Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2020/035

Zbellion

Kriegssimulation des Pentagon übt militärisches Eingreifen gegen eine innerstaatliche Bewegung junger Menschen in den USA

Emma Fahr (09.07.2020)

Der Online-Nachrichtenseite The Intercept gelang es kürzlich, Dokumente über eine Kriegssimulation des Pentagon mit dem Namen „2018 Joint Land, Air and Sea Strategic Special Program“ (JLASS) zu erhalten. Diese enthält unter anderem ein Szenario, in welchem sich eine Bewegung junger Menschen der sogenannten Generation Z (nach 1996 Geborene) über die USA und schließlich wie ein Lauffeuer global ausbreitet. „Zbellion“, wie die fiktive Bewegung vom US-Militär genannt wurde, besteht aus jungen Menschen, die mit der Angst des 11. Septembers 2001 und der großen Rezession aufgewachsen sind und heute selbst kaum besser dastehen als ihre Eltern, von überhöhten Studienschulden erschlagen werden und keine ernstzunehmenden Perspektiven sehen. Desillusioniert und getrieben von Unsicherheit, starten die technisch versierten digital-natives der „Gen Z“ in besagtem Szenario eine Art Cyber-Robin-Hood-Bewegung im Darknet, um das Geld großer Unternehmen und Finanzinstitute – kurz: des Establishments – nach ihren Maßstäben von Gerechtigkeit umzuverteilen. Eine Generation erhebt sich also, um die Missstände ihrer Gesellschaft anzuprangern und nimmt deren Beseitigung selbst in die Hand.

Besonders brisant wird dieses Szenario, welches eine „plausible Darstellung großer Trends und Einflüsse“ zum Zweck der Ausbildung zukünftiger Generäle an den Militäruniversitäten sein soll, im Kontext der aktuellen Proteste vorrangig junger Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA. Immerhin ist die Militärpräsenz auf den US-amerikanischen Straßen zur Zeit ein immer weiter verbreitetes Phänomen, Protestierende wurden von Soldaten mit Tränengas vertrieben, der Verteidigungsminister spricht vom „schnellen Dominieren des Schlachtfeldes“ und Präsident Trump lässt verlauten, er habe „die Verantwortung“ nun in die Hände eines Generals gelegt, weil ihm der Umgang vieler Gouverneure mit den Protestierenden zu „schwach“ sei.

Zbellion – Übersetzung des Originalszenarios

„In der Mitte der 2020er kam die Altersgruppe der Generation Z (Gen Z) in ihre Dreißiger. Wie schon die Millennials vor ihnen, wurde die Gen Z charakterisiert durch ihren souveränen Umgang – wenn nicht ihre Abhängigkeit – von Technologie, in jedem Lebensbereich. Laut Sozialwissenschaftler*innen wuchs die Gen Z mit Handys und Internetzugang seit ihrer frühesten Kindheit auf und interagierte die längste Zeit ihrer Sozialisierung auf Social Media. Foto- und videolastige Medien sind unter ihnen deutlich beliebter als schriftliche Erzählungen und viele Gen Zs definieren sich selbst über ihre Social Media Communities.

Sowohl die Terroranschläge des 11. September als auch die große Rezession prägten die Einstellungen dieser Generation in den USA, was ein Gefühl der Unruhe und Unsicherheit erzeugte. Obwohl auch die Millennials diese Ereignisse während ihres Erwachsenwerdens erlebten, waren sie für die Gen Z Teil ihrer Kindheit und prägten dadurch ihren Realismus und ihre Weltsicht. Obwohl viele von ihnen versuchten, nicht in dieselben finanziellen Schwierigkeiten wie ihre Eltern zu geraten, fanden sie sich häufig mit übermäßigen Studienschulden auf einem Arbeitsmarkt wieder, der weit hinter ihren Erwartungen zurückblieb. Diese Generation strebt nach Unabhängigkeit und Chancen – glaubt jedoch am wenigstens an etwas wie den ‚American Dream‘, sondern daran, dass das System auf ihre Kosten manipuliert sei. Immer wieder sehen sie sich als Treiber sozialer Veränderung und sehnen sich nach Erfüllung und Begeisterung im Beruf, um die ‘Welt weiter zu bringen’. Trotz ihres professionellen Umgangs mit Technologie bevorzugt die Gen Z tatsächlich den persönlichen Kontakt statt Online-Begegnungen. Sie beschreiben sich selbst als engagiert in ihren virtuellen und realen Communities und lehnen übermäßigen Konsum ab.

Anfang 2025 fasste eine Gruppe, die sich selbst Zbellion nennt, im Darknet Fuß. Zbellion speist sich aus den Ängsten und Unsicherheiten der Generation Z und forderte eine Globale Cyber-Kampagne mit dem Ziel, Ungerechtigkeiten und Korruption aufzudecken und stattdessen Dinge zu unterstützen, die sie als vorteilhafter erachtet. Allem Anschein nach formierte sich Zbellion ursprünglich in kleinen Gruppen in Parks und Cafés, auf Demos und Protesten und bekam schnell Zuwachs durch ihre Agenda gegen Unternehmen, Finanzinstitute und politische wie Non-Profit Organisation, welche das ‚Establishment‘ stützen. Sie scheinen ihre Mitstreiter*innen in Großstädten persönlich zu rekrutieren, indem sie die Zugangsdaten der Zbellion-Websites verteilen. Diese Seiten bieten den Aktivist*innen Ziel-Listen (welche alle benötigten Daten für Identitäts- und Kreditkartendiebstahl beinhalten), Payloads und Exploits (Schadsoftware). Außerdem nutzt Zbellion Software, um sämtliche erbeuteten Erträge durch Geldwäsche-Programme zu schleusen, welche umgehend jede nationale Währung in Bitcoins konvertiert und ‚kleine, unauffällige Spenden‘ an ‚Menschen, die es verdienen‘ zu tätigen, und für den Fall, dass Mitglieder finanzielle Not bekunden, auch an jene Zbellion-Aktivist*innen, welche den Cyber-Angriff durchführen. Die Führungsriege der Zbellion versichert ihren Mitgliedern, die Angriffe seien ultimativ gerechtfertigt und nicht zurückzuverfolgen und dass sowohl die Ziele als auch die Begünstigten auf Basis sicherer Abstimmungen der Delegierten des Netzwerkes ausgewählt werden.

Zbellion stellt seinen Mitgliedern raffinierte Versionen modernster Schadsoftware zur Verfügung, was es den Cyber-Sicherheitsprogrammen erschwert, mit der Bedrohung schrittzuhalten. Analysen der Computer-Netzwerk-Verteidigung (CND) deuten darauf hin, dass Zbellion in Seatle entstand und sich von dort aus rasend schnell über New York, Washington DC, Los Angeles, Las Vegas und Austin ausbreitete. Bis heute wurden Aktivitäten Zbellions registriert in: Vancouver, Toronto, den meisten großen europäischen Städten, Sankt Petersburg, Istanbul, Amman, Dubai, Kairo, Tunis, Rabat, Lagos, Nairobi, Johannesburg, Neu-Delhi, Lahore, Tokio, Osaka, Manila, Jakarta, Hanoi, Shanghai, Peking, Taipeh, Seoul, Rio de Janeiro, Bogota, Panama Stadt, Havanna und Mexiko Stadt.“

Aus: Nick Turse (05.06.2020): Pentagon War Game Includes Scenario for Military Response to Domestic Gen Z Rebellion. In: The Intercept. URL: https://theintercept.com/2020/06/05/pentagon-war-game-gen-z/

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