[0576] Analysen/Studien: Libanon / Elfenbeinküste / Tannheim

von: 6. November 2020

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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0576 .......... 23. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563 Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... https://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List finden sich

1.) die Hinweise auf zwei neue IMI-Texte zum Libanon und zu den anstehenden Wahlen in der Elfenbeinküste;

2.) eine IMI-Analyse zum geplanten Truppenübungsplatz in Tannheim (Schwarzwald).


1.) Analysen: Libanon und Elfenbeinküste

-- Elfenbeinküste
In mehreren afrikanischen Ländern stehen demnächst wichtige Wahlen an 
(siehe auch IMI-Standpunkt 2020/053). Am 31. Oktober 2020 werden die 
nächsten Wahlen in der Elfenbeinküste unter – nicht zuletzt vom Westen 
verursachten – schwierigen Bedingungen stattfinden, wie in der soeben 
erschienene IMI-Analyse beschrieben wird:

IMI-Analyse 2020/42
Wahlen in der Elfenbeinküste
Flecken auf dem Hemd des Saubermanns des Westens
https://www.imi-online.de/2020/10/26/wahlen-in-der-elfenbeinkueste/
Pablo Flock (26. Oktober 2020)


-- Libanon
Die Explosion im Hafen Beiruts im August 2020 war Anlass für eine neue 
Offensive zur Durchsetzung westlicher Interessen. Die Wiedereinsetzung 
Saad Hariris vor wenigen Tagen, der durch Massenproteste aus dem Amt 
gejagt worden war, markiert hier einen traurigen vorläufigen Höhepunkt. 
Siehe für eine ausführliche Analyse der Situation die aktuelle IMI-Studie:

IMI-Studie 2020/06
Aufrüstung gegen die libanesische Revolution
Imperialismus im Gewand „humanitärer Hilfe“
https://www.imi-online.de/2020/10/26/aufruestung-gegen-die-libanesische-revolution/ 

Nabil Sourani (26. Oktober 2020)

Inhaltsverzeichnis
Alle heiß alle
Das Massaker am Hafen von Beirut
Systemneustart: Paris des Nahen Ostens
Durch Militarisierung Fakten schaffen
-- Deutsche Ertüchtigung des Sicherheitssektors
-- Militarisierung durch Frankreich
-- Der ‘leichte Fußabdruck’ der Vereinigten Staaten
Katastrophenopportunismus - ‘Helden’ einer Tragödie
Fazit
Anmerkungen

Die gesamte Studie hier: 
https://www.imi-online.de/download/IMI-Studie2020-6-Libanon.pdf



2.) Analyse: Truppenübungsplatz Tannheim

IMI-Analyse 2020/41
Neues Militärgelände bei Tannheim
Bevölkerung dagegen
https://www.imi-online.de/2020/10/23/neues-militaergelaende-bei-tannheim/
Alexander Kleiß (23. Oktober 2020)

Das Verteidigungsministerium (BMVg) plant einen neuen 
Standortübungsplatz bei Tannheim in der Nähe von Donaueschingen. Auf 
diesem sollen künftig das Jägerbataillon 292 und die 3. Kompanie des 
Deutsch-Französischen Versorgungsbataillons trainieren. Bisher übten 
beide Einheiten auf dem Standortübungsplatz Donaueschingen, wo sie auch 
stationiert sind. Doch nun reicht dieses Militärgelände nach Angaben des 
BMVg angeblich plötzlich nicht mehr für die „speziellen 
Ausbildungsbelange“ der Einheiten aus. Deshalb sollen bei Tannheim die 
300 ha große, in Privatbesitz befindliche Fläche „Ochsenberg“ und die 
100 ha große Fläche „Weißwald“, die sich in Besitz des Landes 
Baden-Württemberg befindet, zu einem Standortübungsplatz gemacht werden 
bzw. dem bestehenden Standortübungsplatz zugeschlagen werden. Insgesamt 
soll das Militärgelände eine Größe von 512 ha umfassen. Dort sollen dann 
„Übungsanlagen für die personen- und radfahrzeuggebundene Ausbildung 
sowie von Schießanlagen mit Manöver- und Übungsmunition“ entstehen.[1] 
Im Einzelnen sind dafür Schießanlagen für Panzerfäuste und 
Granatpistolen sowie Anlagen für Waldkampfübungen vorgesehen.[2]

Nachsorgeklinik bedroht

Ein großes Problem ist dabei neben grundsätzlichen Bedenken, dass sich 
in unmittelbarer Nachbarschaft des geplanten Militärareals eine 
Nachsorgeklinik für chronisch kranke Kinder und deren Familien befindet. 
Roland Wehrle, der Geschäftsführer der Nachsorgeklinik, bezeichnet die 
Pläne der Bundeswehr als „schieren Wahnsinn“. Die Ruhe, für die Kinder 
und Eltern aus ganz Deutschland nach Tannheim kommen, würde durch einen 
Standortübungsplatz zerstört: „Das wäre nicht nur ein Qualitätsverlust, 
sondern auch ein Schlag ins Gesicht aller Unterstützer, die bislang rund 
50 Millionen Euro in die Klinik investiert haben“, kritisiert Wehrle.[3] 
Tatsächlich wäre es mehr als fraglich, ob die Nachsorgeklinik weiter 
bestehen kann, falls die Bundeswehr nicht von ihrem Vorhaben abrückt.

Hinzu kommt, dass sich das Gelände des geplanten Standortübungsplatzes 
mitten im Naturschutzgroßprojekt „Baar“ befinden würde, das der 
Bevölkerung bisher gleichzeitig auch als Naherholungsgebiet dient. Der 
BUND stellt sich gegen die Pläne der Bundeswehr. Das gesamte Gebiet ist 
ein EU-Vogelschutzgebiet. Außerdem sei ein Großteil des Geländes 
Wasserschutzgebiet. Der „Weißwald“ ist zudem ein Fördergebiet, in dem 
Entwicklungs- und Pflegemaßnahmen zur Stärkung der Resilienz der Arten 
gegen den Klimawandel durchgeführt werden. Diese Ziele könnten im Falle 
einer Realisierung des Militärgeländes nicht erreicht werden, so der 
BUND.[4]

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass ein Großteil der 
Menschen vor Ort gegen das geplante Militärgelände ist. Es wurde sogar 
eine Petition erstellt, die bereits mehr als 31.000 Personen 
unterschrieben haben (Petition hier[5]). Auch die umliegenden Gemeinden 
Tannheim, Brigachtal und Wolterdingen sprachen sich mehrheitlich dagegen 
aus.[6] In Tannheim wurden sogar große Protestplakate gegen den 
Standortübungsplatz aufgehängt.[7]

Kann das Projekt noch verhindert werden?

Im Rahmen einer am 6. Mai 2020 angelaufenen Machbarkeitsstudie des BMVg 
werden nun u.a. ein Lärmschutzgutachten, eine 
Umweltverträglichkeitsprüfung, ein Genehmigungsverfahren nach dem 
Bundes-Immissionsschutzgesetz und eine artenschutzrechtliche Prüfung 
durchgeführt. Mit der Durchführung der Machbarkeitsstudie wurde das 
Staatliche Hochbauamt Freiburg beauftragt. Die Gutachten sollen Mitte 
2022 vorliegen.[8] Erfahrungsgemäß sollte diesen Prüfungen jedoch nicht 
allzu viel Hoffnung auf ein Ende des Projekts geschenkt werden, da 
ähnliche Militärprojekte häufig trotz erheblicher Natur- und 
Lärmschutzbedenken durchgesetzt wurden – ein Beispiel hierfür ist das 
Gefechtsübungszentrum in der Colbitz-Letzlinger Heide. Vielmehr ist es 
wichtig, nicht nur juristisch alle Wege auszuschöpfen, sondern auch 
breiten politischen Druck aufzubauen.

Leider sind quasi keine direktdemokratischen Möglichkeiten vorgesehen, 
mit denen sich das Militärgelände verhindern lassen könnte. Ein 
Bürgerentscheid auf lokaler Ebene wäre für die Bundeswehr nicht bindend, 
da auf dieser Ebene nur über die Positionierung der Gemeinden gegenüber 
der Bundeswehr entschieden werden könnte. Die betroffenen Kommunen haben 
ein förmliches Anhörungsrecht, verfügen jedoch über keinerlei 
Entscheidungskompetenzen. Die letztendliche Entscheidung wird im BMVg 
(also auf Bundesebene) getroffen, wo Volksentscheide nicht möglich sind.

Das BMVg ist aber verpflichtet, darzulegen, dass der Bedarf für das 
Militärgelände wirklich vorhanden ist und andere Orte nicht infrage 
kommen, um diesen Bedarf zu decken. Dies könnte ein Hebel sein, das 
Militärgelände auf juristischem Wege zumindest deutlich zu verzögern 
bzw. in direkter Nachbarschaft der Nachsorgeklinik tatsächlich zu 
verhindern. Hier scheint das Militär zumindest Probleme zu haben, zu 
rechtfertigen, weshalb es unbedingt nötig sei, diesen neuen 
Standortübungsplatz gerade genau dort einzurichten und weshalb die 
Militärmanöver nicht in bereits bestehenden militärischen Sperrbereichen 
durchgeführt werden können. So befindet sich z.B. in 78 km Entfernung 
der große Truppenübungsplatz Heuberg bei Stetten a.k.M., auf dem die 
zwei Einheiten aus Donaueschingen ebenfalls trainieren könnten. Dem BMVg 
zufolge[9] seien die damit verbundenen zwei Stunden Fahrzeit wegen der 
„damit einhergehenden Umweltbelastung und verlorenen Ausbildungszeit“ 
und dem „damit verbundenen organisatorischen Aufwand“ nicht zumutbar. 
Deshalb sei diese Lösung verworfen worden. Das Argument der 
Umweltbelastung kann in diesem Zusammenhang getrost als vorgeschoben 
bezeichnet werden – immerhin stößt die Bundeswehr bei zahlreichen 
anderen Manövern ein Vielfaches der hier anfallenden Emissionen aus und 
nimmt auch deutlich längere Anfahrtswege in Kauf. Allgemein scheint eine 
Auseinandersetzung seitens des Militärs mit der eigenen Rolle in 
Klimafragen nicht gewollt.[10]

Gegenkonversion

Die bei Tannheim konkret anvisierte Inbesitznahme ziviler Flächen durch 
das Militär ist Teil einer allgemeinen Trendwende, die sich mit dem 
Begriff „Gegenkonversion“ beschreiben lässt (vgl. dazu: IMI-Studie 
03/2018). Während nach dem Kalten Krieg einige militärische Sperrgebiete 
wieder eine zivile Nutzung (Konversion) erfuhren, lässt sich etwa seit 
2014/15 feststellen, dass aufgegebene Flächen wieder vom Militär in 
Betrieb genommen, Konversionsprozesse abgebrochen und zivile Flächen vom 
Militär besetzt werden. Dies ist mit Blick auf die vergangenen 
Jahrzehnte eine neue Entwicklung, die als Teil der aktuellen 
Aufrüstungspolitik zu begreifen ist.

Gegenkonversion in Form einer Reaktivierung ehemaliger militärischer 
Einrichtungen passiert in den letzten Jahren flächendeckend in ganz 
Deutschland: So wurde beispielsweise die ursprünglich aufgegebene 
Carl-Schurz-Kaserne in Hardheim (Baden-Württemberg) wieder von der 
Bundeswehr erworben. Dort sind nun eine Stabs- und 
Führungsunterstützungskompanie des Kommando Spezialkräfte (KSK) sowie 
ein Panzerbataillon untergebracht.[11] Anfang 2019 wurde dann bekannt 
gegeben, dass acht Material- und Munitionslager in fünf Bundesländern 
reaktiviert werden sollen.[12] Im August 2019 ließ das BMVg verlauten, 
man werde elf weitere ursprünglich aufgegebene Kasernen und Flugplätze 
weiter nutzen.[13] Zudem sollen ehemalige Bundeswehr-Liegenschaften in 
Bitburg und Pirmasens nun künftig von der US-Armee genutzt werden, 
anstatt diese – wie ursprünglich geplant – einer zivilen Nutzung 
zuzuführen.[14]

Im Vergleich zur Reaktivierung ehemaliger Militärgelände stellt die 
Inbesitznahme neuer Flächen durch das Militär jedoch eine noch krassere 
Form der Gegenkonversion dar, die für die betroffenen Gemeinden mit noch 
heftigeren Einschnitten einhergehen. Die Schaffung neuer militärischer 
Flächen war bislang seit dem Kalten Krieg einmalig. Der einzige Fall ist 
Haiterbach,[15] wo ein Absprunggelände für das KSK entstehen soll – 
ebenfalls gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung. Mit Tannheim 
kommt nun – nicht weit entfernt – ein zweiter Fall hinzu. Diesem Trend 
zur Schaffung neuer Militärareale gilt es entschieden entgegenzutreten.

Die ursprünglich einmal als Friedenspartei angetretenen „Grünen“ spielen 
bei der Gegenkonversion in Baden-Württemberg eine unrühmliche Rolle. 
Nach Haiterbach ist das Gelände bei Tannheim bereits die zweite 
ursprünglich zivile Fläche, die unter dem grünen Ministerpräsidenten 
Kretschmann zum Militärgelände werden soll. Die Landesregierung 
unterstützt die Bundeswehr in beiden Fällen bei der Suche nach einem 
neuen Militärgelände[16] – auch indem sie versucht, den Protest in den 
betroffenen Gemeinden durch vermeintliche Beteiligung zu ersticken. Bei 
der sogenannten „Bürgerbeteiligung“ der Landesregierung handelt es sich 
jedoch bestenfalls um Informationsveranstaltungen. Eine Beteiligung der 
Bürger*innen an der Frage, ob und wenn ja wo das jeweilige 
Militärgelände realisiert werden soll, ist ausdrücklich nicht 
vorgesehen. In Haiterbach, wo der Prozess bereits seit Anfang 2017 
läuft, lässt sich dies sehr eindrücklich beobachten.[17]

Anmerkungen

[1]     Antwort der Bundesregierung auf die Schriftlichen Fragen 9/474 
und 9/475 des Abgeordneten Tobias Pflüger vom 29.9. 2020.

[2]     Schwarzwälder Bote: Keine Handhabe gegen Bundeswehr-Übungsplatz. 
29.7. 2020.

[3]     Schwarzwälder Bote: "Truppenübungsplatz ist der schiere 
Wahnsinn". 24.7. 2020.

[4]     Hieronymus Online: BUND Stellungnahme zum geplanten 
Standortübungsplatz im Weißwald. 14.10. 2020.

[5]      Zu finden unter https://www.openpetition.de (Kein Übungsplatz 
der Bundeswehr in der Nähe der Nachsorgeklinik Tannheim!)

[6]     Schwarzwälder Bote: Auch Wolterdingen gegen Truppenübungsplatz. 
18.10. 2020.

[7]     Südkurier: Bund legt umfangreiche Stellungnahme zum 
Truppenübungsplatz vor und lehnt Standort im Weißwald ab. 2.10. 2020.

[8]     Antwort der Bundesregierung auf die Schriftlichen Fragen 9/474 
und 9/475 des Abgeordneten Tobias Pflüger vom 29.9. 2020.

[9]     Antwort der Bundesregierung auf die Schriftlichen Fragen 9/474 
und 9/475 des Abgeordneten Tobias Pflüger vom 29.9. 2020.

[10]   Vgl. IMI-Analyse 2020/34. Jacqueline Andres: Krieg und Klima.

[11]   Mannheimer Morgen: Bundeswehr beginnt mit dem Aufbau. 30.9. 2017; 
Augen geradeaus: Bundeswehr stellt weiteres Panzerbataillon auf. 6.12. 2018.

[12]   Pressemitteilung BMVg: Eine wachsende Bundeswehr braucht Platz. 
Rund 600 Dienstposten und geschätzte 200 Millionen Euro Investitionen 
für acht zusätzliche Munitions- und Materiallager. 15.1. 2019.

[13]   Pressemitteilung BMVg: Wichtige Bundeswehrliegenschaften können 
erhalten bleiben. Die Bundeswehr wächst wieder und braucht Platz. Eine 
Reihe von Liegenschaften werden entgegen ursprünglicher Planungen nicht 
geschlossen. 1.8. 2019.

[14]   Pfälzischer Merkur: US-Militär durchkreuzt Pirmasenser Pläne mit 
alten Panzerhallen. 23.8. 2020; Triescher Volksfreund: Verschlusssache 
Flugplatz: Was planen die Amerikaner in Bitburg? 8.1. 2020.

[15]   IMI-Analyse 2017/38b. Alexander Kleiß: Scheinbeteiligung oder 
„Politik des Gehörtwerdens“? Das Kommando Spezialkräfte und die Suche 
nach einem neuen Absprunggelände.

[16]   Ebd.; Land Baden-Württemberg: Land unterstützt Bundeswehr bei 
Suche nach Absprunggelände. 11.3.2017.

[17]   IMI-Analyse 2017/38b. Alexander Kleiß: Scheinbeteiligung oder 
„Politik des Gehörtwerdens“? Das Kommando Spezialkräfte und die Suche 
nach einem neuen Absprunggelände.
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