Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Analyse 2020/09 - in: AUSDRUCK (März 2020)

5G-Offensive

Zwischen Gefechtsfeld und Geopolitik

Jürgen Wagner (16.03.2020)

Dieser Artikel erschien in der März-Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK (hier zur PDF-Version des Artikels).

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Egal durch welches Statement der Bundeswehr oder Bundesregierung man sich aktuell pflügt, überall begegnen einem in diversen Variationen Sätze wie der Folgende: „Die Digitalisierung ist das Megathema des 21. Jahrhunderts“.[1] Verpasst man umgekehrt den Digitalisierungszug, so die einhellige Meinung, droht man in Zeiten sich verschärfender Großmachtkonflikte sowohl auf dem Schlachtfeld als auch generell auf dem Feld der neuen Tech-Geopolitik zurückzufallen.

Auf der taktischen Ebene sind es vor allem die Landstreitkräfte mit ihrem „Plan Heer“, die sich der (5G-)Digitalisierung verschrieben haben, da sie als zwingend notwendig gilt, um aus künftigen Schlachten siegreich hervorgehen zu können. In seiner ihm eigenen Art fasste das Verteidigungsministerium den dahinter stehenden Gedankengang folgendermaßen zusammen: „Wer nicht digitalisiert, verliert.“[2]

Auf strategischer Ebene ist es vor allem die Frage der Beteiligung des chinesischen Huawei-Konzerns am Aufbau des europäischen 5G-Netzes, die die Gemüter erhitzt. Die Europäische Union hat – mutmaßlich auf Drängen oder zumindest mit Zustimmung der Bundesregierung – dabei Ende Januar 2020 eine grundlegende Positionsbestimmung vorgenommen, die Huawei sehr zum Ärger der USA nicht grundsätzlich ausschließt. Bei näherer Betrachtung sollen hiermit aber wohl vor allem die beiden großen 5G-EU-Akteure Ericson und Nokia gestärkt werden.

Aufgrund seiner militärisch-machtpolitischen Bedeutung ist 5G somit zu einer Frage der „Digitalen Geopolitik“ geworden, für die sich Bundeswehr und Bundesregierung aktuell in Stellung bringen.

1. Munster, Großverbände und (5G-)Digitalisierung

Besonders die Landstreitkräfte (LaSK) der Bundeswehr sehen sich als eine Art Digitalisierungsavantgarde: Wesentlich sind in diesem Zusammenhang drei im Verlauf des Jahres 2017 vom Heereskommando herausgegebene Thesenpapiere. Sie propagieren die Volldigitalisierung des Heeres als das entscheidende Mittel, um künftige Siege auf einem „Gläsernen Gefechtsfeld“ über einen nahezu gleichstarken Gegner erringen zu können.

Auf diesen Thesenpapieren baut der „Plan Heer“ aus dem Jahr 2018 auf, der auf zwei Pfeilern beruht: der Aufstellung von Großverbänden und der Digitalisierung des Heeres. Bis spätestens 2023 soll eine erste volldigitalisierte Brigade (5.000 Soldaten) bereitstehen, 2027 eine erste Division (15.000 bis 20.000) Soldaten und 2032, das Ende des im Plan Heer abgesteckten Zeithorizonts, sollen es zwei der bis dahin vorgesehenen drei Divisionen sein (siehe hierzu ausführlich den Beitrag von Martin Kirsch).

Um die ehrgeizigen Digitalisierungspläne voranzutreiben, wurden bereits 2018 die „Test und Versuchskräfte 4.0“ im niedersächsischen Munster aufgestellt. Da nur die neue Netzgeneration die für nötig erachteten Bandbreiten und Geschwindigkeiten auf einem vernetzten Gefechtsfeld bereitstellen kann, ist es nicht verwunderlich, dass in Munster augenscheinlich auch an der Einführung von 5G-Technologie gefeilt wird.

Dies geht zum Beispiel aus einem Bericht über einen Vortrag von Generalmajor Reinhard Wolski, Chef des Amtes für Heeresentwicklung, hervor: „Digitalisierung von ‚Sensor to shooter‘ sei angesichts der hohen Dynamik im künftigen Gefecht ein absolutes Muss. Ziel sei die Beschleunigung des Führungsprozesses durch eine Helicopter Combat Cloud, in der alle Sensoren und Effektoren verbunden sind. Und so präsentierte Wolski die erste Bundeswehr-5G-Antenne und eine 5G-Basistation. Diese würden demnächst in Test- und Versuchsverband in Munster erprobt. Aber nicht in einem Hubschrauber. ‚Da wir beim Deutschen Heer sind, natürlich zuerst in 70 Tonnen Stahl!‘“[3]

Da passt es ins Bild, dass besagte Thesenpapiere, auf denen der Plan Heer aufbaut, unter der Ägide von General Frank Leidenberger angefertigt wurden, der seit September 2018 als „Chief Strategy Officer“ (CSO) für den IT-Dienstleister der Bundeswehr, die BWI GmbH, die Früchte seiner Arbeit erntet. Die Aufgabe der BWI ist es nach eigenen Angaben, die „Digitalisierung der Bundeswehr voranzutreiben“, für die sie 5G als einen „Schlüssel“ und den „Treiber für militärisch-taktische Innovation“ bezeichnet.[4]

2. 5G und die BWI Gmbh

Um das Lobbying für die Einführung von 5G-Technologie in der Bundeswehr macht sich derzeit insbesondere die besagte BWI Gmbh „verdient“. Mit Frank Leidenberger als dem Verantwortlichen für die Thesenpapiere des Heeres hat das Unternehmen dafür den richtigen Mann angeheuert. Daher ist es wenig überraschend, dass die BWI der Bundeswehr die Einführung von 5G massiv nahelegt. In einem Eigenbericht über Leidenbergers Auftritt bei der Berlin Security Conference 2019 schreibt das Unternehmen auf seiner Homepage: „Die neue Mobilfunktechnologie wird künftig auch für die Bundeswehr eine wesentliche Rolle spielen. Dennoch – im Einsatz muss sie ‚irrelevant‘ sein können, so Frank Leidenberger, CSO der BWI. Bei der Berlin Security Conference 2019 diskutierte er Einsatzfähigkeit und Problematik von 5G bei der Durchführung mobiler militärischer Operationen. […] Für künftige Operationen werde sie viele Vorteile bringen, weil 5G mehr Bandbreite für Sprach- und Datenkommunikation biete – eine wesentliche Grundlage für die Nutzung von künstlicher Intelligenz, die beispielsweise auf hochauflösende Bilder angewiesen ist. Insbesondere für die Übertragung großer Sensordatenmengen aus unterschiedlichen Waffensystemen ist 5G sinnvoll, so die Panelisten. […] Doch Leidenberger schränkte ein: Im Einsatz müsse man immer davon ausgehen, dass die Technologie angegriffen werde. Zur Verteidigung gehöre künftig das komplette elektromagnetische Spektrum. Für die Umsetzung bedeute das konkret: Kampf und Führung muss für Soldaten im Zweifel ohne eine 5G-Verbindung möglich sein.“[5]

In einem weiteren BWI-Eigenbericht wird unter anderem Leidenbergers Kollege, der Leiter der BWI-Abteilung „Communication & Mobility Services“, Matthias Lenz, unter dem Titel „5G bei der Bundeswehr: Daran arbeitet die BWI“ zitiert: „Bei einem militärischen Einsatz werden heute zig Gigabyte an Aufklärungsdaten erfasst – von Satelliten, Drohnen oder der klassischen Luftüberwachung. Diese Informationen müssen sofort bereitstehen. Die Operationszentrale braucht sie natürlich, um schnell taktische Entscheidungen treffen zu können.“[6]

Wie die BWI weiter betont, wird 5G auch beim zentralen Programm „Digitalisierung Landbasierter Operationen“ (siehe den Beitrag von Martin Kirsch) und damit auch bei der Umsetzung des Plan Heer eine wesentliche Rolle spielen: „Die Bundeswehr und BWI haben es sich zum Ziel gesetzt, ganze Verbände zu digitalisieren. […] Im Programm ‚Digitalisierung landbasierter Operationen (D-LBO)‘ spielt 5G eine sehr wichtige Rolle. Ziel des Bundesverteidigungsministeriums ist es, die IT-basierte Kommunikation von der untersten taktischen bis zur obersten strategischen Ebene sicherzustellen.“[7] 

Augenscheinlich ist das Unternehmen sicher, dass seine „Argumente“ bei der Bundeswehr verfangen, denn es ist auf Personalsuche für die 5G-Einführung bei der Bundeswehr. Hierfür platzierte die BWI zum Beispiel einen ihrer wesentlichen Beiträge zum Thema 5G und Bundeswehr nicht nur auf ihrer Homepage, sondern unter anderem mit dem Titel „5G als Treiber für militärisch-taktische Innovation“ auch als Anzeige auf der bei IT-affinen Menschen sehr populären Seite golem.de – ergänzt am Ende allerdings um ein Stellengesuch: „Für den Einsatz moderner Technologien wie beispielsweise 5G und für viele weitere IT-Projekte sucht die BWI stets Fachpersonal. Ob Quer- oder Berufseinstieg, Karriereleiter oder Neubeginn – die BWI GmbH bietet Interessierten vielfältige Berufsperspektiven und Entwicklungsspielräume. Wer die Digitalisierung in Deutschland aktiv mitgestalten möchte, ist bei dem Top-10-IT-Unternehmen mit über 40 deutschlandweiten Standorten herzlich willkommen.“[8]

Die Lobbyarbeit scheint schon seit einiger Zeit Früchte zu tragen, da aus einem weiteren BWI-Beitrag hervorgeht, dass das Unternehmen bereits konkret an der Einführung von 5G für die Bundeswehr arbeitet: „‘Unsere Aufgabe ist es, die Digitalisierung der Bundeswehr voranzutreiben. 5G ist da nur ein Baustein, der mit vielen anderen harmonisch zusammenspielen muss. Wir müssen das Gesamtsystem befähigen‘, sagt [Matthias] Lenz. Um Erfahrungen zu sammeln, werden derzeit an vereinzelten Standorten der Bundeswehr und der BWI prototypische lokale 5G-Funkzellen mit Verbindung ins öffentliche 4G- oder 3G-Netz installiert.“[9]

Kasten: Capgeminis digitale Visionen [nur im PDF]

3. Die EU und die Causa Huawei

Die militärische Relevanz der 5G-Technologie steht außer Frage – sie erklärt aber wohl nicht allein die Vehemenz, mit der die USA hier versuchen, die „Verbündeten“ in der Huawei-Frage auf ihre Linie zu bekommen. Dabei wurde mit einer Mischung aus markigen Worten und handfesten Drohungen hantiert, um den Ausschluss des Konzerns vom Aufbau des europäischen 5G-Netzes zu erreichen. So gab der damalige US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, Anfang 2020 an, Washington schäzte das Spionagerisiko so hoch ein, „dass wir gezwungen sein werden zu prüfen, wie viel Informationen wir mit unseren Verbündeten noch teilen können, wenn sie dieses Risiko ignorieren.“[12]

Bereits am 11. November 2019 fand allerdings eine Expertenanhörung des Auswärtigen Ausschusses zur Causa Huawei statt, bei der u.a. Martin Schallbruch (European School of Management and Technology Berlin) die Vorteile einer breiten Anbieterbasis einschließlich des chinesischen Konzerns betonte. Beim selben Anlass und in dieselbe Richtung äußerte sich auch Professor Harald Görl von der Universität der Bundeswehr in München in einer der extrem seltenen Stellungnahmen aus dem Militär zum Thema. Auch er sah von Huawei keine Gefahr ausgehen – sogar eher das Gegenteil: „Wenn der Ausschluss der chinesischen Netzausrüster dazu führt, dass im deutschen 5G-Netz nur zwei oder ein Ausrüster übrig bleiben, sei dies ‚die schlimmste Gefahr, die technisch entstehen kann. Das können wir nicht sichern, das fliegt uns um die Ohren‘.“[13] Nachdem auch die Bundesnetzagentur wie auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zu Protokoll gaben, sie sähen keine Anzeichen für eine Bedrohung durch Huawei[14], wird reichlich darüber spekuliert, welche Gründe die USA tatsächlich bei ihrer Kampagne gegen den Konzern umtreiben.

Relativ häufig werden dabei ökonomische Motive genannt, also dass den in 5G-Fragen hinterhechelnden US-Konzernen Zeit zum Aufholen verschafft werden soll. Es dürfte Washington aber darüber hinaus auch ganz grundsätzlich darum gehen, „digitale Einflusssphären“ abzustecken, wie die regierungsberatende Stiftung Wissenschaft und Politik vermutet: „Vieles [deutet] darauf hin, dass die »Five Eyes« und insbesondere die USA unter Trump dieser Auseinandersetzung auch eine grundsätzlichere geopoli­ti­sche Bedeutung beimessen. Washington geht es nicht nur um den Schutz der eige­nen Netze, sondern auch darum, chinesischen Unternehmen den Zugang zu den Netzen anderer Staaten zu verwehren. Auf der Ebene der technischen Infra­struktur soll so das Eindringen Chinas in jenen Be­reich verhindert werden, der von den »Five Eyes« als eigene digitale Einflusssphäre be­ansprucht wird. […] Im Fall der 5G-Technologie ist China mit Huawei und ZTE derzeit besonders gut auf­gestellt, während gerade US-amerikanische Unternehmen hier noch Aufholbedarf haben. Ein Ausschluss von Huawei von west­lichen Märkten hätte vor diesem Hintergrund nicht nur den unmittelbaren ökono­mischen Effekt, die aktuellen Konkurrenten Nokia und Ericsson zu stärken, sondern würde mindestens mittelfristig auch US-Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. […] Mindestens mittelfristig würde der Ausschluss von Huawei aber auch Unternehmen wie Samsung und Cisco eine Chance bieten, sich auf dem deutschen 5G-Markt zu etablieren.“[15]

In einer repräsentativen Umfrage in der „Internationalen Politik“ Anfang 2020 sprachen sich 35 Prozent für eine Huawei-Beteiligung aus, 47 Prozent lehnten sie dagegen ab.[16] Ähnlich gespalten zeigen sich auch die hiesigen Funktionseliten in Politik und Wirtschaft, wobei es zwei Fronten gibt: Auf der einen Seite sind da die Befürworter einer Beteiligung, zu denen vor allem Kanzlerin Angela Merkel und Kanzleramtsminister Helge Braun sowie Wirtschaftsminister Peter Altmaier zählen. Auch die Industrie sprach sich – zumindest zu Anfang – für eine Zusammenarbeit aus, besonders den Mobilfunkunternehmen Telekom, Vodafone, Telefonica und Drillisch, die im Juni 2019 satte 6,5 Mrd. Euro für die 5G-Frequenzen hingeblättert hatten, ist daran gelegen, dass sich diese Investitionen möglichst schnell bezahlt machen, was besser mit als gegen Huawei möglich ist.

Für einen Huawei-Einstieg sprechen aus Sicht der Befürworter eine Reihe „guter“ Gründe: „Die kurzfristige Alternative für die Netzwerk­betreiber bestünde darin, auf die Pro­dukte von Nokia und Ericsson zurückzugreifen. Dies würde aller Voraussicht nach zu höheren Kosten führen. Ein Grund für die schnelle Ausbreitung von Huawei in den letzten Jahren war, dass das Unterneh­men mit niedrigen Preisen locken konnte. […] Schließlich würde sich der Aufbau von 5G wahrscheinlich verzögern, weil die Konkurrenten erst entsprechende Produktionskapazitäten aufbauen müssten.“[17]

Das brachte aber die verschiedenen Huawei-Gegner lange nicht zum Schweigen, die unter Verweis auf die USA vor allem Sicherheitsbedenken gegen den Konzern ins Feld führten. Auf dieser Seite des 5G-Schützengrabens fanden sich das Außenministerium, der BND und eine Gruppe – die Rede ist von 50 bis 60 – transatlantisch ausgerichteter CDU-Abgeordneter unter Führung von Norbert Röttgen.[18] Deren Widerstand fiel aber in sich zusammen, als Ende Januar 2020 selbst der wichtigste Verbündete Großbritannien den USA die kalte Schulter zeigte: „Nicht einmal die engsten Geheimdienstpartner der USA scheinen von der angeblichen ‚Smoking Gun‘ überzeugt zu sein – ansonsten hätte die britische Regierung mit der US-Geheimdienste im Rahmen der so genannten ‚FiveEyes‘-Partnerschaft auch geheimste Informationen teilen, sich wohl kaum gegen einen Huawei-Bann entschieden.“[19]

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4. Digitale EU-5G-Geopolitik

In ihrer mit Spannung erwarteten Positionsbestimmung in der Causa Huawei entschied sich die Kommission Ende Januar 2020 trotz des heftigen Gegenwinds aus den USA gegen eine kategorische Ausgrenzung des chinesischen Unternehmens – ein Ergebnis, das wohl nicht zufällig auch exakt den Präferenzen der deutschen Kanzlerin entspricht: „Die EU-Kommission folgt mit dieser Positionierung der Auffassung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Kanzleramtschef Helge Braun.“[20]

Damit dürften die bereits jetzt hinterherhinkenden US-Unternehmen dauerhaft keinen Fuß auf den europäischen 5G-Markt bekommen, weshalb die Reaktionen in Washington dementsprechend frostig ausfielen. Anderseits wird aber auch empfohlen, Huawei von den besonders neuralgischen Kernbereichen fernzuhalten, die allein Sache der EU-Platzhirsche in Sachen 5G-Technologie, Nokia und Ericson, sein sollen. Die Kommission will damit erklärtermaßen die „digitale Autonomie“ fördern, eine blumige Umschreibung für den Anspruch auf dem Schachbrett der Tech-Geopolitik künftig als eigenständiger machtpolitischer Akteur mitspielen zu können, wie auch manchen Kommentatoren nicht entging: „Huawei darf zwar Funkstationen für 5G liefern. Doch für den Aufbau des Kernnetzes werden nur andere Lieferanten zugelassen. Auch Vodafone und Telefónica in Deutschland planen in eine solche Richtung. Das wäre ein Kompromiss, um nicht zu abhängig von Huawei zu werden und trotzdem von schnellen, zuverlässigen Lieferungen zu profitieren. […] Digitale Autonomie lautet das Stichwort. Europa darf in der digitalen Welt nicht nur das Anhängsel Chinas und der USA sein. Dafür brauchen wir ein Investitionsprogramm in Höhe vieler Milliarden Euro.“[21]

Hierzu scheint man in den EU-Hauptstädten fest entschlossen zu sein: Als die USA einen weiteren, diesmal in Person der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren explizit auch parteiübergreifenden Versuch unternahmen, die EU-Länder bei der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar 2020 auf Linie zu bringen, stellten die EU-Länder ganz andere Überlegungen an: „Selbst Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beschäftigte sich bei einem Frühstück mit Abgeordneten und Vertretern von Thinktanks mit der Huawei-Frage. Am Ende stand zumindest eine Idee: der Aufbau eines europäischen Konsortiums, das Huawei die Stirn bieten kann.“[22]

Gesammelt ließen sich diese EU-Ambitionen jüngst zum Beispiel im „Manifest für die digitale Souveränität und geopolitische Wettbewerbsfähigkeit Europas“ finden, das der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss am 20. Januar 2020 veröffentlichte. Der Sprecher der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Rechtsausschuss sieht ein neues „Zeitalter der digitalen Geopolitik“ angebrochen: „Ohne eigene Vision und langfristige Strategien war Europa bisher ein Zuschauer im Kampf um die digitale Vorherrschaft zwischen China (autoritäre und staatlich kontrollierte Wirtschaft) und den USA (disruptive Innovation durch dominierende Technologiekonzerne).“ Europa müsse sich hier behaupten und zwar über die Erarbeitung eines „umfassenden Plans zur Stärkung der strategischen digitalen Autonomie Europas“ sowie „für strategische Investitionen in Wendepunkt-Technologien wie 5G“. Dies schließe zwar nicht aus, dort, wo es unter finanziellen Gesichtspunkten besonders geboten sei, mit Huawei zusammenzuarbeiten – Priorität habe aber der Aufbau eigener 5G-Fähigkeiten: „Im Hinblick auf die aktuelle Debatte über die Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit von 5G-Netzen ist ein europäisches System für 5G-Netzkomponenten von größter Bedeutung und Dringlichkeit.“[23]

Anmerkungen


[1] So soll das Heer digital werden, bmvg.de, 11.12.2019. 

[2] Digitalisierung – Megatrend auch für die Bundeswehr, bmvg.de, 25.03.2019.

[3] Den Blick nach vorn – das 09. Internationale Hubschrauberforum, Newsletter Verteidigung, 09.07.2019, S. 5.

[4] 5G bei der Bundeswehr: Daran arbeitet die BWI, bwi.de, 20.09.2019.

[5] „Der Einsatz von 5G muss wohl überlegt sein“, bwi.de, 09.12.2019.

[6] bwi.de, 20.09.2019.

[7] 5G als ein Schlüssel für die Digitalisierung der Bundeswehr, golem.de (Sonsored Post von BWI), 27.11.2019.

[8] Ebd.

[9] Ebd.

[10] Karkour, Martin: 5G für die Bundeswehr, capgemini.com, 22.01.2020.

[11] Ebd.

[12] „Smoking gun“: Streit um Beweise gegen Huawei, Handelsblatt, 29.01.2020.

[13] Sawall, Achim: Ausschluss von Huawei führt „zur schlimmsten Gefahr“, golem.de, 11.11.2019.

[14] 5G-Ausbau in Europa: EU-Kommission wohl gegen Ausschluss Huaweis, t3n.de, 30.01.2020.

[15] Voelsen, Daniel: 5G, Huawei und die Sicherheit unserer Kommunikationsnetze. Handlungsoptionen für die deutsche Politik, SWP-Aktuell 2019/A 05, Februar 2019.

[16] Konkret lautete die Frage „Sollte Deutschland beim Aufbau des deutschen 5G-Netzes mit Huawei zusammenarbeiten?“ Siehe https://internationalepolitik.de/de/ziemlich-beste-feinde 

[17] Voelsen 2019.

[18] t3n.de, 30.01.2020.

[19] Wie viel Huawei darf es sein? Spiegel Online, 30.01.2020.

[20] t3n.de, 30.01.2020.

[21] Kowalewsky, Reinhard: Digital aufrüsten gegen zu hohe Abhängigkeit, Rheinische Post, 29.01.2020.

[22] Warnung vor dem trojanischen Pferd, Spiegel Online, 15.02.2020.

[23] Voss, Alex: Ein Manifest für die digitale Souveränität und geopolitische Wettbewerbsfähigkeit Europas, o.J.

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