei Flottendienstboote der Klasse 423 sind unbewaffnete Spionageschiffe, die dem Kommando Strategische Aufklärung in Gelsdorf bei Bonn ihre gewonnenen Daten übermitteln. Das Kommando arbeitet mit dem Bundesnachrichtendienst zusammen. Die Boote betreiben optische, akustische, Radar- und visuelle Aufklärung, um Informationen von über und unter Wasser und aus dem erweiterten Küstenstreifen zu gewinnen. Das Abfangen und Orten elektronischer Kommunikation sind die Hauptaufgaben der Flottendienstboote. Die für diese Fachaufgaben zuständigen Soldaten gehören dem Bataillon Elektronische Kampfführung 912 in Nienburg/Weser an.

Die Kriegsschiffe der Einsatzflottille 2 und ihre Spezifika

Die größten Kriegsschiffe der deutschen Marine sind zurzeit 10 Fregatten. Das sind eine Fregatte der Bremen-Klasse (F122), die seit 1990 in Dienst ist und 2022 ausgemustert werden soll, vier Fregatten der Brandenburg-Klasse (F 123), drei Fregatten der Sachsen-Klasse (F124), in Dienst gestellt von 2003 bis 2006, sowie 4 Fregatten der Baden-Württemberg-Klasse (F125), wovon seit 2019 jedes Jahr eine den Dienst aufgenommen hat und sich das vierte Schiff in der Erprobung befindet.

Die „Lübeck“, das letzte Schiff der Klasse F122, wurde als Multifunktionsfregatte im Kalten Krieg als Begleitschiff für Transporte über den Atlantik konzipiert, und kann andere Schiffe und U-Boote, Flugzeuge und Flugkörper bekämpfen. Das Schiff verdrängt 3.680 t bei einer Länge von 130,5 m und ist 30 kn schnell. Die vier 29 kn schnellen F123-Fregatten verdrängen 4.900 t, sind 139 m lang und dienen der U-Boot-Jagd und der Bekämpfung von Schiffen, später wurden auch Boden-Luft-Raketen mit Reichweiten von über 50 km installiert. Sie sollen bis 2030 in Dienst bleiben. Die F123-Fregatte Bayern brach am 2. August ins Südchinesische Meer und in die Straße von Malakka auf, um militärische Macht gegen China zu demonstrieren.  Die drei F124-Fregatten sind Mehrzweckfregatten mit dem Schwerpunkt Flugabwehr. Sie sind dafür konzipiert, einen Einsatzverband zu führen, Geleitschutz zu geben und ein Seegebiet zu sichern. Sie verfügen über Flugabwehrraketen mit Reichweiten von 50 bis 167 km, über Antischiffsraketen (Reichweite 220 km) und Torpedos. Demnächst soll ein Hoch-Energie-Laser-Demonstrator zu Erprobungszwecken montiert werden. Die Kosten für eine F124 beliefen sich auf 733 Mio. Euro. Die 143 m langen und 5.800 t verdrängenden Fregatten sind als Begleitschiff einer US-Flugzeugträgerkampfgruppe für die Luftabwehr eingesetzt worden. Die Schiffsklasse F125 ist mit 7.200 t die vorerst größte Fregatten-Klasse seit Bestehen der Bundeswehr und benötigt dank Mehrbesatzungskonzepts nur halb so viele Soldat*innen an Bord wie ihre Vorgängermodelle. Die F125 können zwei Jahre ununterbrochen auf See bleiben und sind für Seeraumüberwachung und Piratenjagd ausgelegt und können Marineinfanteristen des Seebataillons und des KSM aufnehmen. Im Unterschied zu den anderen Fregatten-Klassen sind die F125 nicht für intensive Gefechte ausgelegt, sondern für Stabilisierungseinsätze. Allerdings können sie mit einer weitreichenden Bordkanone (Vulcano-Munition) ausgerüstet werden. Die Einsatzprüfung ist in Vorbereitung und würde Reichweiten von 80 km Schussentfernung für feste und bewegliche Ziele an Land ermöglichen. Eine weitere Besonderheit dieser Baden-Württemberg-Klasse ist ihr Preis. Mit 930 Mio. Euro pro Stück bricht er (bisher) jeden Rekord.

Als komplett neuen Schiffstyp nach dem Kalten Krieg verfügt die deutsche Marine über drei Einsatzgruppenversorger (EGV) im Trossgeschwader der Einsatzflottille 2, die zwischen 2001 und 2013 in Dienst gestellt wurden. Sie sind mit mehr als 20.200 t die größten deutschen Marineschiffe und transportieren Proviant, Munition, Kraftstoff sowie Frischwasser und haben ein Lazarett in der Größe eines Kreiskrankenhauses an Bord. Der Einsatzverband kann mittels EGV statt nur 3 Wochen nun bis zu 45 Tage ununterbrochen ohne Landunterstützung weltweit herumkreuzen.

Das Marinefliegergeschwader in Nordholz/Niedersachsen nutzt 8 Seefernaufklärungsflugzeuge zur U-Boot-Bekämpfung die dafür jeweils 8 Torpedos mitführen. Diese PC-3 Orion sind 750 km/h schnelle Propellermaschinen und haben eine Einsatzreichweite von 2.500 km. Ihr Einsatzende ist für 2025 geplant. Als Bordhubschrauber für alle Fregatten der Klassen F122 bis F124 werden 22 SeaLynx Mk 88A bis 2025 für die U-Boot-Jagd und den Überwasserseekrieg im Einsatz bleiben. Bis 2023 werden 21 SeaKing Mk 41 vor allem für Rettungsaktionen und den Transport von Menschen und Material im Einsatz sein.

Kampfzone Ostsee

Im Unterschied zum Kalten Krieg hat sich das Ende der Küstenlinie der NATO bis auf etwa 200 km heran an St. Petersburg vorgeschoben und ist damit nur 170 km entfernt vom Stützpunkt der Baltischen Flotte Russlands in Kronstadt. Der zweite Stützpunkt der Baltischen Flotte liegt in Baltijsk in der Exklave Kaliningrad, die von NATO-Gebiet umgeben ist. Finnland und Schweden haben sich in den letzten Jahren den NATO-Strukturen so weit angenähert, dass sie im Kriegsfall auf Seiten der NATO eingreifen würden. Die Marinen auf Seiten der NATO in der Ostsee wären für den Fall stärker als die Russlands. 20 U-Boote, 26 Zerstörer, Fregatten und Korvetten sowie 63 Patrouillenboote (zusammen 109) des Westens stünden dort einem U-Boot, 16 Fregatten und Korvetten sowie 21 Patrouillenbooten (zusammen 39) Russlands gegenüber. In Rostock wurde 2019 ein neuer deutscher Marine-Führungsstab mit internationalem Anteil gebildet, der Marineoperationen in der Ostsee und entlang der Nordflanke der NATO planen und führen kann. Er bildet den Kern eines ab 2025 einsatzfähigen Führungsstabs der NATO für diese Region – unter deutscher Führung.

Aufrüstung der deutschen Marine

So wie die Bundeswehr insgesamt wird seit 2014 auch die Marine massiv aufgerüstet. Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer verkündete 2019 öffentlich ihren Willen, bis 2031 das NATO-Ziel zu erreichen, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Bundeswehr zu stecken, was dann über 90 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten würde – eine Verdopplung der Ausgaben binnen dieser 12 Jahre. Der Marine würde dabei im Durchschnitt pro Jahr ein neues Schiff zulaufen, sagte sie. 2018 gab das Verteidigungsministerium bekannt, dass die Flotte 2032 auf 25 Kampfschiffe und 8 U-Boote aufwachsen solle. Damals verfügte sie über 14 Kampfschiffe (9 Fregatten und 5 Korvetten) und 6 U-Boote.

Für weitere fünf Korvetten K130 wurde der Bau für 2,35 Mrd. Euro bereits beauftragt. Sie sollen in der Zeit von 2023 bis 2025 in Dienst gestellt werden. Im Zeitraum 2022 bis 2026 sollen 160 Marschflugkörper RBS 15 Mk3 für 291 Mio. Euro beschafft werden. Angedacht ist, ab 2025 weitere fünf K130 in Auftrag zu geben, um die ersten fünf Korvetten zu ersetzen, damit dauerhaft zehn baugleiche K130 der neuesten Ausführung zur Verfügung stehen.

Das über Jahre als größenmäßig zwischen Korvette und Fregatte angesiedelte Mehrzweckkampfschiff MKS 180 soll nun doch bis zu 10.000 t Wasser verdrängen können und somit zum größten Fregattentyp der Marine werden. Deshalb firmieren die MKS 180 nun als F126. Vier von ihnen sollen von 2028 bis 2032 gebaut werden –Preisschild 6 Milliarden Euro. Es ist das kostspieligste Marineprojekt seit Ende des 2. Weltkriegs. Sie sollen zum dreidimensionalen weltweiten Seekrieg ausgerüstet werden, wobei sie vor allem zum großräumigen Schutz von Verbänden und Gebieten mit dem Schwerpunkt U-Boot-Jagd verwendet werden sollen. Sie erhalten dafür zwei Bordhubschrauber, aber auch für den Landbeschuss ein Geschütz mit Vulcano-Granaten. Bis zu 2 Jahre sollen sie ununterbrochen auf See sein können. Zudem besteht die Option auf den Bau von zwei weiteren F126.

Erste Überlegungen für eine ab 2032 einzuführende neue Fregatten-Klasse F127 gehen dahin, die drei F124 zu ersetzen und zusätzlich drei weitere F127 in Dienst zu stellen, die modular für den auch autonomen Unter- und Überwasserseekrieg, mit dem Schwerpunkt auf Luftverteidigung gegen ballistische Raketen und Hyperschallraketen ausgerichtet sind und auch Laserwaffen erhalten sollen. In einem Zeithorizont bis 2075 wird hier gedacht, so dass die F127 für weltweite Einsätze zur Mitte des Jahrhunderts das Rückgrat der deutschen Marine bilden sollen.

Die deutsche Marine erhält von sechs U-Booten des Typs 212 CD, die zusammen mit Norwegen gebaut werden, zwei, die der deutschen Marine zwischen 2031 bis 2034 zulaufen sollen. Sie sollen eine größere Reichweite, Geschwindigkeit und verlängerte Seeausdauer erhalten und in die Lage versetzt werden, anfliegende Gegner mit einem Flugkörper anzugreifen. Aus dem Bundeshaushalt wurden dafür 2,79 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt – Stückpreis 930 Mio. Euro. Die beiden Vorgänger waren 2015 noch für 500 Mio. Euro pro Stück zu haben.

Das von der Regierung ausgegebene Ziel, bis 2032 25 Kampfschiffe und 8 U-Boote zur Verfügung zu haben, kann, wenn der Kurs nicht gestoppt wird, beinahe erreicht werden.

Der Bundestag hat im Juni den Bau von drei Flottendienstbooten der Klasse 424 beschlossen, die mit 130 m Länge ca. 50 m länger sind als ihre Vorgänger. Sie kosten knapp 2,1 Mrd. Euro und sollen ab 2027 die alten Boote nach und nach ersetzen. 

In derselben Sitzungswoche stellte der Bundestag 1,43 Mrd. Euro für fünf P-8A Poseidon Seefernaufklärer und U-Boot-Jäger als Ersatz für die P-3 Orion beschlossen zur Verfügung. Die P-8A basieren auf Boeing 737-800-Düsenflugzeugen, deren Reichweite laut Boeing 7.400 km und deren Flugdauer 10 Stunden beträgt. Die 5 Poseidon sind somit bedeutend leistungsfähiger als ihre acht Vorgänger. Als „Ersatz“ für die 22 SeaLynx gab der Bundestag im November 2020 grünes Licht für 31 Bordhubschrauber NH 90 SeaTiger, die von insgesamt geplanten 15 Fregatten aus je zu zweit vor allem Aufklärungsaufgaben verrichten und auf U-Boot-Jagd gehen sollen. Mit Bewaffnung werden sie 3,1 Mrd. Euro in der Anschaffung kosten und weil sie in fast allen Parametern die SeaLynx übertreffen, diese Marinefähigkeiten mehr als versiebenfachen. Bis Ende 2022 sollen 18 Bordhubschrauber des Typs NH 90 Sea Lion die 21 SeaKing Mk 41 ersetzen.

Ebenfalls Ende Juni beschloss der Bundestag, die zwei Betriebsstofftanker ab 2024 durch ca. 40 % größere Schiffe zu ersetzen, die nicht mehr nur Schiffsdiesel, sondern auch Flugkraftstoffe bis zu 15.000 km weit transportieren können. Kosten: 914,3 Mio. Euro.

Deutsche Werften

Zutreffend bemerkt der Maritime Koordinator der Bundesregierung, Norbert Brackmann: „Deutschlands Marineschiffbau besitzt eine weltweit führende Position auf dem Gebiet der Hochtechnologie bei Überwasserschiffen und bei U-Booten.“[3] Zurzeit ist er konzentriert in fünf Werftengruppen oder Einzelwerften, denen ca. 400 Betriebe zuliefern.

ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) ist als Teil des ThyssenKrupp-Konzerns die größte deutsche Marinewerftengruppe. 6.466 Belegschaftsmitglieder zählte TKMS am 31. März 2021. Sie haben nach Werksangaben für einen Umsatz von 1,8 Mrd. Euro (2018/2019) gesorgt. SIPRI platziert TKMS auf Platz 54 weltweit, auf Platz 15 in Europa (ohne Russland) und auf Platz 2 in Deutschland. TKMS setzt sich zusammen aus den ehemaligen Howaldtswerken Deutsche Werft (HDW) in Kiel (über 3.000 Beschäftigte), ATLAS Elektronik (Sitz in Bremen, ca. 2.000 Beschäftigte in 12 Ländern), den Nordseewerken in Emden (193 Beschäftigte) und Blohm + Voss Shipyards in Hamburg (510 Beschäftigte). TKMS ist Weltmarktführer bei der Entwicklung und Produktion von nicht-nuklear angetriebenen U-Booten und hat „seit 1960 mit 20 Staaten Verträge für 167 U-Boote geschlossen“[4] und ist somit U-Boot-Exportweltmeister. Nach Werksangaben stammen 70 % der nicht-nuklearen U-Boote der NATO-Flotten von TKMS. Dazu zählen auch die aktuellen U-Boote der deutschen Marine und die 6 U-Boote, die für Norwegen und Deutschland vereinbart sind. Lizenzbauverträge für 2 U-Boote für Italien sind vereinbart. TKMS entwickelt und stellt auch Überwasserkriegsschiffe her: „Seit 1982 82 Korvetten und Fregatten an Marinen aus 15 verschiedenen Ländern.“[5] TKMS ist federführend bei der Herstellung der Fregatte F 125 (Wertanteil 80 %). Bei Blohm + Voss werden Vorder- und Heckteile der K 130, die auf vier verschiedenen Werften der ARGE 130 hergestellt wurden, zusammengesetzt. TKMS baut federführend vier Fregatten in Brasilien, die von 2025 bis 2029 ausgeliefert werden sollen. Dafür hat TKMS dort eine Werft gekauft. Atlas Elektronik gehört seit 2017 vollständig zu TKMS.

Atlas Elektronik (AE) ist weltweit führender Elektronik-Ausstatter für nicht-nukleargetriebene U-Boote. Es stellt dafür Führungs- und Waffeneinsatzsysteme sowie Sonare her und ist Weltmarktführer bei Minenjagdsystemen durch eine ganze „Familie“ von Unterwasserdrohnen. AE liefert ein Integriertes Einsatzführungs-, Einsatzunterstützungs- und Einsatzkontrollsystem, so auch für die F 125. AE zählt 38 Marinen zu seinen Kunden. Im Werksteil Wedel/Holstein (198 Beschäftigte) produziert AE Torpedos aller Art – auch die Schwergewichttorpedos „Seehecht“. Der erste Antitorpedo-Torpedo (SeaSpider) wurde hier entwickelt. AE ist weltweit führend in der Torpedoproduktion. „Über 150 U-Boote in 20 Marinen […] sind mit mehr als 1.700 Torpedos dieses Unternehmens ausgerüstet.“[6] Das AE-Tochterunternehmen Hagenuk in Flintbek bei Kiel (151 Beschäftigte) „ist in Europa der Marktführer für integrierte U-Boot-Kommunikationssysteme und weltweit einer der führenden Hersteller von integrierten Funkmeldeanlagen und HF-Funkgeräten.“[7]

Die im Privatbesitz befindliche Fr.  Lürssen Werft (FLW) in Bremen umfasst Werften an sechs Standorten: die Bremer Werft hat drei Betriebsstellen in Aumund, Berne und Lemwerder, die Lürssen-Kröger-Werft in Schacht-Audorf (ca. 400 Beschäftigte), die Neue Jade Werft in Wilhelmshaven, die Norderwerft in Hamburg, die Wolgaster Peenewerft (300 Beschäftigte) sowie Blohm + Voss in Hamburg. Blohm + Voss in Hamburg wurde 2016/2017 zu großen Teilen in die Lürssen Gruppe integriert – bestimmte Unternehmensteile sind bei TKMS verblieben. Beide Unternehmen treten in Bietergemeinschaften gemeinsam auf. Nach Werksangaben beschäftigt die FLW-Gruppe 2.800 Mitarbeiter*innen[8] und machte 2019 einen Umsatz von 1,088 Mrd. Euro. Ein Großteil des Umsatzes macht FLW mit der Herstellung von Megajachten für die Milliardäre der Welt. Man geht davon aus, dass dieser zivile Bereich etwa die Hälfte der Werften auslastet. Lürssen setzt andererseits die Tradition des Kriegsschiffbaus aus Kaiserzeit und Hitlerfaschismus fort. FLW ist federführend beim Bau der Korvetten K 130: Bei Blohm + Voss werden die Schiffshälften zusammengefügt, zwei Vorschiffe stammen von FLW aus Bremen, fünf Heckteile werden auf der Peenewerft gebaut. Der Wertanteil am Bau der Fregatten F 125 beträgt 20 Prozent. Die F 126, die unter der Federführung der niederländischen Werftengruppe Damen entsteht, sollen künftig bei Blohm + Voss gebaut werden. FLW hat im Juni 2021 als Generalunternehmer den Auftrag für die Herstellung der Flottendienstboote für die deutsche Marine erhalten und hat zusammen mit der Meyer-Werft in Papenburg auch den Auftrag für den Bau von zwei Betriebsstofftankern erhalten.

Die Kieler Werft German Naval Yard (GNYK) ist 2015 aus dem Zusammenschluss des Überwasserkriegsschiffbaus von HDW, der Nobiskrugwerft in Rendsburg (300 Beschäftigte) und der Lindenauwerft in Kiel entstanden. GNYK hat in Kiel ca. 400 Beschäftigte. Besitzer ist die international tätige Werften-Holding PRIVINVEST. GNYK stellt 3 Vorschiffe der Korvetten K 130 her. Derzeit entstehen unter Führung von TKMS bei GNYK vier Korvetten für Israel, die 2021 noch abgeliefert werden sollen.

Die Schiffswerft Abeking & Rasmussen in Lemwerder (Niedersachsen) mit 440 Beschäftigten ist Weltmarktführer im Bereich der Herstellung von Minensuchbooten.

Die Fr. Fassmer GmbH in Berne (Niedersachsen) stellt u.a. Patrouillenboote bis zur Korvettengröße für den Export her und beschäftigt weltweit 1.500 Mitarbeiter*innen.

Der Trend ist klar: Die Zahl der Kriegsschiffe steigt. Sie werden jeweils größer als ihre Vorgänger, ihre Schlagkraft wird gesteigert – und sie werden immer teurer. Die Ziele sind ebenso klar: durchsetzungsfähiger weltweiter Einsatz im mehrdimensionalen Seekrieg – gegen Russland und China. Unklar ist: Wer stoppt diesen verhängnisvollen Trend?

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Anmerkungen


[1]              Rede der Bundesministerin der Verteidigung Annegret Kramp-Karrenbauer anlässlich des Parlamentarischen Frühstücks der Deutschen Maritimen Akademie am 12. März 2020.

[2]              Inspekteur der Marine Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach „100 Tage im Amt – Worauf es mir ankommt“, 25.Juni 2021.

[3]              Europäische Sicherheit & Technik, 10/2019.

[4]              Europäische Sicherheit & Technik, 10/2020.

[5]              Europäische Sicherheit & Technik, 4/2020.

[6]              Arbeitskreis Wehrtechnik Schleswig-Holstein, Bericht des Arbeitskreises 2018, S. 8.

[7]              A.a.O. S.4.

[8]              „Hintergrund: Die großen Werften in Norddeutschland“, Hamburger Abendblatt, 12.3.2021.