Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2021/007

Black Box Bounti

Drohne gegen Aussage

Christoph Marischka (17.02.2021)

Die Luftangriffe der französischen Armee nahe dem Ort Bounti vom 3. Januar (s. IMI-Standpunkt 2021/003) bleiben auch nach gut sechs Wochen umstritten. Die französische Armee und mit ihr die Bundesregierung und die malischen Streitkräfte halten weiterhin daran fest, dass „dutzende“ Angehörige einer „bewaffneten terroristischen Gruppe“ getötet wurden und Kollateralschäden ausgeschlossen seien. Begründet wird dies damit, dass die Gruppe von etwa 40 Männern über neunzig Minuten von einer französischen Reaper-Drohne beobachtet worden sei, bevor die Luftschläge erfolgten und dass unter den Getöteten keine Frauen und Kinder wären. Die französische Verteidigungsministerin, Florence Parly, gab sogar an, sie habe sich persönlich davon überzeugt. Wie viele Menschen genau anwesend waren und getötet wurden, wird hingegen nicht bekannt gegeben. Auch die Veröffentlichung der Aufnahmen der Reaper-Drohne lehnt Frankreich natürlich ab. Dass die Anzahl der getöteten „Terroristen“ nicht exakt beziffert wird, hat allerdings wenig Aussagekraft, denn dies ist längst Standard im französischen Antiterror-Krieg. Der drohnengestützte Wüstenkrieg kennt offenbar nur Zehnerschritte. Das wird auch in den offiziellen Berichten über die Operation Éclipse [1] [2] deutlich, in deren Rahmen die Luftschläge bei Bounti erfolgten. Dabei handelt es sich um einen gemeinsamen Einsatz der französischen und malischen Streitkräfte im (weit gefassten) Grenzgebiet zwischen Mali, Niger und Burkina Faso, bei dem demnach am 3. Januar „une quarantaine d’hommes adultes“ (etwa vierzig erwachsene Männer) identifiziert und „une trentaine de GAT“ (etwa 30 Angehörige terroristischer Gruppen) „neutralisiert“ wurden. Am 16. Januar wurden auf der anderen Seite der Grenze zu Burkina Faso „une trentaine de motos“ (etwa dreißig Motorräder) identifiziert, woraufhin „une dizaine de GAT“ (etwa zehn Angehörige terroristischer Gruppen) „neutralisiert“ und „une vingtaine de motos“ (etwa zwanzig Motorräder) zerstört werden konnten…

In Deutschland gab es nur wenig Aufmerksamkeit für die Luftschläge in Bounti. Aktuell sind 1.550 Kräfte der Bundeswehr für zwei Missionen in Mali (EUTM Mali und MINUSMA) mandatiert und ist überdies – ohne Mandat – das Kommando Spezialkräfte (KSK) in der Region aktiv ist. Sowohl beim Aufbau der malischen Armee (EUTM Mali) als auch der „Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali“ (MINUSMA) nutzen die deutschen Streitkräfte dieselbe Infrastruktur wie ihre französischen Kamerad*innen in ihrem „Krieg gegen den Terror“. Beide nutzen dieselbe Kantine im Logistikstützpunkt Niamey (Niger), verlassen sich auf eine gemeinsame notfallmedizinische Betreuung auf ihren benachbarten Stützpunkten in Gao und nutzen den dortigen Flughafen jeweils für ihre Einsätze von Aufklärungsdrohnen. Auch „Informationsaustausch, Koordination mit und gegebenenfalls Unterstützung von malischen und französischen Streit- und Sicherheitskräften“ ist im Mandat der Bundeswehr explizit vorgesehen. Die Bundesregierung hat jedoch „keinen Anlass, an [der französischen] Darstellung zu zweifeln“ (BT-Drucksache 19/26065). Zahlreiche Berichte von Zivilpersonen und NGOs aus Mali sowie von und Journalist*innen böten einen solchen Anlass. Auch Human Rights Watch [3] fordert eine „unparteiliche“ Untersuchung. Von der französischen und malischen Regierung wird ihnen „Propaganda“ im „Sinne der Terroristen“ vorgeworfen. Wir werden wohl denen glauben müssen, die sich persönlich durch geheime Drohnenaufnahmen „versichert“ haben.

In Mali allerdings wächst der Widerstand. Die Zustimmung zur internationalen und v.a. französischen Truppenpräsenz schrumpft weiter. Eine Demonstration in Bamako gegen die französischen Truppen am 20. Januar wurde verboten und in Tränengas erstickt. Anders als in Belarus oder Myanmar gab es keine Protestnoten aus Berlin, Brüssel oder Paris.

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