IMI-Analyse 2019/29

Neue Rüstungsexportrichtlinien – alte Regelungslücken

Internationalisierung – Technikunterstützung – Europäisierung

von: Lotta Ramhorst | Veröffentlicht am: 24. September 2019

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Regelmäßig brüsten sich deutsche Bundesregierungen damit, eine „restriktive Rüstungsexportpolitik“ zu verfolgen. Und tatsächlich gehören die deutschen Regelungen auf dem Papier zu den strengsten der Welt – es besteht allerdings ein erhebliches Missverhältnis zwischen den proklamierten Grundsätzen und der Praxis. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die deutschen Exportzahlen in den ersten sieben Monaten von 2019 im Vergleich zum Vorjahr drastisch gestiegen sind – um 107 Prozent.[1] Trotzdem ist auch die Große Koalition weiterhin darum bemüht, das Bild der restriktiven Rüstungsexportpolitik zumindest im innerdeutschen Diskurs aufrechtzuerhalten. So bekundeten die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD Anfang 2018 in ihrem Koalitionsvertrag, „keine Rüstungsexporte in Krisenregionen“[2] mehr vornehmen zu wollen und – noch spezifischer – „ab sofort keine Ausfuhren an Länder“ mehr zu genehmigen, „solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.“[3] Tatsächlich führte aber erst der Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi Ende letzten Jahres dazu, dass die Bundesregierung einen temporären Waffenexportstopp beschloss – und zwar nur nach Saudi-Arabien, der gerade bis Ende März 2020 verlängert wurde.[4]

Ebenfalls auf sich warten ließ die im Koalitionsvertrag angekündigte Aktualisierung der Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, deren letzte Version aus dem Jahr 2000 stammte. Im Juni 2019 – sechs Monate später als vereinbart – wurden diese nun verabschiedet. Die Politischen Grundsätze ergänzen die deutsche Gesetzesgrundlage im Sinne einer politischen Willenserklärung der Bundesregierung – sind also rechtlich nicht bindend, sollen aber in der Genehmigungspraxis für konkrete Exportgesuche Orientierung geben.[5] Die aktuelle Fassung verweist auf rüstungsexportrechtliche Neuentwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte auf nationaler und internationaler Ebene. Speziell wurde beispielsweise die mögliche Anwendung von Vor-Ort-Kontrollen des Endverbleibs von Rüstungsgütern, so genannte Post-Shipment-Kontrollen, aufgenommen. Diese wurden im Bereich der Klein- und Leichtwaffen in wenigen Einzelfällen bereits durchgeführt, sind aber hinsichtlich des Einsatzes und der Konsequenzen noch zu wenig entwickelt und erprobt, um als wirksames Instrument der Rüstungskontrolle gelten zu können.[6]

Ebenfalls ließ sich die Regierung zu der Aussage hinreißen, den Export von Kleinwaffen in so genannte Drittstaaten „grundsätzlich“ nicht mehr genehmigen zu wollen. Zwar handelt es sich hierbei um die bisher am weitesten gehende Formulierung – es bleibt allerdings abzuwarten, inwieweit dieser Plan zukünftig in der Genehmigungspraxis umgesetzt werden wird. Wie bisher bleibt die Hintertür für Ausnahmen nämlich offen. In den letzten zehn Jahren richteten sich deutsche Rüstungsexporte regelmäßig mehrheitlich an Drittstaaten statt an Bündnispartner, obwohl auch die bisherigen Politischen Grundsätze den Export von Kriegswaffen in Drittländer schon zur Ausnahme erklärt hatten.[7]

Besonderer Anlass zur Sorge bereitetet allerdings die Tatsache, dass die Bundesregierung in ihrem neuen Grundsatzpapier die gravierendsten Regelungslücken im deutschen Rüstungsexportrecht wieder einmal fast gänzlich unbeachtet lässt und mit der Akzentuierung der europäischen Rüstungskooperation sogar droht, ein neues Schlupfloch für Rüstungsexporte in Drittstaaten und Krisengebiete zu kreieren.

Das Schlupfloch „Internationalisierung der Produktion“

Trotz der zahlreichen Schwächen des deutschen Rüstungsexportkontrollsystems, die dazu beitragen, dass Deutschland kontinuierlich zu den wichtigsten Waffenexporteuren der Welt gehört, sehen sich deutsche Rüstungsunternehmen durch punktuell wachsende Regulierungen und einen rüstungsexportkritischen Diskurs in der Gesellschaft unter Druck gesetzt. Darauf reagieren viele Firmen mit der Ausweitung oder Verlegung der Produktion auf Rechtsgebiete mit weniger restriktiven Rüstungsexportkontrollen, um sich von deutschen Exportregularien unabhängig zu machen. Dies funktioniert über das Aufkaufen ausländischer Unternehmen und die Gründung von Tochterfirmen oder über die Beteiligung an Gemeinschaftsunternehmen – so genannten Joint Ventures. Prominent für den Bereich der Klein- und Leichtwaffen ist hier das Beispiel der Firma Sig Sauer, die ihre Produktion zunehmend in die USA verlegt[8] und 2015 sogar ankündigte, an ihrem deutschen Standort in Eckernförde nur noch Sportwaffen herstellen zu wollen.[9]

In besonders großem Stil wird die Strategie der Internationalisierung der Produktion aber von der Rheinmetall AG betrieben: In ihrer Tochterfirma auf dem italienischen Sardinien und in einem Gemeinschaftsunternehmen in Südafrika fertigt sie u. a. Bomben und Munition, zu deren Hauptabnehmern in den letzten Jahren Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gehörten.[10] Dem Export der sardischen Rheinmetall-Bomben an die Jemen-Kriegskoalition hat die italienische Regierung Ende Juli 2019 nun immerhin für 18 Monate einen Riegel vorgeschoben.[11] Aus Südafrika aber fließen die tödlichen Warenströme ungehindert weiter, denn die im Ausland hergestellten Güter sind vom deutschen Exportstopp nach Saudi-Arabien nicht betroffen.[12] Die Produktion von Munition auf deutschem Boden verliert angesichts dieser Entwicklungen im Gegensatz zum Fall von Sig Sauer keinesfalls an Bedeutung. Für Exporte, die aus Deutschland nicht möglich wären, nutzt Rheinmetall aber inzwischen die Tochterfirmen im Ausland.

Insofern ist es positiv zu bewerten, dass die Bundesregierung in den neuen Politischen Grundsätzen erklärt, Anträge für Technologieexporte in Drittstaaten künftig stärker prüfen zu wollen, wenn damit ausländische Rüstungsproduktionen aufgebaut werden können. Dies ist auch angesichts der weltweiten Verbreitung von mit deutscher Lizenz im Ausland produzierten Kleinwaffen ein längst überfälliger Schritt, obwohl abzuwarten bleibt, ob die angekündigten Restriktionen in der Genehmigungspraxis tatsächlich umgesetzt werden.[13]

Problematisch bleibt allerdings weiterhin der Bereich des Transfers von Ingenieurwissen, für den nahezu keine rechtlichen Kontrollen bestehen. Genehmigungspflichtig ist nach deutschem Ausfuhrrecht zwar der Export von materiellen Herstellungstechnologien für Rüstungsgüter und entsprechende Komponenten – also der Transfer von Maschinen, Herstellungsunterlagen oder elektronischen Daten ins Ausland –, nicht aber der Export immateriellen Know-Hows – also von Wissen zur Rüstungsproduktion. Eine Meldepflicht für die so genannte technische Unterstützung zur Produktentwicklung oder zum Aufbau eigener Rüstungsproduktionsstätten durch deutsche Ingenieur_innen im Ausland besteht lediglich für Embargoländer und für den Bereich der ABC-Waffen.

Zwar können komplexe Waffensysteme nicht allein mit technischer Unterstützung und ohne den genehmigungspflichtigen Transfer von Herstellungstechnologien im Ausland produziert werden – im Falle weniger komplexer Produkte sind deutsche Rüstungsunternehmen allerdings nicht unbedingt auf Technologie aus Deutschland angewiesen.[14] So nutzt Rheinmetall für die Bombenproduktion auf Sardinien beispielsweise US-amerikanische statt deutsche Konstruktionspläne und in Südafrika südafrikanische Produktionsunterlagen.[15]

Gravierende Lücken im deutschen Ausfuhrrecht – konkret die fehlenden Genehmigungsvorbehalte für technische Unterstützung und für den Aufbau von Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen im Ausland – ermöglichen es Rüstungsfirmen wie Rheinmetall also, ganz legal an den deutschen Regelungen vorbei ihre Produkte in die Krisengebiete dieser Welt zu liefern. Medienwirksame Ankündigungen der Bundesregierung wie der Waffenexportstopp nach Saudi-Arabien bleiben daher Lippenbekenntnisse, denn mit dem entsprechenden politischen Willen wäre es einfach, die bestehenden juristischen Schlupflöcher zu stopfen.

Kontrolloptionen I: Technische Unterstützung

Anders als im deutschen Recht brauchen US-amerikanische Rüstungsingeneur_innen eine Genehmigung für jede Dienst- oder Beratungsleistung, die sie bei Firmen im Ausland leisten möchten.[16] Eine solche Regulierung technischer Unterstützung im Rüstungsbereich könnte aber auch ins deutsche Rüstungsexportkontrollsystem Eingang finden. Einfallstor wären die genannten rechtlichen Beschränkungen von technischer Unterstützung für den Bereich der ABC-Waffen und für Drittstaaten wie den Iran, die einem internationalen Rüstungsembargo unterliegen.[17]

Laut Arnold Wallraff, dem ehemaligen Präsidenten des für die Genehmigung von Rüstungsexporten zuständigen Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), wäre eine Gesetzesänderung schnell vorzunehmen: „Man müsste eigentlich relativ simpel, das kann fast mit einem Federstrich geschehen, diese Begrenzungen auf die erwähnten Waffenkategorien, die Technikkategorien und die Embargoländer einfach herausstreichen.“ Das könne die Bundesregierung sogar ohne die Zustimmung des Deutschen Bundestages tun.[18] Eine andere Variante hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages für verfassungsrechtlich zulässig befunden: eine Ausweitung der Genehmigungspflicht von technischer Unterstützung für ABC-Waffen auch auf Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter.[19]

Neben friedenspolitischen Überlegungen müsste die Bundesregierung dabei auch ein außen- und sicherheitspolitisches Interesse daran haben, technische Hilfe zu regulieren. Denn diese kann dazu beitragen, dass die Empfängerländer unabhängig von deutschen Technologierechten und Exportbestimmungen Rüstungsgüter für den Eigenbedarf oder den Weiterexport produzieren und dabei auch eigene Technologierechte generieren. So ist es insbesondere im Sinne autokratisch regierender Staaten, sich unabhängig von Rüstungslieferungen aus Ländern zu machen, die die Einhaltung von Menschenrechten und Völkerrecht zur Bedingung von Exporten machen könnten.[20] Wie bedeutend dieser Regelungsbereich ist, zeigt der exemplarische Fall von Dr. Andreas Schwer, einem der wichtigsten deutschen Rüstungsmanager, der nach Recherchen von report München und dem Stern derzeit gemeinsam mit anderen Ex-Rheinmetall-Mitarbeitern für den saudischen Kronprinzen den riesigen Rüstungskonzern SAMI aufbaut.[21] Allein schon aus rüstungkontrollpolitischen Gründen sollte die Bundesregierung also die notwendigen Regularien einführen.

Kontrolloptionen II: Joint Ventures und ausländische Tochterfirmen

Für die Kooperation von deutschen Rüstungsfirmen mit ausländischen Unternehmen oder die Gründung von Tochterfirmen im Ausland zu rüstungswirtschaftlichen Zwecken besteht im deutschen Rüstungsexportrecht bisher kein Genehmigungsvorbehalt. Einer weiteren Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zufolge wäre die Einführung eines solchen aber ebenfalls verfassungsrechtlich möglich.[22] Die konkrete Ausgestaltung der Beschränkung obläge dem Gesetzgeber. So müsste zum Beispiel festgelegt werden, inwieweit eine Genehmigungspflicht auch bereits bestehende Verträge und Kooperationen betreffen sollte, ohne einen verfassungswidrigen Eingriff in den Schutz des Eigentums darzustellen.[23] Angesichts dessen ist es umso wichtiger, möglichst schnell eine Genehmigungspflicht gesetzlich festzulegen, da die Strategie der Internationalisierung unter deutschen Rüstungsfirmen zunehmend virulent wird und eine faktische Eingrenzung des Phänomens mit fortschreitender Zeit immer schwieriger wird.

Um das zu erreichen, bedürfte es der Kombination aus beidem – einem Genehmigungsvorbehalt für technische Unterstützung und einem für die Kooperation mit Gemeinschaftsunternehmen oder Tochterfirmen im Ausland. Eine solche Rechtsverschärfung wäre zumindest ein erster Schritt. Inwieweit diese dann in der Praxis in Form echter Restriktionen umgesetzt würde, müsste sich zeigen. Denn spätestens seit dem umfangreichen Strafprozess gegen die Waffenfirma Heckler & Koch wegen illegaler Lieferungen nach Mexiko ist es kein Geheimnis mehr, dass die deutschen Genehmigungsbehörden Rüstungsexporten gegenüber in hohem Maße – teils aus systemischen Gründen – wohlwollend eingestellt sind, wie aus den umfangreichen Zeugenbefragungen im letzten Jahr hervorging. So erklärte der zuständige Referatsleiter des Wirtschaftsministeriums, seine Behörde heiße schließlich „Ministerium für Wirtschaft“ und habe dementsprechend ein Interesse daran, dass renommierte deutsche Waffenhersteller wirtschaftlich überleben können.[24] Auch in diesem Punkt müsste die Bundesregierung endlich aktiv werden, um echte Fortschritte bei der Begrenzung von deutschen Rüstungsexporten in Krisen- und Konfliktgebiete zu erzielen.

Zukunftsproblem: Europäisierung der Rüstungsindustrie

Neue Schlupflöcher in der vermeintlich restriktiven deutschen Rüstungsexportkontrolle bahnen sich derweil durch die geplante Europäisierung der Rüstungsindustrie an. Zwar kündigte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag an, die EU-Exportrichtlinien, den Gemeinsamen Standpunkt der EU zu Rüstungsexporten, fortentwickeln zu wollen – die am 16. September 2019 vom Rat angenommenen Änderungen des Gemeinsamen Standpunkts beinhalten allerdings keine substantiellen Verbesserungen.[25] So wurde zum Beispiel weder das Problem angegangen, dass es den Staaten bisher selbst überlassen bleibt, die EU-Exportrichtlinien nach eigenem Belieben auszulegen, noch das Fehlen einer unabhängigen Instanz, die die Einhaltung der Richtlinien kontrolliert – von Sanktionsmöglichkeiten im Falle einer Verletzung ganz zu schweigen. Dabei handelt es sich hier allesamt um Aspekte, die sogar 2018 in einer Entschließung des Europäischen Parlamentes – das in dieser Angelegenheit aber leider nichts zu melden hat – gefordert worden waren.[26]

Die angestrebte Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich impliziert aus Effizienzüberlegungen auch die gemeinsame Entwicklung, Produktion und den Export von Rüstungsgütern. Beides – die gemeinsame Verteidigungspolitik und die europäische Rüstungskooperation – ist von der deutschen Regierung politisch gewollt. Den europäischen Partnern aber, v. a. Frankreich und Großbritannien, ist die restriktive Haltung Deutschlands in Rüstungsexportfragen schon lange ein Dorn im Auge. Für sie ist der Export der gemeinsam entwickelten Kampfflugzeuge, Panzer oder Drohnen auch in Drittstaaten nämlich selbstverständlich. Das deutsche Veto für die Ausfuhr von milliardenschweren Gemeinschaftsprodukten – beispielsweise aufgrund des Rüstungsexportstopps nach Saudi-Arabien – sorgt daher für außenpolitische Verstimmungen.[27] Gleichzeitig droht die Rüstungsindustrie mit der Einführung von „German-free-products“, wenn die deutsche Bundesregierung ihre Regelungen für die europäische Rüstungszusammenarbeit nicht lockere.[28]

Die deutsche Regierung zeigt sich derweil offen dafür, ihre Rüstungsexportrestriktionen für den europäischen Multilateralismus zu opfern. So plädierte Angela Merkel auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz für eine „gemeinsame Kultur der Rüstungsexporte“ und sah Deutschland in der Pflicht, sich auf die europäischen Partner zuzubewegen, um gemeinsame Rüstungsexportrichtlinien zu entwickeln.[29]

Erste Schritte dieser fundamentalen Kehrtwende im deutschen Rüstungsexportrecht wurden bereits eingeleitet. So verweisen die neuen Politischen Grundsätze auf die mögliche Anwendung so genannter de-minimis-Regelungen, nach denen Deutschland Einwände gegen den Export von mit deutschen Bauteilen gefertigten Kriegswaffen oder Rüstungsgütern nur dann geltend machen kann, wenn der Anteil der deutschen Teile einen bestimmten Wert oder Prozentsatz übersteigt. Wie hoch dieser Anteil sein soll, wird in den neuen Richtlinien nicht konkretisiert – diskutiert wurde zunächst eine Spannbreite zwischen 3,5 Prozent und bis zu 30 Prozent.[30] Mitte September 2019 berichtete La Tribune, Deutschland und Frankreich seien im Begriff, sich auf einen de-minimis-Satz von 20 Prozent zu verständigen. Berlin würde sich also der Ausfuhr französischer Hersteller nicht widersetzen, sofern der Anteil der deutschen Ausrüstung oder Komponenten 20 Prozent des verwendeten Gesamtmaterials nicht überschreitet. Im französischen Ministerium der Streitkräfte heißt es: „Eine formelle Einigung wird sicherlich innerhalb weniger Wochen erzielt werden.“[31]

Gemeinsamen europäischen Rüstungsproduktionen wird somit eine Sonderrolle eingeräumt. Für Max Mutschler vom Internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC) und Simone Wisotzki von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) liegt darin die Gefahr einer de-facto-Aushebelung der deutschen Rüstungsexportkontrolle durch europäische Rüstungskooperation.[32] Die Europäisierung der Rüstungsindustrie wird dabei zum Feigenblatt, hinter dem deutsche Verantwortlichkeiten für Rüstungsexporte in kritische Drittstaaten verschwinden, und sich die mantraartig betonte restriktive deutsche Rüstungsexportpolitik endgültig zur leeren Worthülse entwickelt.

Letztendlich ist und bleibt das deutsche Rüstungsexportrecht ein Flickenteppich, der durch die neuen Politischen Grundsätze hier und dort ausgebessert wird, während die größten Löcher, die es deutschen Rüstungsunternehmen ermöglichen, die globalen Krisen zu befeuern, bestehen bleiben und neue Brandlöcher diese Möglichkeit sogar noch erweitern. Abhilfe müsste dem durch die Einführung eines seit langem geforderten umfangreichen und konkreten deutschen Rüstungsexportkontrollgesetzes[33] und durch eine tatsächliche Stärkung der Rüstungsexportkontrolle auf europäischer Ebene geschaffen werden.


Anmerkungen

[1] Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Drastischer Anstieg der Rüstungsexporte, 11.07.2019.

[2] Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Wahlperiode, 12.03.2018, S. 15.

[3] Ebd. S. 149.

[4] Vgl. Tagesschau, 20 Uhr, 18.09.2019.

[5] Vgl. Mutschler, Max/Wisotzki, Simone: Kommentar – Sind die überarbeiteten Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern tatsächlich „restriktiver“?, BICC, 4.07.2019.

[6] Vgl. ebd.

[7] Vgl. Flocken, Andreas: Streitkräfte und Strategien, NDR info, 30.06.19.

[8] siehe dazu Pérez Ricart, Carlos A./Ramhorst, Lotta: Deutsche Waffen made in USA – Die strategische Produktionsverlagerung von Klein- und Leichtwaffen in die USA, Ausdruck Dezember 6/2018.

[9] Vgl. Kühl, Gernot: Sig Sauer schrumpft weiter: 73 Mitarbeiter müssen gehen, Eckenförder Zeitung, 25.02.2015.

[10] GKKE: Rüstungsexportbericht 2018 der GKKE, Januar 2019, S. 72 f.

[11] Vgl. Nassauer, Otfried: Italien stoppt Bombenlieferungen für Krieg im Jemen, bits.de, 31.07.2019.

[12] Vgl. Report München, 04.12.2018.

[13] Vgl. Mutschler, Max/Wisotzki, Simone: Kommentar – Sind die überarbeiteten Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern tatsächlich „restriktiver“?, BICC, 04.07.2019.

[14] Vgl. Nassauer, Otfried: Technische Unterstützung – Stellungnahme für eine Anhörung des Unterausschusses für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung im Deutschen Bundestag am 30.01.19.

[15] Vgl. Bayrischer Rundfunk: Interview report-Autor Philipp Grüll über die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien, 04.12.2018.

[16] Report München, 04.12.2018.

[17] Vgl. Nassauer, Stellungnahme Bundestag a.a.O.

[18] Report München, 04.12.2018.

[19] Vgl. Deutscher Bundestag/Wissenschaftliche Dienste: Zu einer künftigen Genehmigungspflicht für technische Unterstützung im Zusammenhang mit Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern (WD – 3000 – 155/17), Berlin 2017.

[20] Vgl. Nassauer, Stellungnahme Bundestag a.a.O. 

[21] Report München, 04.12.2018.

[22] Deutscher Bundestag/Wissenschaftliche Dienste a.a.O.

[23] Vgl. ebd.: S. 4.

[24] van Aken, Jan: Der Heckler & Koch-Prozess: Eine Zusammenfassung, rosalux.de, Februar 2019.

[25] EU-Rat: Waffenausfuhrkontrolle: Rat verabschiedet Schlussfolgerungen, neuen Beschluss mit aktualisierten gemeinsamen Regeln der EU und überarbeiteten Leitfaden, Pressemitteilung, 16.09.2019.

[26] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. November 2018 zu Waffenexporten und der Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP (2018/2157(INI))

[27] Vgl. Flocken, Andreas: Streitkräfte und Strategien, NDR info, 30.06.2019.

[28] Vgl. spiegel-online: Airbus will Rüstungsgüter „german-free“ machen, 29.03.2019.

[29] Vgl. Brösser, Daniel/Krüger, Paul-Anton: Merkel will Rüstungsexporte erleichtern, süddeutsche.de, 17.02.2019.

[30] Vgl. Mutschler, Max/Wisotzki a.a.O., S. 2.

[31] Cabirol, Michel: Exportations d’armes : accord entre la France et l’Allemagne mais…, La Tribune, 17.09.2019.

[32] Vgl Mutschler, Max/Wisotzki a.a.O., S. 2.

[33] Vgl. ebd.