IMI-Standpunkt 2021/034
FCAS-Appell an die SPD
Ein „Nein“ zu Kampfdrohnen ist unvereinbar mit einem „Ja“ zum FCAS
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 21. Juni 2021
Am kommenden Mittwoch geht es im Bundestag um die Wurst – bzw. um die Gelder für die nächsten Projektphasen des Luftkampfsystems der Zukunft (FCAS). Dabei handelt es sich um ein Kampfflugzeug mitsamt bewaffneter und unbewaffneter Drohnen, das aktuell als potenziell wichtigstes Rüstungsprojekt Europas gilt. Mit der Auslieferung wird nicht vor 2040 gerechnet, die Schätzungen über die gesamten Entwicklungskosten belaufen sich meist auf 100 Mrd. Euro. Allein der deutsche Anteil für die nun zur Abstimmung stehenden Gelder bis zur Fertigstellung eines für 2027 terminierten Prototyps beträgt ca. 4,5 Mrd. Euro.
An dem deutsch-französischen Projekt (Spanien fungiert als Juniorpartner) gibt es zahlreiche Dinge zu kritisieren (siehe IMI-Studie 2021/04 und IMI-Analyse 2021/27b). Direkt an die Adresse der SPD geht aber vor allem die – nennen wir es einmal – widersprüchliche Haltung gegenüber Kampfdrohnen, die eine Zustimmung zum FCAS offenlegen würde. Auf der einen Seite legte die SPD Ende letzten Jahres die Entscheidung über eine Bewaffnung der Heron-TP-Drohne mit Verweis auf weiteren Diskussionsbedarf auf Eis. Dann folgte allerdings im April 2021 die Zustimmung zur waffenfähigen Eurodrohne, jedoch unter der Bedingung, dass sie von deutscher Seite – zunächst einmal – nicht bewaffnet wird (was aber problemlos später nachgeholt werden kann). Nun muss die SPD aber endgültig Farbe bekennen, da bemannte und unbemannte Kampfdrohnen integrale Bestandteile des FCAS sein sollen – es gibt hier keine Option für ein opt-out, das System gibt es entweder mitsamt Kampfdrohnen oder eben überhaupt nicht, wie eine Reihe Quellen belegen. Hauptmann Andreas Steinmetz, der stellvertretende Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, gibt etwa an: „Drohnen bewaffnet, Drohnen als Aufklärer, Drohnen in unterschiedlichster Form. Dieses ganze System lebt eben davon, dass wir verschiedene Waffenplattformen verbinden. Deshalb sind natürlich auch bewaffnete Drohnen davon betroffen.“[1]
Eine Zustimmung zum FCAS ist unvereinbar mit der SPD-Ablehnung von Kampfdrohnen und dementsprechend sollten die Genossen auch abstimmen. Zumal das FCAS auch einen gefährlichen Schritt in Richtung vollautomatisierter Kriegsführung bedeuten würde. Es wird zwar gerne so getan, als werde ein Mensch immer die letzte Entscheidung innehaben – die anfallenden Datenmengen und das erforderliche Entscheidungstempo werden aber so groß sein, dass de facto die Vorgaben einer Künstlichen Intelligenz allenfalls abgeknickt werden können.[2] Aus diesem Grund warnten auch vier KI-ForscherInnen in einem offenen Brief vor den Konsequenzen einer Zustimmung zum FCAS: „Während KI Algorithmen in einer Vielzahl ziviler Anwendungen Menschen helfen können, ist deren Anwendung in militärischen Bereichen unverantwortlich. Zwar können moderne KI Algorithmen aus Daten ‚lernen‘, aber nicht im menschlichen Sinn. Sie verfügen über keine moralische Vorstellung, keinen eigenen Willen, keine Möglichkeit einer aus Vernunft begründeten Entscheidung. Mit der voranschreitenden Automatisierung der Kriegsführung wird die Möglichkeit zur bewussten Verweigerung und Beendigung der Gewalt durch den Menschen sukzessive reduziert, die Schwelle zum Angriff und einem vorprogrammierten Gegenangriff gesenkt“.[3]
Aus diesen (und vielen anderen Gründen) wäre es fahrlässig, wenn die SPD mithelfen würde, eine solch zentrale Endscheidung im Hauruck-Verfahren durchzuboxen, nachdem sie selbst noch vor wenigen Monaten anmahnte, es gebe hier noch erheblichen Diskussionsbedarf.
Hier abschließend noch der Link zur FCAS-Kampagnenseite: „100 Milliarden Euro für neues Luftkampfsystem „FCAS“? Wir sagen NEIN und werden aktiv!“
[1] Bei den Regierungsberatern der Stiftung Wissenschaft und Politik heißt es ganz ähnlich: „Die begriffliche Komplexität erschwert eine sachorientierte Debatte. Manche Publikation dreht sich um FCAS, meint aber im Kern nur den Kampfflugzeug-Anteil [NGF]. Damit gehen Trennschärfe und Detailtiefe verloren. Reduziert man FCAS auf den Anteil NGF, unterschlägt man die Vielschichtigkeit und Tragweite des Projekts und blendet relevante Teilkomponenten wie etwa die Entwicklung der Remote Carrier aus, im Klartext: die Entwicklung einer Technologie zumindest teilautonomer bewaffneter Drohnen.“
[2] Etwas verklausuliert nachzulesen etwa im Fachblatt „Europäische Sicherheit und Technik (4-2021, S. 38): „Die im gesamten Wirkungsbereich der Cloud anfallenden Datenmengen werden so groß sein, dass das Ziel, die richtige Information zur rechten Zeit an den richtigen Nutzer zu bringen und ein umfassendes, domänen-übergreifendes an die jeweilige Führungsebene angepasstes Lagebild zu generieren, mit herkömmlichen Mitteln nicht erreicht werden kann. Daher ruhen große Hoffnungen auf dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), die unter anderem mit neuartigen für maschinelles Lernen und automatisierte Kooperation optimierten Algorithmen die Identifikation, Verarbeitung, Verteilung und Darstellung der für eine Operation relevanten Daten auf das erforderliche Niveau bringen soll.“
[3] Dr. Jakob Foerster, Maximilian Igl, Luisa Zintgraf, Christian Schroeder de Witt: „Europa als Vorreiter für den Frieden statt Nachzügler im Wettrüsten – “Nein” zu FCAS!“