Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

[0547] Bundesweite Gelöbnisse im November/ Korrektur Kampage/ Neue Texte

(24.09.2019)

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Online-Zeitschrift „IMI-List“
Nummer 0547 ………. 22. Jahrgang …….. ISSN 1611-2563
Hrsg.:…… Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Martin Kirsch
Abo (kostenlos)…….. IMI-List-subscribe@yahoogroups.com
Archiv: ……. https://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich:

1.) Eine Korrektur des Links zur IMI-Mitgliederkampage;

2.) neue Texte auf der Homepage:

3.) eine neue Analyse zu den angekündigten Gelöbnissen im November;

1.) Korrektur zur Mitgliederkampagne

Erstmal wollen wir uns für die vielen Rückmeldungen auf die Kampagne
bedanken. Was den aktuellen Zwischenstand angeht befinden wir uns auf
einem ganz guten Weg. Die Ziele sind allerdings noch lange nicht
erreicht. Wir freuen uns also auf weitere Beteiligung.

Leider hatte sich in der letzten IMI-List ein falscher Link auf die
Kampagnenseite eingeschlichen.
Der korrekte Link lautet:
https://www.imi-online.de/2019/01/01/imi-mitgliederkampagne/
Falls ihr den Link schon eingebettet habt, bitten wir euch ihn zu
ändern. Ansonsten gibt es jetzt die Möglichkeit den Link mit dem
entsprechenden Banner von der Seite auf eure Websites und
Social-Media-Auftritte zu schalten.

2.) Neue Texte von der Homepage

IMI-Analyse 2019/26
Blut für Öl!
https://www.imi-online.de/2019/09/04/blut-fuer-oel-2/
(04. September 2019) Jürgen Wagner

IMI-Standpunkt 2019/041
Debatte voller Nebelkerzen – Der Militärhaushalt steigt an, wird aber
kleingeredet
https://www.imi-online.de/2019/09/03/debatte-voller-nebelkerzen/
(03. September 2019) Jürgen Wagner

IMI-Standpunkt 2019/039 – in: SoZ, September 2019
Mit von der Leyen zur Rüstungsunion?
https://www.imi-online.de/2019/08/28/mit-von-der-leyen-zur-ruestungsunion/
(28. August 2019) Jürgen Wagner

IMI-Standpunkt 2019/038
Die Abschaffung der Bundeswehr – das ist Klimaschutz: Rede bei Fridays
for Future
https://www.imi-online.de/2019/08/24/10677/
(24. August 2019) Jacqueline Andres

IMI-Standpunkt 2019/037
Militärbischof für Aufrüstung und Wehrpflicht
https://www.imi-online.de/2019/08/21/militaerbischof-fuer-aufruestung-und-wehrpflicht/

(21. August 2019) Peter Bürger

3.) IMI-Analyse zu den angekündigten Gelöbnissen im November

IMI-Analyse 2019/27
Bundesweite Gelöbnisse im November: Pathos, Geschichtspolitik, religiöse
Verbrämung
https://www.imi-online.de/2019/09/12/bundesweite-geloebnisse-im-november/
(12. September 2019) Markus Euskirchen

Die neue Bundesverteidigungsministerin kündigte anlässlich ihres
Amtsantrittes im Juli 2019 für den 12. November dieses Jahres bundesweit
Zapfenstreiche an. In Berlin „wünscht“ sie sich für den „Geburtstag“ der
Bundeswehr einen Zapfenstreich vor dem Reichstag. „Wir werden die
Sichtbarkeit der Bundeswehr in unserer Gesellschaft erhöhen.“ Koste es,
was es wolle, schwingt dabei unausgesprochen mit. Es geht ausdrücklich
um Sichtbarmachung, Visualisierung. Was soll sichtbar gemacht werden?
Die Bundeswehr, der mit Kriegswaffen ausgestattete und von
Nazi-Netzwerken durchzogene Staatsapparat, in dem sich die staatliche
Macht in ihrer tödlichsten Konsequenz materialisiert. Der Zapfenstreich
soll uns bundesweit und unübersehbar in der Öffentlichkeit präsentiert
werden: ein Machtvisualisierungsritual, eine öffentliche Drohung.

Zapfenstreich?

Der Zapfenstreich stammt ab vom Signalspiel der Flöter und Trommler in
den Truppenlagern des europäischen dreißigjährigen Krieges im 17.
Jahrhundert, mit dem am Abend der Bierausschank beendet wurde (der
„Zapfen“ am Fass wurde symbolisch „gestrichen“). Heute besteht er aus
einer festgelegten Folge von Musikstücken: stramme Marschmusik zum Ein-
und Ausmarsch, getragenes, feierliches Liedgut („Ich bete an die Macht
der Liebe“), die unvermeidliche Nationalhymne. Das kollektive
Zwangsabsingen derselben. Die Inszenierung in der Abenddämmerung besteht
aus Fackelmarsch, Antreten des Wachbataillons, „Präsentiert das Gewehr“
und „Helm ab zum Gebet“.
Das Ritual des Zapfenstreichs ist den Sinngehalten militaristischer und
christlicher Traditionen verhaftet. Es lassen sich zwar unterschiedliche
– manchmal sich auch direkt widersprechende – politische Inhalte oder
Ideologien über den Rahmen des Rituals transportieren (Zapfenstreich als
zentrales militärrituelles Ereignis der Bundeswehr und einst auch der
NVA, der Nationalen Volksarmee der DDR), im Zentrum steht aber immer –
unabhängig von der politischen Botschaft – die emotionale Öffnung der
Einzelnen für den militärischen Gehalt im engeren Sinne, die Verkündung
der absoluten Wahrheit des „gerechten Krieges“. Das Ritual untermauert
durch seine religiösen Anspielungen Argumentationen des „gerechten
Krieges“[1] mit einem Glaubensfundament: Kein Zweifel darf den
Gerechtigkeitsanspruch der politischen Botschaft in Frage stellen. Die
Herstellung dieser Zweifelsfreiheit benötigt den Rückgriff auf
Mechanismen der Religiosität. Für den Zapfenstreich wird immer die
Bedeutung seiner musikalischen Teile hervorgehoben und auf eine
besondere Perfektion der musikalischen Darbietung Wert gelegt. Die Musik
(Serenade) dient aber nur scheinbar dem Lob Gottes.
„Tatsächliche Aufgabe hingegen ist die Erbauung der Feiernden, die
Schaffung festlicher, feierlicher Stimmungen und damit das Gefühl, einer
Gemeinschaft anzugehören, die den „wahren“ Glauben vertritt.“[2]
Der in einem derartigen Ritual gestiftete Glaube (an den „gerechten
Krieg“) beinhaltet dann mindestens die Lizenz, wenn nicht sogar den
Auftrag zum Töten der erklärten Feinde, seien es die imperialistischen
Klassenfeinde, die geopolitischen Rivalen („böser Russe“, vielleicht
demnächst wieder: „gelbe Gefahr“) oder die Gegner im Kampf gegen den
Terror, Piraterie etc.. Das Militärritual insgesamt visualisiert diesen
Auftrag und die Bereitschaft zu seiner Befolgung. Wenn im Gelöbnis die
Rekruten aufs Töten und Sterben auf Befehl vorbereitet werden, dann
zielen die Feierlichkeit und die religiös aufgeladene Liturgie des
Zapfenstreichs auf die Verankerung dieser Militärlogik in der gesamten
Gesellschaft.[3] Insofern ist es nur konsequent, wenn eine neue
Verteidigungsministerin, die ihr Amt mit einem Anspruch auf das
Gesamtgesellschaftliche angeht, auch symbol-politisch auf Angriff setzt
und zur Zapfenstreichoffensive bläst.

Traditionslinie preußisch-deutscher Militarismus

Der Zapfenstreich ist das zentrale Ritual der preußisch-deutschen
Militärgeschichte. 1726 in seinen Ursprüngen erstmals schriftlich
dokumentiert, wurde er 1813 vom Preußenkönig in seiner bis heute
gültigen Grundstruktur festgelegt. In diese bald 300 Jahre alten
Militärtradition stellt sich die BRD und ihre Armee also mit dem
Zapfenstreich: Zivilbevölkerung terrorisierende Landsknechthorden,
Preußischer Kadavergehorsam, bismarcksche Großmachtpolitik,
wilhelminischer Kolonialwahn, blinder Hurra-Patriotismus des Ersten
Weltkrieges, die paramilitärische Verfolgung republikanischer und
revolutionärer Bewegungen nach 1919, der militärische Gehorsam, der den
faschistischen Vernichtungsfeldzug erst ermöglichte, die
Wiederaufrüstung in den Kalten Krieg hinein, die Vorbereitung des
Atomkriegs, die Remilitarisierung deutscher Außenpolitik nach 1990 und
schließlich die Militarisierung der Europäischen Union unter deutscher
Führung – spätestens mit dem Brexit.
Diese Traditionslinie bedeutete in der Vergangenheit Millionen
Kriegstote und führte zu den Angriffskriegen, die die Bundeswehr in
ihrer jüngsten Vergangenheit und gegenwärtig vorbereitet und führt. Auch
heute werden wieder Kriegsverbrecher mit Beförderung belohnt: Die
Bombardierung unbewaffneter Zivilisten in Kundus/Afghanistan jährt sich
2019 zum zehnten Mal. Der Oberst, der den Luftangriff anforderte und
gegen die Bedenken der US-Piloten durchsetzte, wurde in der Folge zum
General befördert.

Einlullende Militärrituale

Die Parolen für solche Geburtstags-Zapfenstreiche ähneln sich. 2005 hieß
es: „50 Jahre Bundeswehr – 50 Jahre Parlamentsarmee“. Klingt gut, vor
allem, wenn man schon wieder vergessen hat (oder nie hat zur Kenntnis
nehmen wollen), dass der Bundestag sich am 3. Dezember 2004 durch den
Beschluss des „Parlamentsbeteiligungsgesetzes“[4] die eigenen
Einflussmöglichkeiten weitgehend beschnitten hat.[5] Das Gesetz trat am
24. März 2005 in Kraft und regelte die Einfluss- und
Kontrollmöglichkeiten des Bundestages gegenüber der Exekutive
(Regierung, Minister) neu.
Zentral ist das sog. Vereinfachte Zustimmungsverfahren aus § 4: Ist ein
Einsatz von geringer Intensität und Tragweite, sind nur wenige Soldaten
beteiligt und handelt es sich nicht um einen Krieg, dann setzt die
Regierung das Parlament einfach nur von ihrem Vorhaben in Kenntnis und
dieses gilt als genehmigt, wenn nicht binnen einer Woche eine Fraktion
oder fünf Prozent der Abgeordneten eine Plenarberatung fordern. Dieses
Verfahren wird auch bei der Verlängerung bereits einmal gebilligter
Auslandseinsätze angewandt. Ottfried Nassauer hebt auf die erleichterte
Kriegsvorbereitung durch das neue Gesetz ab – dadurch,
„dass künftig nur der „konkrete militärische Einsatz“ der
Parlamentszustimmung bedarf, nicht aber Auslandseinsätze, die nur der
Vorbereitung oder Planung solcher Einsätze dienen. (…) Zu jenen
Auslandsverwendungen deutscher Soldaten, die keiner Zustimmung des
Bundestages bedürfen, soll deren Einsatz in ständigen multinationalen
Stäben der NATO, der EU oder anderer Organisationen kollektiver
Sicherheit gehören. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es,
zustimmungspflichtig sollen lediglich Verwendungen in extra für einen
Einsatz zusammengestellten Stäben sein. Auch dies soll Regierung und
Verwaltung unliebsame, öffentliche Debatten ersparen. Sowohl die NATO
als auch die EU werden künftig im Wesentlichen ihre im Aufbau
befindlichen ständigen mobilen Hauptquartiere einsetzen.“[6]
Zweite dramatische Neuerung des Gesetzes war die „Gefahr im
Verzug“-Regelung aus § 5: Wenn die Exekutive „Gefahr im Verzug“ erkennt,
dann darf sie direkt losschlagen und muss das Parlament nur noch im
Nachhinein abstimmen lassen. Dabei geht es um Einsätze, die „keinen
Aufschub dulden oder Einsätze zur Rettung von Menschen aus
Gefahrenlagen, bei denen eine öffentliche Befassung des Bundestages das
Leben der betroffenen Menschen gefährden könnte“. Die Formulierungen
sind so unbestimmt, dass sich z.B. Einsätze von Spezialkommandos wie des
KSK darunter fassen lassen.
Es handelt sich also im Ganzen um ein Parlamentsentmündigungsgesetz, das
ganz schön hilfreich ist bei der neo-imperialen Transformation und
Militarisierung der BRD-Außenpolitik (2005 ging es um den Einfluss auf
die Rohstoffgebiete im Südsudan). Bei der Kriegsvorbereitung in den
Stäben und durch Militärberater in den sog. Krisengebieten muss das
Parlament nicht mehr (in)formiert werden, mit öffentlichen Debatten muss
man sich kaum noch aufhalten.
Und wenn Militäreinsatz, Kampf, Krieg (vielleicht sogar) erst mal
richtig losgehen, dann liegt das Kind bereits im Brunnen bzw. lässt sich
die Karte der nationalen Verantwortung umso verpflichtender spielen.
Mittlerweile kommt es vor, dass sogar Kampftruppen ganz ohne Wissen und
Zustimmung des Parlaments unterwegs sind, wie im Mai 2019 bekannt wurde:
Deutsche Spezialeinheiten waren in Niger und Kamerun im Einsatz – ohne
Zustimmung des Bundestages. Selbst die niedrige Schwelle des Gesetzes
von 2005 wird also noch unterlaufen und damit politisch sturmreif
geschossen: Warum noch ein Gesetz, wenn es eh nicht mehr eingehalten
wird… Bis es wieder soweit ist, dass die deutsche Generalität tun kann,
was sie für richtig hält, statt sich von Demokraten gängeln zu lassen,
lässt man es sich bei Militärkonzert und Fackelschein wohlig sein ums Herz.

Europas neue Militärrituale

Oft und gerne werden Gelöbnisse und Zapfenstreiche zu Ehren eines Gastes
aus der EU-Nachbarschaft oder aus einem gemeinsamen
geschichtspolitischen Anlass ausgeführt. Auch bei entsprechenden
Militärritualen im benachbarten EU-Ausland können wir eine europäische
Komponente beobachten: So vermitteln etwa paradenförmige
Truppenaufmärsche wie z.B. anlässlich des französischen
Nationalfeiertags auf der Avenue des Champs-Élysées in Paris einerseits
die nationale und staatliche militärpolitische Position: Wir sind
bewaffnet, unsere Waffenträger gehorchen auf unsere Befehle und
marschieren in Reih und Glied und wir haben Verbündete, die mit uns
gemeinsam marschieren. Andererseits wird die Demonstration eines solchen
Gewaltpotentials als richtig und unvermeidlich empfunden; der damit
verbundene Verweis auf die Gewaltförmigkeit des dahinter stehenden
Projekts wird nicht hinterfragt, er ist erst mal undurchschaubar: Beim
Nationalfeiertag in Paris marschieren auch deutsche Soldaten mit der
deutsch-französischen Brigade, dem Eurocorps; bereits 1994 paradierten
deutsche Kampfpanzer erstmals wieder auf den Champs-Élysées.
Europäische Eingebundenheit soll die Zügelung nationaler Militärmächte
symbolisieren und ein auch militärisch vereinigtes und nach außen
handlungsfähiges und -williges Europa darstellen. Die gemeinsamen
europäischen Militärrituale verweisen somit zwar auf einen
inner-europäischen Burgfrieden, zugleich aber auch auf die
viel-tausendfach tödliche Sicherheit der „Festung Europa“ in ihrem
Inneren und an ihren Grenzen und auf den eigenständig globale
Interessenpolitik betreibenden Euro-Imperialismus, der strukturelle
Gewaltverhältnisse im Weltmaßstab reproduziert und wenn nötig auch mit
direkter Gewalt operiert. Ganz im Sinne von Johan Galtungs Konzept von
„Kultureller Gewalt“ wird mittels der symbolisch aufgeladenen
Militärrituale die Realität so undurchsichtig gemacht, „daß wir eine
gewalttätige Handlung oder Tatsache überhaupt nicht wahrnehmen oder
sie zumindest nicht als solche erkennen.“[7]
In den Militärritualen verweist die moderne Souveränität – ob
national oder im Übergang zur europäischen – mitnichten ausschließlich
auf sich selbst. Sie verweist ebenso auf die autoritär-herrschaftlichen
Momente, die das Fundament jeder staatlichen Ordnung bilden – auch der
Ordnung der formalen Demokratie. Moderne Staaten begegnen einander,
indem sie sich ihre protokollarisch domestizierten Gewaltapparate
vorführen. Daher haben die sich selbst als zivil-demokratisch
verstehenden Nationalstaaten auf der Ebene des
diplomatisch-protokollarischen Kontakts auch gar kein
Kompatibilitätsproblem mit autoritären, diktatorischen, faschistischen
Staatsgebilden.
In den inszenierten Machtvisualisierungen wiederum werden bestimmte
Verfahren und Institutionen durch ihre umfassende ästhetische
Aufbereitung überhöht.
„Die Akzeptanz, die im demokratischen Machtgebrauch auf der Ebene der
Entscheidungsfindung qua Visibilität hergestellt worden ist, muß im
autoritär-herrschaftlichen Machtgebrauch auf der Ebene der
Ordnungsstiftung durch die Visualisierung der Repressionsmittel
hergestellt werden.“[8]
Eine Militärparade auf dem Roten Platz oder der Avenue des
Champs-Élysées ist nicht etwas jeweils ganz anderes. Ganz im Gegenteil:
Sie bilden das Gemeinsame der vermeintlichen Gegensätze ab auf der
Ebene der Visualisierung instrumenteller Staatsmacht. Denn nur diejenige
staatliche Herrschaft, die die symbolisch-expressive Dimension ihrer
Macht unter Kontrolle, d.h. Visibilität in Visualisierung überführt
hat, ist auf Dauer stabil.[9]

Widerstand ist möglich

Tätliche Ritualkritik kann auf der Ebene der Auseinandersetzung um die
Machtvisualisierung mit militärischen Mitteln selbst ansetzen:
Kommunikationsguerilla – verstanden als das Sammelsurium der Techniken
zur Entbergung von Macht und zur Bloßstellung von Herrschaft[10] –
greift die auf die Wirkung ihrer Feierlichkeit hin angelegten
Veranstaltungen direkt an. Gezielte und kontrollierte Provokationen
zwingen die vermeintlich souveräne Staatsmacht, ihre
„Visibilitätsreserve“ (Münkler) aufzubrauchen:
„Der Machthaber, der alle Macht zu zeigen gezwungen worden ist, ist nur
noch Gewaltanwender. Seine Visibilitätsreserve ist aufgebraucht; er ist
bloßgestellt, und Bloßstellung ist in diesem Fall gleichbedeutend mit
Machtverlust.“[11]
Zum Schutz des „feierlichen“ Rituals muss der Staat den gänzlich
unfeierlichen Teil seines Repressionsapparats aufbieten. Prävention und
Verfolgung provokativer Militärritualkritik bringt die Gesamtheit
staatlicher Repressionsgewalt mit all ihren ineinandergreifenden Formen
zum Vorschein.
Störung und Provokation entkleidet den Truppenkörper in den
Militärritualen seiner martialischen Ästhetik: Die Staatsmacht ist
gezwungen, bei diesem Anlass, der der eigenen feierlichen
Machtvisualisierung dienen soll, sich weit über das geplante
symbolische Maß hinaus als Unterdrückungsmechanismus zu zeigen: In der
Notwendigkeit, „Sicherheit und Ordnung“ rund um das Militärritual um
jeden Preis und mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten, zeigt der Staat
seine gesamten Repressionsmaterialien (gepanzerte Riot-Cops,
Wasserwerfer, Räumpanzer) und Repressionsmethoden (Absperrung und
Überwachung öffentlichen Raums, Einschränkung diverser Bürgerrechte
von Ritualkritikern, Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung
rein symbolischer Interventionen), wenn er sie nicht sogar gefällig
einsetzt gegen den dissidenten, friedenspolitisch aktiven Teil der
eigenen Bevölkerung. Mit dem Versuch, der demokratischen Herrschaft ihr
militärrituell konstruiertes Kleid vom Körper zu reißen, ist diese
keinesfalls völlig bloßzustellen. Aber immerhin zeigt sie ihr
hässliches, repressives Korsett.

Weiterführende Literatur zu Militärritualen und Zapfenstreich:

Euskirchen, Markus (2005): Militärrituale. Analyse und Kritik eines
Herrschaftsinstruments, Köln: Papyrossa.
https://www.euse.de/wp/militarrituale/

Steuten, Ulrich (1999): Der große Zapfenstreich: Eine soziologische
Analyse eines umstrittenen Rituals. Duisburger Beiträge zur
soziologischen Forschung, 1999, 2

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