IMI-Aktuell 2019/415

SPON: Sehnsucht nach deutscher Führung

von: 17. Juli 2019

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Georg Blume, Leiter des ZEIT-Büros in Paris, hat in einem Beitrag für Spiegel Online am Vortag der Abstimmung über den EU-Kommissionsvorsitz „beschrieben“, wie ganz Frankreich angeblich in einen Taumel der Germanomanie verfällt. Bereits die Kopfzeile stellt „Frankreichs Begeisterung für von der Leyen“ in den Raum, der Titel fragt: „Ist es Liebe?“ und der Untertitel behauptet bereits faktenfrei: „In keinem Land blicken die Menschen positiver auf eine Deutsche an der EU-Spitze als in Frankreich.“

Wer vermutet, dass in diesem Artikel das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter der französischen Bevölkerung referiert wird, sieht sich enttäuscht. Zu seiner Einschätzung gelangte der deutsche Korrespondent nach einer gefühlsmäßigen Eruierung bei seinem „Tresen-Nachbar im Pariser Eck-Café ‚L’autobus‘“ und einem Blick auf die teils positive Berichterstattung über die Kandidatin Von der Leyen in der französischen Presse („Le Monde“ und das Provinzblatt „Ouest-France“ werden genannt). Schlussfolgerung am Ende des Artikels: „[Die Franzosen] sehnen sich schon lange nach einer starken europäischen Führung. Und ja, tatsächlich auch nach deutscher Führung.“

Fakten? Fast sämtliche Kandidaten der französischen Präsidentschaftswahlen 2017 haben sich im Wahlkampf auf die eine oder andere Weise – teils vehement (Mélenchon, Le Pen) – gegen ein Übermaß an deutschem Einfluss in Europa positioniert. Lediglich Macron (der 24% der Stimmen im ersten Wahldurchgang bekam, Enthaltungen nicht miteinberechnet) fiel durch seine Deutschlandfreundlichkeit aus der Reihe wie ein bunter Hund. Ebenso faktenfrei, wenngleich zumindest nicht ganz indizienfrei ließe sich also behaupten: In keinem anderen Land blicken die Menschen negativer auf eine Deutsche an der EU-Spitze als in Frankreich. (sw)